Tamina
(Kt. St. Gallen,
Bez. Sargans).
2400-505 m. Linksseitiger Zufluss des
Rheins. Die Tamina
entsteht im
Hintergrund des
Calfeisenthales aus der Vereinigung zahlreicher
Bäche, die von den vielen kleinen Gletscherzungen herkommen, in die sich
der untere Rand des
Sardonagletschers auflöst. Als kräftiger Gletscherbach fliesst sie zunächst in ö. Richtung durch das 12 km
lange, durch seinen Reichtum an schönen Naturszenerien ausgezeichnete Calfeisenthal. Anfänglich eilt
der Bach über einen ziemlich breiten, muldenförmigen, von den grünen
Weiden der
Sardonaalp bedeckten Thalboden dahin. Allein
rasch engt sich der Thalgrund zu einer schmalen Rinne ein, aus der die felsigen
Berghänge steil emporsteigen. Zahlreiche
Seitenbäche eilen hier sowohl
von S. aus der Ringelspitzkette, als von N. vom Muttenthalergrat und den
Grauen
Hörnern her der Tamina
zu; doch nur ein einziger derselben, der vom Pizol herkommende Bach von
Tersol, hat ein eigentliches
Thal ins Gebirge eingeschnitten; die übrigen sind mehr nur Runsen, die kurze und steile, im obern Teil oft reich verzweigte
Schluchten in die Flyschschieferhänge eingesägt haben. Bei
Vättis, dem einzigen in der Thalsohle liegenden
Dorf, tritt die Tamina
aus dem Calfeisenthal heraus, vereinigt sich mit ihrem wichtigsten Seitenbach, dem vom
Kunkelspass
herkommenden
Görbsbach, und betritt damit das eigentliche Taminathal
, das zunächst, die Richtung des
Kunkelsthales beibehaltend,
sich nach NO. zieht und später zu fast rein nördl. Richtung umbiegt. Von
Vättis bis
Spina stellt der
Thalgrund eine 2 km lange und bis 500 m breite Alluvialebene dar, in welche die Tamina
hübsche Erosionsterrassen eingeschnitten
hat. An ihrem N.-Ende treten die Thalwände rasch zusammen, und das Thal wird zu einer waldigen
Schlucht, die auf beiden
Seiten
von hohen Felswänden eingefasst ist. In ihrer
Sohle eilt der Bergbach schäumend dahin, während das
Strässchen, das von
Pfäfers nach
Vättis hinaufführt, sich etwas höher oben am rechtsseitigen Gehänge Raum suchen musste.
Südl. der Häusergruppe
Langwies tritt der Fluss aus den
Jura- und Kreidefelsen, in welche dieses
Tobel eingesägt ist, wieder
ins Gebiet der eozänen Flyschschiefer ein, womit auch die Thalgehänge wieder einen sanftern Charakter
annehmen. Sie bieten Raum für wellige Wiesenterrassen, über welche die
Häuser von
Langwies,
Vasön und
Vadura hingestreut
sind. Doch kurz nördl. der Einmündung des
Mühletobels, östl. unter der Terrasse von
Valens, treten die Thalwände wieder
rasch zusammen, und es beginnt der interessanteste Teil des Tamina
laufes, die Taminaschlucht, eine der
grossartigsten Erosionsschluchten Europas. Ihr wildester Teil ist ihr südlichster Abschnitt, wo sie eine über 100 m tiefe
und meist nur wenige Meter breite Spalte darstellt, in welche das Tageslicht von oben her nur spärlich einzudringen vermag
und in deren
Tiefe der Fluss seine in weissen Gischt aufgelösten Wassermassen brüllend zwischen den
Felswänden durchwälzt. An ihrer engsten Stelle bilden in die
Schlucht hineingestürzte und zwischen ihren
Wänden festgeklemmte
Felsblöcke eine Naturbrücke, über welche ein Fusspfad von
Valens nach der östl. über der
Schlucht liegenden Häusergruppe
Ragol führt. In der
Tiefe der
Schlucht entspringt die seit Jahrhunderten bekannte heisse Quelle, der
Ragaz
zu einem guten Teil seine Bedeutung als Kur- und Fremdenort verdankt. (Vergl. die Artikel
Ragaz und
Pfæfers).
Dass diese
Schlucht nicht etwa eine Zerreissungsspalte der Erdkruste, sondern ausschliesslich das Ergebnis der Erosionsarbeit
des Flusses ist, beweisen die zahlreichen rundlichen Erosionskessel, die an den dunkeln Flyschschieferwänden
bis hoch über das heutige Flussniveau hinauf erhalten geblieben sind. Bei dem in die
Schlucht hineingebauten
Bad
Pfäfers entfernen
sich die Felswände etwas voneinander; doch bleibt das Taminathal
bis zu seiner Ausmündung ins
Rheinthal eine wilde
Schlucht,
deren
Sohle neben dem Fluss kaum noch für das Strässchen Raum bietet, das seit 1839
Ragaz mit dem
Bad
Pfäfers verbindet. Nach dem Austritt aus der
Schlucht fliesst die Tamina
in
mehr
kanalisiertem Bett über ihren flachen Schuttkegel durch das Dorf Ragaz und ergiesst sich nach 26 km langem Lauf im Niveau von 505 m
dicht südl. der Eisenbahnbrücke zwischen Ragaz und Maienfeld in den Rhein. Zwischen Vättis und Ragaz nimmt die Tamina
eine
grosse Zahl von Seitenbächen auf. Unter den linksseitigen, aus den Grauen Hörnern kommenden Zuflüssen
sind die wichtigsten der vom Aelplikopf kommende Kreuzbach, der das Calvinathal durchfliessende Radeinbach und der durch das
Mühletobel herausfliessende Vaplonabach, der eine Unzahl von kleinen, an den Zanayhörnern und an dem südl. vom Wildsee sich
erhebenden Felsgrat entspringenden Bächen sammelt.
Alle diese Seitenbäche haben im Oberlauf weite, reich verästelte Erosionsthäler in das Flyschschiefergebirge
eingeschnitten und münden durch enge, ungangbare Schluchten auf das Taminathal
aus. Auf der rechten Thalseite treffen wir
nur kurze, durch steile Tobel herabfliessende Runsen, da der Kamm des Calanda nur wenig weit von der Sohle des Tamina
thales entfernt
ist und sich nordwärts rasch verflacht, so dass das Sammelgebiet für, grössere Bäche fehlt. Das Einzugsgebiet
der Tamina
umfasst 147,1 km2, wovon 48,7 auf Fels und Schutt und 2,8 auf Eis und Firn, sowie 23,2 auf Wald entfallen. Die
Wasserkraft des Flusses wird bei Ragaz zur Beleuchtung der Bäder und für verschiedene kleine industrielle
Anlagen benutzt.