Tataren
,
ursprünglich
Name eines mongol. Volksstammes, der aber im weitern Verlauf nicht nur auf die
Mongolen überhaupt,
sondern infolge des politischen Übergewichts, welches dieselben nach
Dschengis-Chan in
Asien
[* 2] besaßen,
auch auf die ihnen unterworfenen verwandten
Völker
übertragen ward. Gegenwärtig bezeichnet man mit dem
Namen Tataren
einen
Zweig
des uralaltaischen Volksstammes, der von den
Gestaden des
Mittelländischen und
Schwarzen
Meers bis an die
Ufer der
Lena in
Sibirien
eine
Reihe von
Völkerschaften umfaßt, als: die
Jakuten, die nordöstlichsten
Glieder
[* 3] des
Zweigs, an der
Lena;
die Buruten oder schwarzen Kirgisen, im chinesischen Turkistan;
die Kirgisen oder Kasak (in drei Horden);
die Uzbeken, von Bochara bis zum Kaspischen Meer;
die Turkmenen, südlich vom Oxus bis Kleinasien;
die Karakalpaken, südlich vom Aralsee;
die Kumüken, im nordöstlichen Kaukasus;
die Osmanen, die türkischen Bewohner der europäischen Türkei [* 4] und teilweise Kleinasiens, und die im engern Sinn.
Die letztern werden nach ihrer Lebensweise als ansässige und nomadisierende Tataren
unterschieden.
Ihre Zahl wird geschätzt auf 1,200,000 im europäischen Rußland, 100,000 im
Kaukasus und 70,000 in
Sibirien; sie sind alle
Mohammedaner. Die Kasanschen Tataren
haben durch ihre Vermischung mit
Finnen und
Russen ihren mongolischen
Typus
mehrfach eingebüßt; sie zeichnen sich durch Nüchternheit, Gastfreiheit und Arbeitsamkeit aus, sind sehr begabt, können
alle lesen und schreiben und ernähren sich vorzugsweise durch den
Handel; ihre Zahl wird auf 450,000 angegeben.
Die
Krimschen Tataren
werden in
Steppen- und Bergtataren
eingeteilt, von denen die erstern den mongolischen
Typus recht rein erhalten haben. Sie beschäftigen sich vorzugsweise mit
Viehzucht,
[* 5] namentlich Schafhaltung; einige unter ihnen
bauen auch
Tabak,
[* 6]
Arbusen und
Melonen. Der
Reichtum der Bergtataren
besteht in
Frucht- und Obstgärten. Ihr häusliches
Leben ist
durch Sauberkeit und Ordnungsliebe ausgezeichnet.
Ihre Zahl wird auf 250,000 geschätzt. Die stark mit
Mongolen vermischten Nogaiischen Tataren
oder
Nogaier wohnen, 50,000
Seelen stark, zwischen dem
Schwarzen und dem
Kaspischen
Meer an den
Flüssen
Kuban,
Kuma,
Wolga und in der
Krim.
[* 7] Die
Sibirischen Tataren
sind zum größten Teil ansässig, nur ein kleiner Teil nomadisiert.
Ein Hauptstamm derselben sind die Tureliner, aus denen man die eigentlichen Tataren
und die nach
den von ihnen bewohnten Gegenden benannten Taraischen, Tobolskischen, Tjumenschen und Tomskischen Tataren
unterscheidet.
Zum Teile leben sie in
Städten und
¶
mehr
treiben Ackerbau, zum Teile liegen sie dem Ackerbau, der Viehzucht und der Jagd ob. Weiter gehören zu den Sibirischen Tataren
die
Barabiner in der Steppe Baraba zwischen Ob und Irtisch, ein gutartiges Naturvolk, das fast ausschließlich Viehzucht und Fischerei
[* 9] treibt; die Tschulymschen Tataren
, am Fluß Tschulym, die sich schon sehr den Russen genähert haben; die Teleuten
(s. d.), Sagaer, Abakan oder Katschinzen (s. d.), Karagassen (s. d.) und Reste der einst zahlreichen Ariver und Asanen (s. d.).
S. Tafel »Asiatische Völker«,
[* 10] Fig. 7. Die Umbildung des Namens Tataren
in Tartaren wird auf ein Wortspiel König Ludwigs des Heiligen
von Frankreich zurückgeführt, der denselben von »Tartaros« ableitete und damit die Tataren
als der Unterwelt
Entstiegene bezeichnen wollte.
Vgl. Schott, Älteste Nachrichten von Mongolen und Tataren
(Berl. 1846);
Wolff, Geschichte der Mongolen
oder Tataren
(Bresl. 1872);
Vambéry, Die primitive Kultur des turko-tatarischen Volkes (Leipz. 1879);
Derselbe, Das Türkenvolk (das. 1885);