(spr. ssilādji),Desider von, ungar.
Justizminister, geb. 1840 zu
Großwardein,
[* 2] beendigte die Rechtsstudien in
Pest, wo er auch die Advokatenpraxis begann und sich
daneben mit Journalistik beschäftigte. Im J. 1867
Sekretär,
[* 3] bald Sektionsrat im
Justizministerium, machte er 1870 eine längere
amtliche Studienreise nach
England und war als
Ministerialrat namentlich mit kodifikatorischenArbeiten¶
mehr
betraut. Seit 1871 gehörte er dem Abgeordnetenhaus an und übernahm 1874 die Lehrkanzel für Strafrecht und Politik an der
BudapesterUniversität. Als Parlamentarier zeichnete sich S. bald durch eine ungewöhnliche Beredsamkeit aus; seine Reden sind
überdies Muster dialektischer Gewandtheit und scharfer logischer Beweisführung. Bis 1877 war er Mitglied der Regierungspartei,
wurde dann mit dem GrafenAlbertApponyi (s. d.) Führer der vereinigten Linken, von der er jedoch 1886 ausschied, um eine Zeitlang
außerhalb der Parteien zu bleiben. 1889 übernahm er das Justizportefeuille und schloß sich wieder der Regierungspartei
an. Der Minister S. gilt im jetzigen ungarischen Kabinett als der Hauptträger der administrativen und
judiziellen Reformen im modernen freiheitlichen Sinn und genießt bei allen Parteien des Parlaments großes Ansehen. Seine Reformarbeiten
hat er auf dem Gebiete der Gerichtsreorganisation bereits kräftig in Angriff genommen.
(spr. ßíllahdji),Alexander, ungar. Historiker, geb. zu Klausenburg,
[* 6] studierte in seiner Vaterstadt,
dann in Maros-Vásárhely, trat 1846 in den Staatsdienst, widmete sich frühzeitig der Journalistik und Litteratur, namentlich
lieferte er Beiträge zur Geschichte der J. 1848 und 1849. Später übernahm er Lehrerstellen in Kecskemet
und Nagy-Körös, wurde 1867 Sekretär im Ministerium für Kultus und Unterricht und 1879 Direktor der Universitätsbibliothek
in Budapest.
[* 7]
Seit 1859 ist S. Mitglied der UngarischenAkademie der Wissenschaften. Seine zahlreichen histor. Arbeiten behandeln meist die
Geschichte Siebenbürgens; besonders zu nennen sind die «Monumenta Comitalia
Regni Transsylvaniae» (bisher 18 Bde.).
Deutsch ist von ihm erschienen: «Georg Báhóczy I. im Dreißigjährigen Kriege 1630-40»
(Budap. 1883),
«GabrielBethlen und die schwed. Diplomatie» (ebd. 1882). S. ist als Sekretär der Ungarischen Historischen Gesellschaft
auch Redacteur der histor. Zeitschrift «Századok» («Jahrhunderte»).
(spr. ßíllahdji), Desider von, ungar. Staatsmann,
geb. in Großwardein, studierte in Wien
[* 8] sowie auf deutschen Universitäten und in Budapest die
Rechte und widmete sich der Advokatenpraxis. 1867 wurde er Sekretär und später Sektionsrat im Justizministerium. 1870 machte
er im Auftrage des Ministeriums eine Reise nach England, um dort das Civil- und das Strafverfahren zu studieren.
Nach seiner Rückkehr wurde er Mitglied der im Ministerpräsidium errichteten Kodifikationskommission. 1874 schied er als
Ministerialrat aus dem Justizministerium aus und übernahm an der BudapesterUniversität den Lehrstuhl für Strafrecht und
Politik. Im Abgeordnetenhause, dem er seit 1871 angehörte, schloß er sich der Deák- und später der liberalen Partei
an; 1877 trat er jedoch wegen Meinungsverschiedenheiten bezüglich des zwischen Ungarn
[* 9] und Österreich
[* 10] abzuschließenden Zoll-
und Handelsvertrags zur Opposition über, deren Führer im Verein mit dem GrafenApponyi er bald wurde. Diese Partei vertrat
er dann in den Delegationen und in dem Finanzausschuß des Abgeordnetenhauses. Anfang April 1889 wurde er
zum Justizminister ernannt und trat als solcher energisch für die Einführung der Civilehe ein. Er behielt sein Portefeuille
auch bei der Neubildung des Kabinetts durch Wekerle, Nov. 1892, trat aber mit diesem Jan. 1895 zurück und wurde gleich darauf
zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses gewählt.