Synagoge
(grch., Übersetzung des neuhebr. keneset), Versammlung, auch Versammlungsort der Gemeinde, auch Proseuche («Gebetsstätte») genannt, eine nachexilische Institution, die nötig wurde, als man die jüd. Religion auf das Gesetz gründete. Die Gemeinde mußte in der Kenntnis desselben unterwiesen werden. In sabbatlichen Versammlungen geschah dies durch Schriftverlesung (Neh. 8),. für die später eigene Gebäude (Ps. 74, 8). errichtet wurden. Es handelte sich also hier nicht um den eigentlichen Gottesdienst oder die Erbauung, sondern um Lehren [* 2] und Lernen. Zu diesem Zwecke finden sich die S. auch im Neuen Testament als feste Einrichtung (Luk. 4, 16. fg.; Apostelgesch. 13, 14. u. ö.). An der Spitze stand ein Vorsteher (Archisynagogos), der in rein jüd. Orten zugleich der polit.
Oberaufseher der Gemeinde war. Er sorgte aber nur für die äußere Ordnung. Die gottesdienstlichen Akte: Schriftvorlesung, Ansprache, Gebet u. dgl. gehörten in freier Weise den Gemeindegliedern. Jesus, der Apostel Paulus u. a. ergreifen ohne weiteres das Wort (Luk. 4, 17;. Apostelgesch. 13, 15. fg. u. s. w.). Küsterartige Geschäfte, Aufbewahrung der Gesetzesrolle u. dgl., lagen dem chassan ob (Luk. 4, 20,. «Diener»). Über die Einrichtung der S., die Gottesdienstordnung u. dgl. vgl. E. Schürer, Geschichte des jüd. Volks, Tl. 2 (Lpz. 1886). Über die talmudischen Regelungen der Einrichtung der S. vgl. Hamburger, Realencyklopädie für Bibel [* 3] und Talmud, Abteil. 2 (Strelitz [* 4] 1883). Nach der Zerstörung des zweiten Tempels galten die S. zugleich als kultischer Ersatz desselben. Das Gebet vertrat das Opfer. Es bildete sich ein synagogaler Ritus aus, dem die sich anschließende Poesie eine höhere Weihe verlieh. -
Vgl. Zunz, Die synagogale Poesie des Mittelalters (Berl. 1853);
ders., Die Ritus des synagogalen Gottesdienstes, geschichtlich entwickelt (ebd. 1859);
ders., Litteraturgeschichte der synagogalen Poesie (ebd. 1865). -
Die sog. Große S. ist eine rabbinische Fiktion, die die geschichtlich leere Zeit von Esra bis zum Synedrium (s. d.) auszufüllen sucht.
Baugeschichtliches. Bei dem während des Mittelalters auf den Juden liegenden Druck haben sie seit ihrer Zerstreuung nur selten Gelegenheit gehabt, eigene Gebethäuser zu schaffen. Zuerst geschah dies in großartiger Weise in Spanien [* 5] unter der Herrschaft der Mauren. Die 713 gebaute, 1050 zerstörte S. zu Saragossa, [* 6] die bald darauf entstandene, gleichfalls vernichtete zu Cordoba [* 7] werden von den Zeitgenossen als großartige Werke geschildert. Es erhielt sich die im 12. Jahrh. in maur.
Stil erbaute S. zu Toledo, [* 8] welche 1405 zur Kirche Santa Maria la Blanca umgebildet wurde. Sie ist dreischiffig, geradlinig geschlossen, also ohne Chor. Im christl. Mittelalter entstanden mehrfach größere S., so die S. zu Prag [* 9] (sog. Altneuschule aus 13. Jahrh.), zu Livorno [* 10] (1591 klein, 1603 größer gebaut, 1789 nochmals erweitert), zu Amsterdam [* 11] (1670 von Dorsman) u. a. Seit der Befreiung der Juden haben diese begonnen, sich überall größere und kleinere S. zu errichten.
Namentlich in Deutschland [* 12] ist der Bau der S. fortgeschritten, dem England und Frankreich entschieden nachstehen. Schon 1824-25 baute Metivier die S. zu München, [* 13] 1826 Kornhäusel die zu Wien; [* 14] 1838-40 schuf H. Semper in der Dresdener S. den Typus, indem er sich an maur. Vorbilder hielt, 1853-58 bildete L. von Förster diesen im Israelitischen Tempel [* 15] zu Wien (Leopoldstadt) geistreich weiter, 1853-54 und 1859-66 entstanden die beiden großen Berliner [* 16] S., erstere von G. Stier für die Reformgemeinde, letztere von Knoblauch und Stüler für die Orthodoxen (Kosten 1,7 Mill. M.), 1857-59 baute Rosengarten die S. zu Hamburg. [* 17]
Eine Reihe großartiger S. entstand in den siebziger Jahren: 1872 zu Breslau [* 18] und Hannover [* 19] (beide von Oppler), 1874 zu Nürnberg [* 20] (von Wolf) und zu Stettin [* 21] (von Ende und Boeckmann), 1872-75 zu Braunschweig [* 22] (von Konst. Uhde) u. a. m. Unter den neuesten S. sind jene zu Berlin [* 23] (von Cremer und Wolffenstein, 1888-91), zu Kaiserslautern [* 24] (von L. Levy 1882-91) und Straßburg [* 25] (1892, von Ißleiber) bemerkenswert. Die S. bestehen in der Regel aus einer rechtwinkligen oder centralen Anlage mit einer schmalen, gegen Osten gerichteten Nische für den mit Teppichen verhängten heiligen Schrein (Oraun-Hak audesch). Vor diesem steht die Kanzel und der Almemor (arab. almimbra, Redestätte), welche beide auf einer Estrade einige Stufen über das Schiff [* 26] erhöht sind. Um den Hauptraum ziehen sich Emporen, welche für die Frauen bestimmt sind. Die strenge Trennung der Geschlechter muß durch Anlage einer Vorhalle, mehrere Thüren, gesonderte Treppen [* 27] erleichtert werden.