(Succulentae), 1)
Fettpflanzen, im allgemeinen alle
Gewächse mit fetten, saftreichen Blättern oder mit
sehr dicken, fleischigen, grünen
Stengeln
mit rudimentären Blättern oder ganz ohne solche, daher die meisten aus den
Familien der
Krassulaceen,
Kakteen,
[* 2]
Mesembryanthemeen und den
GattungenAloe,
Agave etc. Die oberirdischen
Stengel
[* 3] dieser
Pflanzen
sterben meist nicht, wie die der echten
Kräuter, alljährlich ab, sondern dauern mit ihren Blättern mehrere, oft viele Jahre.
Sie können Trockenheit der Umgebung länger als andre
Gewächse schadlos ertragen, weil ihre
Transpiration äußerst
gering ist, so daß ihr ungewöhnlicher Wasserreichtum in den voluminösen
Organen zurückgehalten wird. -
(Fettpflanzen), Pflanzen mit fleischigen Blättern (Blattsukkulenten oder Dickblattgewächse) oder mit anscheinend
blattlosen, fleischigen Stämmen (Nopalgewächse), bilden einen hervorragenden Bestandteil der Pflanzenwelt trockner Klimate
und schützen sich gegen Verdunstung in vielen Fällen durch Verringerung ihrer Oberfläche und durch Anlage
von Wasserspeichern in ihrem Innern (vgl. Schutzeinrichtungen der Pflanzen u. Wüstenpflanzen, Bd.
17). Bei den wüstenbewohnenden S. treten mannigfach ausgebildete Schutzbekleidungen von Dornen oder Borsten auf, während
andre, meist epiphytisch lebende Arten eines solchen Schutzes nicht bedürfen; manche Arten der Kakteengattung Rhipsalis besitzen
daher rudimentäre oder gar keine Dornen.
Doch läßt sich in letzterm Falle aus dem Auftreten von Dornen an Keimpflanzen und durch Rückschlagsbildungen beweisen, daß
hier die
Dornen, welche bei sämtlichen Kakteen umgebildete Blattorgane darstellen, ursprünglich vorhanden gewesen sind. Außer
mechanischen Schutzmitteln entwickeln viele S. auch chemische, wie Bitterstoffe (Aloe), Alkaloide (Sedum) oder giftige Milchsäfte
(Euphorbia-Arten). Fleischige Blätter oder Stengel kommen in unsrer heimatlichen Flora vorzugsweise bei Strandpflanzen oder
Gewächsen des Salzbodens (Halophyten) vor, an denen auch die Salzsteppen Südrußlands und Asiens reich sind; der aus dem Boden
stammende Salzgehalt ihres Zellsaftes scheint eine gesteigerte Saugkraft der Zellen und damit eine erhöhte Fähigkeit der
Wasserspeicherung zu bedingen.
Durch sonderbare Wuchsformen sind die stammbildenden S. ausgezeichnet, von welchen die in Amerika
[* 5] einheimischen Kakteen, zahlreiche
in der alten Welt verbreitete Euphorbiaceen
[* 6] und einzelne Gattungen der Asklepiadeen (Stapelia, Arten von Ceropegia) weitaus das
Hauptkontingent bilden; trotz ihrer systematischen Verschiedenheit bewegen sich die Formen aller dieser
S. in fast durchweg parallelen Reihen, so daß z. B. auch unter den Asklepiadeen durch Höckerbildungen und Rippen ausgezeichnete
Arten neben solchen mit langgestreckten, stielrunden, an Rhipsalis erinnernden Sprossen auftreten, desgleichen wiederholt sich
die Mehrzahl der bekannten kugeligen, säulenförmigen oder blattartigen Kakteengestalten auch bei den
Euphorbiaceen.
Höchst überraschende Gestaltungsvorgänge sind von Göbel zunächst bei der GattungMesembryanthemum
[* 7] gefunden worden, von
welcher einige sehr winzige Formen, z. B. M. minutum und obconellum, fleischige Körperchen von Erbsen- oder Bohnengröße
darstellen;
die letztgenannte Art hat die Gestalt eines umgekehrten Kegels, der sich aus einem untern, sehr kurzen, cylindrischen
Teil erhebt;
an der Oberfläche des Kegels zeigen sich zwei stumpfe Hervorragungen mit einem dazwischenliegenden, sehr engen
Spalt, in dessen Tiefe ein Vegetationspunkt verborgen liegt;
der Fleischkörper wird außen von einer trockenhäutigen, zerrissenen
Scheide umgeben.
Die Entwickelungsgeschichte
[* 8] dieser merkwürdigen Gebilde zeigt, daß in ihnen ein kurzer Sproß mit zwei der
Länge nach miteinander verschmolzenen Blättern vorliegt; zwei andre, mit letztern sich kreuzende Blätter verkümmern, und
ihre Achselsprosse entwickeln sich zu der später zerreißenden Scheide. Der Vegetationspunkt kann sich zu einer weißen Nachtblume
entwickeln, welche sich durch den engen Spaltins Freie drängt. Es zeigt sich hier also die Umformung einer
ihrem sonstigen Verwandtschaftskreis nach blattbildenden Fettpflanze in eine stammbildende; eine vermittelnde Stellung nehmen
andre Arten der Gattung ein, welche gegenständige Blätter mit untereinander verwachsenden, die Stammknospe röhrenartig umgebenden
Blättern besitzen; die Verschiedenheit beruht nur darin, daß bei den stammartigen Formen der freie Teil der ursprünglichen
Blattanlagen sich nicht weiter entwickelt, während er bei den andern Arten¶
mehr
fortwächst. Bei manchen Arten der Gattung bildet sich ein auffallender Schutz der ebenfalls sehr versteckt liegenden Wachstumsscheitel
in Gestalt ineinander greifender Zähne
[* 10] aus, die an den Rändern der aufeinander liegenden Blätter angebracht sind und einen
dichten Schluß des zwischen ihnen liegenden Spaltes bedingen. Auch die Samenverbreitung vieler Mesembryanthemum-Arten weicht
von der andrer Pflanzen ab, indem sich ihre Kapseln
[* 11] nur bei Benetzung durch Wasser und nicht wie sonst durch
Austrocknung öffnen.
Für stammbildende S., welche übrigens durch keine scharfe Grenze von den blattbildenden geschieden sind, erscheint die Kugelform
behufs Oberflächenverringerung und Wasseranhäufung als die denkbar günstigste. Jedoch leistet dieselbe für die
vom Licht
[* 12] abhängigen Assimilationsvorgänge zu wenig, und es wird daher bei zahlreichen Kakteen, Euphorbien und bei Stapelia-Arten
eine bedeutende Oberflächenvergrößerung dadurch herbeigeführt, daß sich warzenartige Hervorwölbungen (z. B.
bei Mamillaria), vorspringende Rippen, Leisten oder Flügel (viele Arten von Cereus und Euphorbia)
[* 13] oder Flachsprosse (Opuntia) bilden,
welche die Funktion der verloren gegangenen Blätter wieder aufnehmen; die blattlosen Sprosse von Rhipsalis
mesembryanthemoides gleichen z. B. den Blättern von Mesembryanthemum durch ihre cylindrische Form vollkommen.
In der GattungEuphorbia kommen zunächst bei den Formen mit ausgebildeten Blättern Arten mit unterirdischen, wohlentwickelten
Knollen
[* 14] (E. tuberosa) vor, aus denen eine Blattrosette hervortreibt. Auch kann sich die Sproßachse als
Wasserspeicher, z. B. bei E. bupleurifolia, ausbilden, deren cylindrischer Stamm mit einem Panzer schwärzlicher kurzer Schuppen
bedeckt ist und während der Vegetationszeit eine endständige Blattkrone trägt; die Schuppenblätter bilden sich aus den
stehen bleibenden Blattbasen, welche nach dem Abfallen der Blattflächen etwas weiter wachsen und den Stamm vor Verdunstung
schützen.
Bei den Euphorbien mit verkümmerten Blättern bilden sich teils cylindrische oder abgeplattete Sprosse, teils ein kurzer,
z. B. bei E. caput Medusae faustgroßer, Hauptsproß, der am Ende eine große Anzahl fingerdicker, langer Seitensprosse trägt;
letztere dienen mehrere Jahre hindurch als Assimilationsorgane, fallen dann aber ab, und ihre Assimilate wandern in den
als Reservespeicher dienenden Knollenstamm; behandelt man einen solchen Seitensproß als Steckling, so erlangt er die Fähigkeit
der Verzweigung.
Bei andern Arten entstehen durch stärkere Entwickelung der in Reihen stehenden BlattkissenRippen, durch welche der Stamm einen
sternförmigen Querschnitt (E. polygona, heptagona u. a.) erhält. Bisweilen sinkt an den Seitensprossen
die Zahl der Rippen bis auf zwei, wodurch zweikantige, an Phyllocactus erinnernde Flachsprosse sich bilden.
Einen kugeligen Vegetationskörper mit trichterartig eingesenktem Wachstumsscheitel besitzt E. meloformis, während E. globosa
aus einem Haufwerke kugeliger Sprosse und Sproßglieder besteht.
Noch reichhaltiger sind die Gestaltungsvorgänge bei den Kakteen. Die GattungPeireskia zeigt noch die gewöhnliche Gliederung
in Stamm und Blätter; letztere sind fleischig und tragen Dornbüschel in ihren Achseln. Entfernt man nach Göbel die Stammspitze
oberhalb junger Blätter, so wachsen die Achselsprosse derselben aus und erzeugen Blätter an Stelle der Dornen, womit die Blattnatur
derselben bewiesen ist. Auch manche Arten von Opuntia haben cylindrische grüne Blätter; bei andern, z. B.
bei
O. cylindrica, treten letztere aber wenig hervor und fallen frühzeitig ab. Das Streben nach Oberflächenvergrößerung
zeigt sich nun bei den Opuntien teils in der Bildung von hervorragenden Vorsprüngen der Stammoberfläche, teils in der Ausbildung
von Seitentrieben als Flachsprosse; die junge Pflanze von O. brasiliensis besteht aus einem einfachen,
bestachelten Stamme, welcher an der Seite dünne, alljährlich abfallende und erst nach völliger Erstarkung des Hauptstammes
sich verästelnde Flachsprosse treibt; behandelt man flache Seitensprosse als Stecklinge, so liefern sie wieder cylindrische,
mit dem Hauptsproß übereinstimmende Sprosse.
Bei einer andern Reihe von Opuntien (O. vulgaris, Ficus indica u. a., zu denen auch der in Südeuropa verwilderte
Feigenkaktus gehört) bilden sich sämtliche Sprosse flachgliederig aus, aber ihre Keimpflanzen sind zuerst cylindrisch und
flachen sich erst später ab. Auch die blütentragenden Sprosse sind radiär gestaltet und tragen an ihrem Ende in einer konkaven
Einsenkung den mit dem Sproß verwachsenen Fruchtknoten, der außen mit Blättern und Stachelbüschen besetzt
erscheint und als Sproßteil die Fähigkeit hat, neue Blüten oder bei kräftiger Ernährung sogar Seitensprosse zu bilden.
In den bisher genannten Fällen entstehen die Flachsprosse aus einem allseitig mit Blattanlagen besetzten, durch einseitiges
Wachstum veränderten Sproß. In andern Fällen (z. B. bei Melocactus, Echinocactus, Anhalonium und Leuchtenbergia)
dagegen bilden sich blattartig gestaltete Organe aus, welche auf ganz andre Weise entstehen; es geschieht dies durch Bildung
von sogen. Mamillen, d. h. Höckerbildungen, welche nicht bloß
dem am Stamme angewachsenen Teile des Blattes (Blattkissen) entsprechen, sondern aus dem stark auswachsenden Blattkissen nebst
dem dazu gehörigen, aber mit dessen ganzem obern Teile der Länge nach verschmolzenen Achselsproß bestehen.
Die Mamillen sind in der Regel an der Spitze mit einem Stachelbüschel (d. h. mit Blattäquivalenten) versehen, jedoch fehlen
diese bei dem sonderbar gestalteten Anhalonium fissuratum aus Texas, das auf einer großen rübenförmig angeschwollenen Wurzel
[* 15] eine Rosetteoben abgeflachter, gefurchter und in der Furche dichtborstiger Blätter trägt. Daß jedoch
auch hier die Mamillen als Grundform anzunehmen sind, geht aus der Keimungsart der Pflanze hervor, indem auf die Kotyledonen
zunächst zwei dornentragende Mamillen folgen.
Die Rippen von Echinocactus und ähnlichen Formen kommen ferner entwickelungsgeschichtlich durch Verschmelzung reihenweise übereinander
stehender Mamillen zu stande; jedoch stammen nicht alle rippenbildenden Kakteen von mamillären Formen
ab, indem sich, z. B. bei Pilocereus-Arten, die am Vegetationspunkt auftretenden Sprossungen auch ohne Mamillenbildung zu Rippen
vereinigen können. Häufig kehren die blütenbildenden Sprosse der rippentragenden Kakteen, die sogen. Cephalien, wieder zur
Mamillenbildung zurück; die Cephalien genannter Gattung sind nämlich dadurch ausgezeichnet, daß die
blütentragende, mit einem dichten Haarschopf bekleidete Region nur einseitig am Stengel entwickelt ist und hier an Stelle der
Rippen zahlreiche, einzeln stehende, stachel-, woll- oder blütentragende Sproßanlagen in Form oben abgeflachter, polygonaler
Mamillen trägt. Aus den gerippten Kakteen (Cereus) bilden sich die mit geflügelten Sprossen, deren Blattrudimente und Stachelpolster
nur auf den Kanten stehen (Phyllocactus); es kommt dies durch Verminderung in der Zahl der Kanten zu stande;
letztere
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gehen z. B. bei dem häufig kultivierten Cereus speciosissimus von unten nach oben von fünf auf drei zurück. Dagegen besitzt
C. triangularis, eine epiphytische, kriechende Art, in der Regel nur drei breite Flügel, aber ihre Keimpflanzen sind kantig.
Gleiches gilt für die Keimlinge mehrerer Phyllocactus-Arten, welche mit denen von Cereus fast vollkommen
übereinstimmen. Auch kommen kantige und bestachelte Rückschläge an den Flachsprossen von Phyllocactus vor, und zwar treten
dieselben an der Sproßspitze oder an der Basis eines ganzen Sproßsystems auf.
Auch bei Epiphyllum und Rhipsalis, deren Arten größtenteils epiphytisch leben, sind ganz ähnliche Umbildungen eingetreten,
welche sich sämtlich von einer kantigen, kriechenden, Cereus-artigen Grundform ableiten lassen. Die wegen
ihrer klebrigen, weißen Beeren (ähnlich wie bei uns die Mistel) durch Vögel
[* 17] verbreitete und außer in Amerika auch in Südafrika,
[* 18] auf Mauritius undCeylon
[* 19] beobachtete Rhipsalis Cassytha hat einen vierkantigen, auf den Kanten mit Stachelbüscheln besetzten
Keimling, der mit dem von Cereus grandiflorus und Phyllocactus völlig übereinstimmt; ähnlich keimt auch
das flachgliederige Epiphyllum truncatum.
Bei allen diesen Kakteenkeimpflanzen ist übrigens das unter den Keimblättern stehende (hypokotyle) Stengelglied stark fleischig
verdickt und daher von eigenartiger Gestalt. Auch die bisweilen vorkommenden Rückschlagssprosse unbestachelter Rhipsalis-Arten
zeigen eine viel stärkere Borstenbekleidung und eine größere Kantenzahl als die Grundform. Die so
große Mannigfaltigkeit in der äußern Gliederung derKakteen läßt sich somit auf wenige oder vielleicht eine einzige Grundform
zurückführen, aus welcher durch stärkeres Wachstum bestimmter Teile und Verkümmerung andrer die heterogensten Gestaltungen
hervorgehen.
Die Grundanlage besteht darin, daß der am Vegetationspunkt innerhalb eines Tragblattes erzeugte Achselsproß teilweise
mit jenem verschmolzen auftritt und Dornen (d. h. Blattäquivalente) in bestimmter Reihenfolge anlegt; die Vegetationspunkte
sind durch dichte Haarbekleidungen und außerdem durch Versenkung in tiefe Gruben sowie durch Umwallungsbildungen außerordentlich
geschützt. Letztere können z. B. bei Rhipsalis-Arten so weit gehen, daß die zu den Sproßanlagen
führende Vertiefung völlig geschlossen wird und daher der Sproß beim Austreiben das Gewebe
[* 20] durchbrechen
muß.
Alle diese Wuchsverhältnisse werden nur bei Rücksicht auf die Keimungsvorgänge und die Rückschlagsbildungen der Kakteen
verständlich, mit deren Kultur und Entwickelungsgeschichte sich in jüngster Zeit Göbel eingehend beschäftigt hat. Die Verbreitung
der Kakteen erfolgt durch Beerenfrüchte, deren saftiges Fleisch von Tieren gern gefressen wird. Das Fruchtfleisch
entwickelt sich bei ihnen merkwürdigerweise aus den Stielen der Samenanlagen; manche Arten (z. B. Mamillaria gracilis, Opuntia
fragilis) verbreiten sich auch auf vegetativem Wege durch Ablösung kugeliger oder sehr spröder, leicht abbrechender Sproßglieder,
deren Bewurzelung wie auch die von Stecklingen verhältnismäßig leicht erfolgt.
Vgl. Göbel, Die S. (in
»Pflanzenbiologische Schilderungen«, 1. Teil, Marb.
1889).