Symbolische
Bücher, Schriften, durch welche eine Kirche den Glauben, an dessen Bekenntnis ihre Mitglieder sich teils untereinander erkennen, teils von andern religiösen Genossenschaften unterscheiden, urkundlich bezeugt. Schon die alte katholische Kirche legte ihren Taufbekenntnissen den aus der Mysteriensprache entlehnten Namen Symbol bei, da ja auch die Taufe als ein Mysterium galt. Die theologischen Streitigkeiten des 4. und der folgenden Jahrhunderte mußten die Zahl der Symbole noch erhöhen, und dreien von ihnen, dem sogen. Apostolischen (s. d.), dem Nicäisch-Konstantinopolitanischen (s. d.) und dem sogen. Athanasianischen (s. d.), verschafften als sogen. allgemeinen oder ökumenischen Symbolen die weltliche Macht der Kaiser und das Ansehen der Konzile absolute Geltung in der Kirche.
Die Reformatoren des 16. Jahrh. haben diese allgemeinsten Grundlagen der christlich-katholischen Weltanschauung nicht angetastet; zugleich machte sich jedoch das Bedürfnis geltend, ein gemeinsames Bekenntnis des evangelischen Glaubens abzulegen und die Unterscheidungslehren, welche zur Trennung von der römischen Kirche geführt hatten, klar und bestimmt hinzustellen. In den auf Luthers Tod folgenden theologischen Streitigkeiten wurde das Unterschreiben derselben insbesondere für die Geistlichen obligatorisch, namentlich seit 1580 beim Erscheinen des Konkordienbuchs von den sich dazu bekennenden Fürsten und Ständen bestimmt ausgesprochen worden war, daß bei der darin enthaltenen Lehre [* 2] allenthalben beharrt werden sollte.
Gleichwohl tauchte schon im 17. Jahrh. der Gedanke auf, daß die Verpflichtung auf s. B. eine unevangelische Beschränkung der Glaubens- und Gewissensfreiheit sei; das folgende Jahrhundert regte die Frage an, ob man die Geistlichen auf sie verpflichten solle, nicht »weil« (quia),
sondern »inwiefern« (quatenus) sie mit der
Heiligen Schrift übereinstimmten,
und mit der letztern
Formel behalf sich namentlich der
Rationalismus. In unserm
Jahrhundert gewann der
Grundsatz,
daß sich die
Geistlichen streng an die
Lehrformen der symbolischen
Bücher zu halten hätten (Symbolzwang), besonders in Norddeutschland
neue Geltung. Selbst wo, wie in
Preußen,
[* 3] die
Union herrscht, will man doch bald in der
Augsburgischen Konfession, bald
in dem sogen. Apostolikum eine unantastbare
Autorität erkennen, ohne welche eine die
Gemüter der
Gemeinden verwirrende Lehrwillkür
einreißen müsse.
Die Gegner des Symbolzwanges machen geltend, daß derselbe den
Protestantismus im
Prinzip bedrohe und durch Aufhebung der
Lehrfreiheit
(s. d.) den Fortschritt in der
Wissenschaft beeinträchtige; sie wollen daher den protestantischen
Geistlichen
nur eine pietätvolle, von pädagogischem
Takt geleitete Berücksichtigung der symbolischen
Bücher und ihres Lehrgehalts zur
Pflicht gemacht wissen.
Fast bei allen kirchlichen Streitigkeiten der neuern Zeit stand die
Frage des Symbolzwangs im
Vordergrund.
Über die symbolischen
Bücher der verschiedenen christlichen Religionsparteien s. die besondern
Artikel:
Glaubensbekenntnis,
Griechische Kirche,
Römisch-katholische Kirche,
Lutherische Kirche,
Reformierte Kirche etc.
Vgl.
Schleiermacher,
Über den eigentlichen Wert und das bindende Ansehen symbolischer
Bücher (Frankf. 1819);
Johannsen, Die Anfänge des Symbolzwanges unter den deutschen Protestanten (Leipz. 1847);
Scheurl, Sammlung kirchenrechtlicher Abhandlungen, Abteil. 1 (Erlang. 1872);
Winer, Komparative Darstellung des Lehrbegriffs der verschiedenen christlichen Kirchenparteien (4. Aufl. von Ewald, Leipz. 1882). ¶