Talion
(lat. talĭo), das Verhältnis des
Thuns und
Leidens, des Empfangens und
Leistens, vermöge dessen sich beides
untereinander ausgleicht, also die
Vergeltung, die sich ebenso als Lohn wie als
Strafe darstellt. Jus talionis
heißt das
Recht
der Wiedervergeltung mit einem dem
Verbrechen gleichen, und möglichst gleichartigen Übel, poena talionis
die nach diesem Princip verhängte
Strafe. Geschichtlich tritt diese Form der vergeltenden Gerechtigkeit schon bei den alten
Juden und bei den alten Griechen auf:
«Auge
[* 2] um
Auge,
Zahn um
Zahn»; sie macht sich aber auch später, auch heute noch als
Argument
für die
Rechtfertigung der
Todesstrafe geltend.
Einen psychol. Hintergrund hat sie in dem Durst des Verletzten und seiner Familie nach
Rache. So erhält sie sich als Blutrache
(s. d.) bei leidenschaftlichen Völkern mit nicht völlig geordneten polit. Verhältnissen.
Wo der
Staat die ausübende Gerechtigkeit allein in
Anspruch nimmt, wird diese rohe Talion
von der fortschreitenden
Bildung zur Seite geschoben. Denn die sittliche Gerechtigkeit mißt nicht bloß nach der äußern That, sondern nach
dem
Grade der Schuld. Die Bestrafung mit einem gleichartigen Übel ist überdies undurchführbar, und verletzt, wo sie ausführbar
ist, meistens das menschliche Gefühl.