Titel
Symbiōse
(griech.), nach einem von dem Botaniker A. de Bary eingeführten Kunstausdruck das engere Zusammenleben mehrerer, gewöhnlich zweier Lebewesen verschiedener Art, die einander wechselseitig nützen und zusammen besser gedeihen als jeder der Genossenschafter für sich. Der letztere Umstand unterscheidet die S. vom Parasitismus, bei welchem der Schmarotzer (s. d.) einseitig Vorteil zieht und der Wirt einzig Nachteil hat. Einen Übergang zwischen beiden Verhältnissen macht das durch J. van Beneden als Mutualismus bezeichnete Verhältnis, bei welchem z. B. Hautschmarotzer ihrem Wirte durch Verzehren von Hautabfällen und Absonderungsprodukten Säuberungsdienste leisten, ein näheres Ineinanderleben und gegenseitiges Anpassen aber nicht stattgefunden hat.
Man kann drei Hauptfälle der S. unterscheiden:
1) zwischen Pflanzen unter sich, 2) zwischen Tieren unter sich und 3) zwischen Tier und Pflanze. Von dem Zusammenleben zweier niederer Pflanzen geben die aus Pilzen und einzelligen Algen [* 2] bestehenden Flechten [* 3] (s. d.) das lehrreichste und am längsten bekannte Beispiel; die Algen bereiten dabei im Licht [* 4] Nahrungsstoffe aus der Luft, während die davon mitzehrenden Pilzfäden Nahrung aus der Unterlage ziehen und eine geeignete, Feuchtigkeit zurückhaltende Hülle bilden.
Ein andres derartiges Beispiel bietet die Mycorhiza (s. d.). Zu der S. zwischen Tieren gehört als das am längsten bekannte Beispiel das Wohnen des Muschelwächters (Pinnoteres veterum), einer kleinen Krabbenart, in den Schalen der Steckmuscheln (Pinna). Die Alten glaubten, der an der Schalenöffnung liegende Krebs [* 5] benachrichtige das Muscheltier durch Kneipen mit den Scheren [* 6] von nahender Gefahr oder Beute und erhalte dafür seinen Anteil an der letztern. Sicherer festgestellt ist der gegenseitige Vorteil bei dem oft geschilderten »Freundschaftsverhältnis« der Einsiedlerkrebse mit den Aktinien oder Seerosen, die sich auf den von jenen bewohnten Schneckenhäusern ansiedeln. Denn die Seerosen sind wegen der von ihnen ausgeschleuderten Nesselorgane gefürchtete Meerestiere, die dem namentlich von Sepien verfolgten Einsiedlerkrebs Schutz gewähren und dafür von ihm an günstige Beuteplätze geführt werden sowie auch dreist zulangen, wenn der Krebs ein gutes Beutestück erwischt hat. Man hat in Aquarien festgestellt, daß Krebse, die man aus ihren mit Seerosen besetzten Schalen vertrieben, auch die befreundete ¶
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Seerose zur Übersiedelung veranlassen. Dagegen gehört das Besetzen der Schalen andrer Krebsarten mit Schwammtieren, Polypen und Algen mehr unter den Gesichtspunkt des Maskierens (s. d.). Von den Landbewohnern hat besonders das Wohnen vieler Tiere in Ameisennestern zahlreiche Studien veranlaßt. Manche Käfer, [* 8] wie der blinde Keulenkäfer (Claviger), bringen ihre ganze Lebenszeit im Ameisennest zu und werden von den Einwohnern sorgsam gepflegt und behütet, andre, wie der bekannte Rosengoldkäfer, verleben nur ihre Larvenzeit bei den Ameisen; die Brut gewisser Blattläuse wird im Winter dort aufgenommen. Wahrscheinlich sind die meisten dieser sehr mannigfachen Gäste der Ameisen denselben durch ihre Absonderungen angenehm, wie dies von den Blattläusen, den »Milchkühen« der Ameisen, bekannt ist, andre mögen die Abfälle fressen, und noch andre, zu denen sowohl zahlreiche Insekten [* 9] als selbst Amphibien und Vögel [* 10] gehören, sind wohl nur geduldete Genossen.
Von besonderm Interesse ist die S. zwischen Pflanzen und Tieren, weil dadurch dauernde organische Veränderungen sowohl in der äußern Gestalt und Färbung als in der Lebensweise hervorgebracht und neue Arten gezüchtet wurden. Dabei kann nun entweder die Pflanze oder das Tier als Quartiergeber auftreten. Schon längst hatte man im Körper sowohl der Protisten, wie z. B. der Radiolarien, als in demjenigen wirbelloser Tiere gewisse gelbe, bräunliche oder grüne Zellen entdeckt, die denselben, da sie meist nahe an der Oberhaut liegen, ihre gelbliche, bräunliche oder grünliche Hautfarbe geben, ohne daß man über ihre eigentliche Bedeutung für das Leben klar wurde.
Ihre Rolle wurde um so unverständlicher, als Häckel Stärkemehl in ihnen nachwies, und endlich wurde durch die Untersuchungen von Geza Enz, O. Hertel, Brandt u. a. nachgewiesen, daß es sich um einzellige Algen handelt, die in die Körper von Protisten, Süßwasserpolypen, Seeanemonen und Korallen, [* 11] Seewürmern, Quallen und andern Tieren eindringen, in dem durchsichtigen Gewebe [* 12] derselben Nahrungsstoffe bilden, sich vermehren und auch isoliert weiterleben. Daher haben diese durch einzellige Algen gefärbten Wassertiere die Gewohnheit, ihren Körper zeitweise dem Sonnenschein oder hellem Tageslicht auszusetzen, und scheiden dann einen Überschuß von Sauerstoff, wie Pflanzen, aus, obwohl die Tiere sonst Sauerstoff als Atmungsstoff verbrauchen. Im beständigen Dunkel gehalten, siechen diese Tiere dahin, weil sie von den in ihrem Körper lebenden und nunmehr absterbenden Algen sowohl Sauerstoff als auch zubereitete Nahrung empfingen. Da die Tiere ihrerseits Kohlensäure und andre Stoffe ausscheiden, von denen die Algen leben, so ist hier im engsten Bezirk ein Austausch und Kreislauf [* 13] der Lebensstoffe hergestellt, wie er sonst erst im weitern Umkreis zwischen der Gesamtheit der Tiere und Pflanzen stattfindet.
Unter den umgekehrten Fällen, in denen die Pflanzen ihnen nützlichen Tieren Obdach und Nahrung darbieten, ist die Gegenseitigkeit und das Ineinanderleben bei Pflanzen und Ameisen am auffallendsten. In den Tropen bedürfen zahlreiche Pflanzen einer beständigen Schutzwache von Ameisen gegen die Angriffe der sogen. Blattschneider- oder Sonnenschirmameisen, welche die Blätter niedriger Pflanzen und Bäume rauben und in wenigen Stunden ganze Baumwipfel entlauben.
Pflanzen und Bäume können sich ihrer nur erwehren, indem sie gewissen kleinen, mit einem Stachel bewaffneten Ameisen, welche die grimmigsten Feinde der erstern sind, Wohnung und Kost gewähren. Die sogen. Ochsenhornakazie und andre Akazienarten beherbergen sie in ihren vergrößerten hohlen Dornen, die Armleuchterbäume (Cecropia-Arten) in den hohlen Internodien des Stammes, an denen sich eine besondere Durchbruchsstelle für die Weibchen ausgebildet hat, noch andre Pflanzen in beulen- oder blasenförmigen Austreibungen des Stammes, der Äste oder Blattstiele. In neuerer Zeit sind sehr zahlreiche, gewissen Ameisen ständige Wohnung bietende Pflanzen bekannt geworden, und man hat auch angefangen, gewisse Wucherungen und Haarbüschel in den Nervenwinkeln der Blätter (z. B. unsrer Linden) für ähnliche, den Milben als Wohnung dienende Gebilde (»Acaro-Domatien«) anzusehen. Im weitern Sinn würden hierher auch alle die zahllosen gegenseitigen Anpassungen der Blüten an Insektenbesuch und der Insekten an Honig- und Pollenraub gehören (s. Blütenbestäubung). [* 14]
Vgl. de Bary, Die Erscheinung der S. (Straßb. 1879);
O. Hertwig, Die S. (Jena [* 15] 1883);
Huth, Ameisen als Pflanzenschutz (Berl. 1886);
Derselbe, Myrmekophile und myrmekophobe Pflanzen (das. 1887);
Schimper, Die Wechselbeziehungen zwischen Pflanzen und Ameisen im tropischen Amerika [* 16] (Jena 1888).