Suëskanal
,
der Kanal, [* 3] der das Mittelländische mit dem Roten Meer, den Isthmus von Sues durchschneidend, verbindet. Schon unter den Pharaonen Sethos I. und Ramses II. (um 1400 v.Chr.) war ein Kanal vom Nil bis zur Ostgrenze des Reichs und wahrscheinlich zum Roten Meer gegraben worden. Necho II. (609–595 v. Chr.) begann zwischen Bubastis (dem heutigen Sagasig) am Nil und dem Roten Meer einen neuen Kanal, den (nach Herodot) Darius Hystaspes etwa 100 Jahre später vollendete. ¶
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Ptolemäus II. (285-247 v. Chr.) erweiterte ihn unter Einbau von Schleusen.
Dieser Kanal verfiel zwar allmählich, doch war
er zur Zeit der Schlacht bei Actium (31 v. Chr.) immerhin noch so weit schiffbar, daß durch ihn einige Schiffe
[* 5] der Kleopatra
ins Rote Meer gelangten. Unter den ersten röm. Kaisern und sodann unter dem Chalifen Omar im 7. Jahrh.
n. Chr. wurde der Kanal wieder hergestellt und blieb in Funktion bis 767; damals wurde er zugeschüttet. Im 18. Jahrh.
plante der Mamlukenchef Ali Bei eine Verbindung nicht mehr des Nils, sondern des Mittelmeers
[* 6] mit dem Roten Meer. Aber erst das
franz. Direktorium griff, auf Anregung Napoleon Bonapartes, den Plan wieder auf. Eine 1799 mit Untersuchungen
betraute Kommission erachtete die Verbindung für ausführbar, obgleich der Arabische Golf bei Sues 9,908 m höher stehe als
der Pelusische. Ehe der Kommissionsbericht einging, war aber Ägypten
[* 7] schon an die Pforte zurückgegeben.
Auf Veranlassung Metternichs wurde 1847 durch eine internationale Kommission, der unter anderm der Engländer Stephenson, der Franzose Talabot und der Österreicher Negrelli angehörten, ein neues Nivellement vorgenommen, das für beide Meeresteile nahezu gleiche Höhenlage ergab. Eine franz. «Ingenieurbrigade» im Verein mit den ägypt. Ingenieuren Linant Bei und Mugel Bei vermaßen die Landenge, eine österreichische den Golf von Pelusium, Stephenson sollte den Golf von Sues vermessen lassen, beschränkte sich aber auf Einsendung von Seekarten.
Negrelli, sowie Linant und Mugel erachteten die Herstellung eines gegrabenen Niveaukanals, im wesentlichen im Zuge des jetzigen S., für empfehlenswert, während Talabot für den nördl. Teil der Verbindung den Nil benutzen wollte. Die Arbeiten der erstern Ingenieure gewannen indessen erst praktischen Wert, als ihre Projekte von F. von Lesseps (s. d.) wieder aufgenommen wurden. Dieser erhielt vom ägypt. Vicekönig Said Pascha für eine zu bildende Gesellschaft die auf 99 Jahre geltende Konzessionsurkunde unter dem ausgestellt, und die ganze Frage wurde durch eine internationale Kommission von neuem geprüft; diese bestand anfangs aus den Engländern Rendel, Mac Clean und Mauby, dem Österreicher Negrelli (damals Generalinspektor der österr. Eisenbahnen), dem Sardinier Paleocapa, den Franzosen Renau und Lieussou, dem Preußen [* 8] Lentze, dem Spanier Montesino und dem Holländer Conrad.
Letzterer präsidierte. Die Kommission, deren Zusammensetzung im Lauf der Monate sich änderte, entschied sich für das Negrellische Projekt, das die Mündung im Pelusischen Golf 28 km westlicher legte als das von Linant und Mugel, so daß der 157 und unter Hinzurechnung der im Roten Meer belegenen Kanalstrecke von Sues nach Port-Ibrahim 161 km lange Kanal (s. Karte: Ägypten, Bd. 1, S. 228), von Port-Said ausgehend, den teilweise trocken zu legenden Mensaleh-, Ballah-, Timsah- und den Großen und Kleinen Bittersee durchschneidend, in im ganzen nordsüdl. Richtung nach Sues führte, wobei die Verbindungsstücken zwischen den Seen unter Durchstechung des 16 im hohen Plateaus El-Gisr in der Wüste südlich des Ballahsees, der Felsenschwelle des Serapeums nördlich des Großen Bittersees und der Höhen am Schaluf el-Terraba südlich des Kleinen Bittersees zu graben waren.
Die Kosten des S. waren auf 200 Mill. Frs. veranschlagt. Von den 400000 Anteilscheinen à 500 Frs. übernahm 176 602 die ägypt. Regierung; diese stellte auch anfangs statt der stipulierten 20000 bis zu 40000 Fellaharbeiter und leistete später, als unter diesen die Sterblichkeit zu groß wurde, eine Entschädigung von 38 Mill. Frs. Die Zinsen der Anteilscheine wurden mit 5 Proz. nur bis zum bezahlt, sodann bis zum aber zurückgehalten und in 400000 Bons à 100 Frs., also in eine 40 Millionen-Anleihe umgewandelt, die 4,25 Proz. Zinsen giebt und mit je 85 Frs. innerhalb von 40 Jahren ausgelost wird. 1868 wurde eine in 50 Jahren rückzahlbare 5prozentige Anleihe von 166 666 500 Frs., 1871 eine in 30 Jahren mit 125 Frs. rückzahlbare Anleihe von 200000 Bons à 100 Frs. oder 20 Mill. Frs. aufgenommen.
Der nach Abzug der Zinsen und Amortisationskosten für die Baugelder (außer jenen 38 Mill. der ägypt. Regierung: 200 + 40 + (rund) 167 + 20 = 427 Mill. Frs.) verbleibende Reinertrag (ein solcher ist zuerst 1872 erzielt worden) wird satzungsgemäß wie folgt verteilt: an die ägypt. Regierung 15 Proz., an die Gründer 10, an den Verwaltungsrat 2, an die Beamten 2, an die Anteilscheininhaber 71 Proz. Die ägypt. Regierung hat obige 15 Proz. an eine Gesellschaft Pariser Bankiers, ihre Zins- und Anteilscheine selbst aber an die engl. Regierung verkauft.
Der erste Spatenstich erfolgte bei Port-Said. Am wurde unter glänzenden Feierlichkeiten der Kanal eröffnet. Wenn schon sich die namentlich vom engl. Ingenieur Stephenson betonten Befürchtungen, der Kanal würde eine «Pfütze» darstellen und versanden, die Schiffe würden nach wie vor um das Kap der Guten Hoffnung fahren u. s. w., nicht bewahrheiteten, sondern die bedeutenden Routenersparnisse (nach Bombay [* 9] von Hamburg [* 10] 43, von London [* 11] 44, von Marseille [* 12] 59, von Triest [* 13] 63 Proz., nach Hongkong von London 28, von Odessa [* 14] 47, nach der Sundastraße von Rotterdam [* 15] 26, nach Sansibar [* 16] von Konstantinopel [* 17] 57 Proz.) und damit im Zusammenhange die dem Kanalzoll fast gleichkommenden Assekuranzersparnisse einen über Erwarten großen Verkehr im S. bewirkten, so hatte dieser Umstand im Verein damit, daß die größern Schiffe in dem engen Kanal nur mit geringer Geschwindigkeit fahren durften und daher schlecht steuerten, doch gerade zur Folge, daß eine jener Befürchtungen sich verwirklichte: große Schiffe liefen oft auf, erlitten selbst Zeitverluste und verursachten solche für die ihnen folgenden oder begegnenden Schiffe. 1882, allerdings das ungünstigste Jahr, brachte bei 3198 passierenden Schiffen 416 Auflaufungen mit insgesamt 21 643 Stunden Schiffahrtsbehinderung.
Der Tiefgang der passierenden Schiffe hatte inzwischen zugenommen; 1881 hatten von diesen nur 6,5 Proz., 1884 aber schon 19,9 Proz. über 7 m Tiefgang (1896 ist diese Ziffer auf 37,2 Proz. gestiegen). Das ursprüngliche Profil des S. (22 in Sohl-, 58-100 m Wasserspiegelbreite, 8 m Tiefe) erwies sich demnach als nicht genügend. Das Einfahren der Schiffe in die vorhandenen 10 Ausweichestellen und das Fest- und Wiederlosmachen daselbst erforderte viel Zeit.
Unter diesen Umständen wurde nach Zusammenberufung einer internationalen Kommission 1884 eine allmähliche Vergrößerung des Profils beschlossen, wie sie die drei umstehenden Skizzen des Kanalquerschnitts (a in den Seen Mensaleh und Ballah, b im Einschnitt von El-Gisr und im Serapeum, c Zwischen den Bitterseen und Sues) ¶
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zeigen, in welchen die untern Zahlen und die schraffierten Teile sich auf das alte Profil beziehen, dessen Achse nur zum Teil mit der neuen übereinstimmt. Die Breiten sind derart geregelt, daß in der Tiefe von 8 m in den geraden Kanalstrecken südlich der Bitterseen 75, nördlich 65 m, in den Kurven 75-80 m Breite [* 19] vorhanden ist. Die Erweiterung wird 69 500000 cbm Erdbewegung erfordern und 203 Mill. Frs. kosten. Auf den Bitterseen darf mit voller Kraft, [* 20] in den andern Kanalstrecken aber nur mit 9260 m (gleich 5 ⅓ Seemeile) Geschwindigkeit pro Stunde gefahren werden. Bei Nacht brauchen die Schiffe, die elektrische Beleuchtung [* 21] haben, nicht mehr abzustoppen. Deshalb und wegen der seit der Erweiterung bessern Fahrwasserverhältnisse gebrauchen jetzt die Schiffe zur Durchfahrt viel weniger Zeit; so 1896 durchschnittlich nur 18 Stunden 38 Min., statt früher 48 Stunden 30 Min. Ausschließlich bei Tage haben in den letzten Jahren nur 4-6 Proz. der Schiffe den S. passiert.
[* 18]
^[Abb.: Querschnitte durch den Sueskanal:
a in den Seen Mensaleh und Ballah, d. in den Einschnitten von El-Gisr und im Serapeum,
b. in den Bitterseen und Sues. Als Wasserspiegel ist der des gewöhnlichen Niedrigwassers bei Springebbe gewählt.
Der Verkehr war in den Projekten zu 3 Mill. Nettotonnen geschätzt worden. Er betrug:
Jahre | Anzahl der Schiffe | Nettotonnen | Tonnen auf ein Schiff | Zollpflichtige Reisende |
---|---|---|---|---|
1870 | 486 | 436609 | 898 | 26758 |
1877 | 1663 | 2355448 | 1416 | 72822 |
1883 | 3307 | 5775862 | 1747 | 119177 |
1893 | 3341 | 7659068 | 2293 | 186495 |
1894 | 3352 | 8039175 | 2398 | 165980 |
1895 | 3434 | 8448583 | 2460 | 216938 |
1896 | 3409 | 8560283 | 2511 | 308241 |
Der Schiffsverkehr nach Flaggen [* 22] und Nettotonnen im J. 1896:
Staat | Anzahl der Schiffe | Nettotonnen | ||
---|---|---|---|---|
England | 2162 | 5817770 | ||
Deutsches Reich | 322 | 806277 | ||
Frankreich | 218 | 532273 | ||
Italien | 230 | 392693 | ||
Niederlande | 200 | 380404 | ||
Spanien | 82 | 182375 | ||
Österreich-Ungarn | 71 | 158300 | ||
Rußland | 47 | 134300 | ||
Schweden u. Norwegen | 39 | 73840 | ||
Türkei | 39 | 43564 | ||
Japan | 10 | 30553 | ||
Portugal | 7 | 5993 | ||
Andere | 2 | 1971 | ||
Summe | 3409 | 8560283 |
Wie 1896, so war auch in einer Reihe von Vorjahren die deutsche Flagge an zweiter Stelle; die großen Zahlen für die franz. und ital. Flagge rühren großenteils von den Kriegstransporten (Madagaskar [* 23] und Abessinien) her. Die Gesellschaft des S. besitzt außer 13 Dampfbaggern mit 52 Dampfbagger-Schiffen drei kräftige Schleppdampfer, und hat 95 Lotsen im Dienst, deren Hauptstation Ismailia am Timsah-See ist und denen 7 kleine Dampfboote zur Verfügung stehen. Jedes durchgehende Schiff [* 24] erhält einen dieser Lotsen zugeteilt.
Auch unterhält die Gesellschaft einen Süßwasserkanal, der bei Kairo [* 25] aus dem Nil abzweigt und über Ismailia nach Sues einer- und Port-Said andererseits führt. Die Arbeitsplätze werden durch ein Cisternenschiff, das 70 cbm Wasser faßt und 13 km in der Stunde fahren kann, mit Wasser versorgt. An die Unternehmer, die die Schiffe in Port-Said mit Wasser versehen, verkauft die Gesellschaft das Kubikmeter Wasser mit 2 Frs. Die Dividende betrug (1893-96) 90,40, 90, 92,50 und 92,50 Frs. für den Anteilschein; die Einnahmen aus Tonnen- und Personenzoll in den gleichen Jahren 71 078 810, 73 852 211, 78 169 718 und 79 637 956 Frs., zu welchen Summen alljährlich 1-1½ Mill. Frs. für Einnahmen aus Grundstücken, Wasserlieferung, Schlepplöhnen u. s. w. kommen. Der Zoll, anfangs 10, zeitweise 13-14 Frs., beträgt seit für die geladene Nettotonne 9,5, für die Nettotonne leerer Schiffe 7, für Personen 10 Frs. -
Vgl. Fr. Szarvady, Der S. (Lpz. 1859);
Stephan, Der S. und seine Eröffnung (in «Unserer Zeit», Jahrg. 1870);
deutsche und engl. Konsulatsberichte.