Stubenvögel
[* ] oder Zimmervögel, Vögel, die von Liebhabern im Zimmer und zwar im Käfig gehalten werden. Bei allen Völkern seit dem Altertum her findet sich eine Vorliebe für die Vögel. Während die Römer Sing- und Schmuckvögel, selbst gefiederte Sprecher hielten, nur um sie zu mästen und zu verspeisen, gilt der Stubenvogel jetzt als Genosse und Hausfreund. Gegenwärtig hat, infolge der regsamen Liebhaberei, der Vogelhandel eine bedeutende Ausdehnung gewonnen; er umfaßt alle Weltteile und führt einen jährlichen Umsatz von vielen Hunderttausend Mark mit; namentlich aber hat sich in den Hafenstädten aller Erdteile ein ungemein lebhafter Vogelhandel entwickelt.
Fast alle Vogelfamilien sind dem Handel oder der Liebhaberei zugänglich, indem sie, mit Einschluß der Vögel für die zoolog. Gärten, zu Tausenden von Köpfen alljährlich ausgebeutet werden. Überblickt man die S. ausschließlich, so hat man es mit ganz bestimmten Familien zu thun. Vor allem wertvoll sind: Papageien, Finken im weitesten Sinne, die vielgestaltige Sippschaft der Sänger, nebst allen Verwandten, Drosseln, Stare, krähenartige oder Raben und sodann noch Schmuckvögel aus mancherlei andern Familien.
Die Liebhaberei für S. teilt sich sachgemäß in mehrere Zweige. Obenan stehen die Sänger: Nachtigall, Sprosser, amerik. Spottdrossel, ostind. Schamadrossel, Singdrossel, Amsel u. a. Drosseln, Schwarzplattl u. a. Grasmücken; von Körnerfressern Hänfling, Edelfink u. a. Finken, fremdländische Gimpel, Kardinäle, einheimische Lerchen u. a. bilden im allgemeinen die am höchsten geschätzten Sänger. Der wichtigste unter allen Finken ist der Canarienvogel (s. d.). Kaum minder wertvoll als die Sänger sind die Spötter, als welche vornehmlich der rotrückige Würger, Sumpfrohrsänger, Gartenlaubvogel, die amerik.
Spottdrossel u. a. geschätzt sind. Nächstdem werden Schmuckvögel in beträchtlicher Anzahl gehalten; dies sind Vögel aller Zonen: Tangaren, Bülbüls, prächtige Weber, Widafinken, Prachtfinken, Papageien und unzählige andere aus den verschiedensten Familien bis zu unsern einheimischen Finken: Stieglitz, Zeisig, dazu Ammern, Meisen, Seidenschwanz, Heher u. a. Zwischen beiden Gruppen stehen die abrichtbaren oder gelernten Vögel: der Gimpel, der von Thüringen aus einen internationalen Handelsgegenstand bildet, ebenso Lieder nachflötende Stein- und Blaudrosseln, Amsel, Star u. a. Sie alle sind nur dann abrichtbar, wenn sie aus dem Nest gehoben und von Menschenhand aufgefüttert werden.
Ihnen schließen sich an die sprachbegabten Vögel, zu denen zahlreiche Papageienarten bis zu den krähen- oder rabenartigen, den Starvögeln u. a. gehören. Den Schluß bilden die züchtbaren Vögel, die erst in der neuern Zeit zur Geltung gekommen sind. Hierher gehören: Prachtfinken, Webervögel u. a. Finkenvögel, Papageien, Täubchen, kleine Wachteln, auch verschiedene Weichfutterfresser: Drosseln, Bülbüls, der Sonnenvogel, Hüttensänger u. a. Der Vogelwirt teilt alle S. in Beziehung auf ihre ganze Haltung und Verpflegung in Körnerfresser und Kerbtier- oder Weichfutterfresser ein.
Zur Ausstattung der Käfige (s. Vogelbauer) und der Vogelstube hat der Handel Nistvorrichtungen: Nistkästen, Korbnester u. a. m., sodann Nestbaustoffe: Agave- oder Aloefasern, Manilahanf u. a. zu bieten. Alle diese Hilfsmittel der Stubenvogelpflege und -Zucht gelangen auf den Vogelausstellungen, die in den meisten Städten alljährlich veranstaltet werden, neben den Vögeln selbst zu Schau und Verkauf und bilden wiederum einen nicht geringen Geschäftsbetrieb. In großen Heckkäfigen, Vogelkammern bis großartigen Vogelstuben wird die Stubenvogelzucht betrieben.
Vgl. Brehm, Gefangene Vögel.
Tl. 1: Die S. (2 Bde., Lpz. 1870‒75);
Ruß, Die fremdländischen S. (4 Bde., Magdeb. 1879‒93);
ders., Handbuch für Vogelliebhaber (3. Aufl., 2 Bde., ebd. 1887‒91);
ders., Sprechende Vögel (2 Bde., ebd. 1887‒89);
L. Walter, Unsere einheimischen S. (Lpz. 1894);
Zürn, Die einheimischen Stubensingvögel (ebd. 1896).