Tarént
(Taranto), befestigte Seestadt und Kreishauptort in der ital.
Provinz
Lecce, auf einer
Insel zwischen dem großen
Golf von Tarént
und dem lagunenartig ins Land hineinragenden
Mare piccolo gelegen, ist durch eine sechsbogige
Brücke
[* 2] und einen
alten byzantinischen
Aquädukt mit dem
Festland verbunden und
Station der
Eisenbahn von
Bari nach
Reggio di
Calabria. Die
Lage von Tarént
ist eine so überaus günstige, daß diese Stadt, wie es im
Altertum der
Fall war, zum
Organ bestimmt
erscheint, durch welches
Italien
[* 3] mit dem
Orient in Beziehungen tritt. Es hat im
Mare piccolo einen tiefen, völlig geschützten
Hafen, und auch der äußere
Golf bietet in seiner
Verengerung mit den beiden vorgelagerten, trefflich zur
Verteidigung geeigneten
Inseln
San Pietro und
Paolo einer ganzen
Flotte sichern
Schutz.
Zwei
Eisenbahnen, die eine an der ganzen
West-, die andre an der Ostseite der
Halbinsel bis zum
Golf von Tarént
verlängert, finden
hier ihren natürlichen Endpunkt. Treffliches Quellwasser sprudelt im
Mare piccolo wie im
Mare grande selbst
empor. So dürfte sich Tarént
, namentlich wenn das
Projekt der Verlegung des Kriegshafens von
Neapel
[* 4] und der
Werfte von
Castellammare
dorthin zur Ausführung gelangen sollte, neuerlich zu großer Bedeutung erheben. Auch der
Handel hebt sich schon einigermaßen. 1886 sind
im
Hafen 408
Schiffe
[* 5] mit 144,962
Ton. eingelaufen.
Der Warenverkehr zur See (Einfuhr von Kohle, Holz, [* 6] Getreide, [* 7] Ausfuhr von Öl, Wein, Hülsenfrüchten etc.) beläuft sich allerdings erst auf 65,000 Ton. Fischerei, [* 8] auch Austernzucht, Handel, Oliven-, Feigen- u. Weinbau sind die Haupterwerbszweige der als sehr indolent geltenden Bewohner, deren man 1881: 25,246 zählte. Die Stadt dehnt sich jetzt nur auf der kleinen felsigen Halbinsel zwischen den Meeren aus und hat wenig Reste des Altertums wie des Mittelalters aufzuweisen.
Sie ist Sitz eines Erzbischofs, eines Unterpräfekten, eines Zivil- und Korrektionstribunals, eines Hauptzollamtes sowie eines deutschen Konsuls und hat ein Lyceum, ein Gymnasium etc. -
Tarént
ist das Tarentum
(Taras) der Alten.
Taras wurde 708
v. Chr. von den spartanischen
Partheniern unter dem
Herakliden Phalanthos gegründet und durch seine geschützte
Lage und seinen vorzüglichen
Hafen eine der mächtigsten griechischen
Pflanzstädte in Unteritalien. 272 ward dieselbe von den
Römern erobert, nachdem
Pyrrhos, der für sie seit 280 gegen
Rom
[* 9] Krieg geführt, 275
Italien verlassen hatte. Im zweiten
Punischen
Krieg ward sie 211 von
Hannibal erobert, die
Römer
[* 10] behaupteten
sich indes in der
Burg und bemächtigten sich von da aus 209 der Stadt wieder.
Diese ward geplündert und zum Teil zerstört, und gegen 30,000 Einw. wurden in die
Sklaverei verkauft. 123 ward
die Stadt mit römischen
Bürgern bevölkert und blühte seitdem wieder auf.
Das dortige Erzbistum soll 378 gegründet worden
sein. Im
Mittelalter stand die Stadt erst unter den byzantinischen
Kaisern, ward dann von den
Sarazenen erobert und endlich
dem
Königreich beider
Sizilien
[* 11] und mit diesem 1861 dem
Königreich
Italien einverleibt. Tarént
ist die Vaterstadt
des Musikers
Giovanni Paësiello. Der französische
Marschall
Macdonald (s. d.) wurde von
Napoleon I. zum
Herzog von Tarént
ernannt.
Vgl. Döhle, Geschichte Tarents bis auf seine Unterwerfung unter Rom (Straßb. 1877);
de Vincentiis, Storia di Taranto (Neap. 1878 ff., 5 Bde.);
Gagliardo, Descrizione topografica di Taranto (Tarent 1886).