Nacht, berühmte alte Sammlung morgenländ. Märchen und Erzählungen, über deren Ursprung viel gestritten
worden ist. Man hat sie für indischen, persischen, arabischen Ursprungs gehalten; jedenfalls haben alle diese Länder ihre
Beiträge dazu geliefert. Die jetzige Gestalt des Ganzen bietet ein anschauliches Bild arabischen Lebens dar. Das Werk scheint
in seinen Grundzügen im 9. Jahrh. n. Chr. entstanden zu sein, und es mag ihm die ältere persische Sammlung
»Hesâr efschâne« (»Die 1000 Märchen«) des Rasti zu Grunde liegen.
Das Ganze in seiner jetzigen Gestalt stammt aus Ägypten und zwar aus dem 15. Jahrh. und wurde im Abendland erst durch Gallands
»Les mille et une nuits« (Par.
1704-1708, 12 Bde.; in den verschiedenen Auflagen vermehrt von Caussin de Perceval u. a.) bekannt. Die vollständigste deutsche
Übersetzung der Gallandschen Bearbeitung ist die von Habicht, v. d. Hagen und Schall (5. Aufl., Bresl. 1840, 15 Bde.).
Neue, selbständig nach dem Original gearbeitete Übersetzungen ins Deutsche lieferten Weil (neueste Ausg.,
Stuttg. 1889, 4 Bde.) und König
(neue Ausg., Brandenburg 1876, 4 Bde.), ins Englische Lane (neueste Ausg., Lond. 1877, 3 Bde.).
Eine Ausgabe des Originals besorgten Habicht und Fleischer (Bresl. 1825-1843, 11 Bde.)
sowie Macnaghten (Kalk. 1839-42, 4 Bde.). Unter den mannigfachen Nachbildungen der Sammlung sind Petit de
la Croix und Lesages »Mille et un jours« (Par. 1710, 5 Bde.;
deutsch von v. d. Hagen, Prenzl. 1836, 11 Bde.),
ferner »Les mille et une heures« (Amsterd.
1733, 2 Bde.) und »Les
mille et un quart d'heure« (Haag 1715-17, 3 Bde.) zu nennen.
Nacht (arab. Alif laila walaila, Tausend Nächte und eine Nacht),
Titel einer der berühmtesten und populärsten, in arab. Sprache abgefaßten Sammlungen von Erzählungen und Märchen, die aus
verschiedenen Ländern und Jahrhunderten stammen, aber durch ihre Einfügung in eine Rahmenerzählung
zu einem zusammengehörenden Ganzen gestaltet sind. Obwohl nur zum Teil auf mohammed. Boden erwachsen, bieten die Erzählungen
ein vielseitiges Gemälde des mohammed. Volkslebens in seinen mannigfachen Beziehungen; namentlich ist es das Leben in den
Hauptstädten Bagdad (mit seinem hochsinnigen Chalifen Hârûn [s. d.] al-Raschid) und Kairo, das uns vorgeführt
wird. Man erhält dabei ein farbenreiches Bild der volkstümlichen mohammed. Weltauffassung.
Der Rahmen dieser Erzählungen ist folgender. Der König von Indien, der von seiner Gemahlin betrogen ist und an der Treue der
Frauen verzweifelt, befiehlt seinem Wesir, ihm jeden Tag ein anderes Mädchen seines Reichs zuzuführen
und jede derselben am darauffolgenden Tage hinrichten zulassen. Längere Zeit wird dieser Befehl vollführt, da entschließt
sich die Tochter des Wesirs, Schehersad (Schehrezade, Scheherezade), das Land von dem furchtbaren Unglück zu befreien und
den König von seinem unheilvollen Wahn zu heilen, und bittet ihren Vater, sie dem König zuzuführen.
Der lange widerstrebende Wesir giebt endlich den Bitten seiner Tochter nach, und diese weiß den König durch ihre Erzählungsgabe
tausendundeine Nacht lang so zu fesseln, daß er, immer auf den Schluß einer angefangenen, aber durch den Anbruch des Morgens
unterbrochenen, oder auf eine weitere, ihm als ganz besonders interessant angekündigte Erzählung begierig,
sie zu töten unterläßt und von seinem Frauenhaß geheilt wird. Die Erzählungen der Wesirstochter bilden den Inhalt der
Tausendundeine Nacht Die pers., ihrem Inhalt nach mit ind. Erzählungen zusammenhängende Märchensammlung «Hezâr
efsâne» (d. i. tausend Erzählungen) ist der Grundstock der Tausendundeine Nacht, welcher
bereits im 10. Jahrh. in arab. Übersetzung verbreitet war und den Gegenstand allmählicher Erweiterung
durch andere alte pers. Geschichten bildete. In dieser Bearbeitung erhielten die Erzählungen mohammed. Gepräge
und die Farbe der Blütezeit der abbasidischen Regierung in Bagdad.
Gewerbsmäßige Märchenerzähler erweiterten durch Einschachtelung neuer Erzählungen und Episoden im Lauf der Jahrhunderte
den aus dem 10. Jahrh. überkommenen Erzählungsstoff, bis endlich das
Material für Tausendundeine Nacht zusammengetragen wurde, dessen Inhalt und Anordnung aber hinsichtlich der neu hinzugekommenen Partien in
den verschiedenen Recensionen voneinander wesentlich abweicht. Frühestens in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh.
erhielt die Sammlung und zwar in Ägypten die allgemeine Gestaltung, in
mehr
welcher sie jetzt abgeschlossen erscheint; jedoch erfuhr sie auch noch nachher im Munde der Erzähler viele Veränderungen
und Erweiterungen. Die erste (unvollständig gebliebene) Ausgabe des arab. Textes erschien zu Kalkutta 1814 und 1818 in 2 Bänden.
Vollständige Ausgaben des arab. Originals lieferten M. Habicht und H. L. Fleischer (12 Bde., Bresl.
1825-43), Macnaghten (4 Bde., Kalk.
1839-42), und wiederholt wurde es in Ägypten (2 Bde., Bulak 1251 der Hidschra, und 4 Bde., 1279 der Hidschra u. ö.)
gedruckt; die allerneueste Textausgabe ist in 5 Bänden von Salhâni besorgt (Beirut 1888-91). Europa wurde zuerst durch A.
Galland (s. d.), welcher das Werk auf Grund seines aus dem Orient mitgebrachten Manuskripts u. d. T. «Les
mille et une nuits» (12 Bde., Par.
1704-17) in Übersetzung veröffentlichte, mit der Sammlung bekannt gemacht, und bald folgten viele andere teils franz.
Bearbeitungen, teils deutsche, englische u. s. w. Übersetzungen.
Die vollständigste deutsche Übersetzung ist die von M. Habicht, von der Hagen und Karl Schall veranstaltete;
unmittelbar aus dem arab. Original sind nur die beiden letzten Bändchen von Habicht übersetzt (zuerst in 15 Bdn., Bresl.
1824-25 und dann öfter). Neue, durchgängig selbständig nach dem Original gearbeitete Übersetzungen gaben in der deutschen
Litteratur G. Weil (4 Bde., Stuttg.
1837-42, und vollständig umgearbeitet 1866; 4. Aufl. 1871-72), in der englischen
Edw. Lane (3 Bde., Lond. 1839 und später
1859, 1883). Während in diesen Übersetzungen aus Rücksichten auf den Geschmack europ. Leser viele Stücke des Originals übergangen
wurden, haben in neuerer Zeit engl. Übersetzungen aller prosaischen und poet.
Teile geliefert John Payne (herausgegeben durch die Villon Society in 9 Bdn., Lond. 1882-84)
und Richard Burton (16 Bde., Benares 1885-88). Die Arbeit des letztern verfolgt dabei den Zweck, durch Hinzufügung aller unter
dem Namen der Tausendundeine Nacht in Handschriften vorhandenen, jedoch in den gewöhnlichen Recensionen fehlenden Erzählungen das gesamte
litterarhistor. Material der Erzählungen zu vereinigen. Über Entstehungsgeschichte und Komposition der
Tausendundeine Nacht hat zu allererst ausführlich S. de Sacy geschrieben («Recherches sur l'origine du recueil de contes intitulé: Les
mille et une nuits», Par. 1829). Auf die Zeugnisse für das Vorhandensein der ersten Keime der Tausendundeine Nacht im 10. Jahrh. hat zuerst
Hammer-Purgstall hingewiesen.
Der dritte Band von Lanes Übersetzung enthält eine Untersuchung über die Entstehungszeit der Sammlung.
Der neueste Stand der litteraturgeschichtlichen Wissenschaft in diesen Fragen wird dargestellt in den Abhandlungen von de Goeje
(«De arabische Nachtvertellingen» in «De Gids», 1886); August Müller («Die Märchen der Tausendundeine Nacht» in der «Deutschen Rundschau», Bd.
52, 1887) und in dem Essay «The Arabian Nights» (in der
«Edinburgh Review», Bd.
164,1886),
der auch die Beurteilung der neuesten engl. Übersetzungen enthält. Über die verschiedenen Recensionen und Handschriften
hat Zotenberg («Histoire d'Alâ al-din ou la lampe merveilleuse», Par.
1888) wichtige Beiträge geboten.
Vgl. auch Arbuthnot, Arabic Authors (Lond. 1890).
Das Interesse, welches Gallands Übersetzung erregte, reizte zu Nachahmungen, und so erschien von Pétis
de la Croix u. d. T. «Les mille et un jours.
Contes persans» (5 Bde., Par.
1710-12; deutsch von F. H. von der Hagen mit mannigfachen Zusätzen, 11 Bde.,
Prenzl.
1827-32; 2. Ausg. 1836) die Bearbeitung eines im Orient sehr beliebten Märchenwerkes «El Faradsch ba'd
el-schidda», d. i. «Auf Leid folgt Freud».