Strophe
(grch.), in der
Poesie, insbesondere in der lyrischen, eine größere rhythmische
Periode, die durch
Verbindung
mehrerer Verse zu einem Ganzen entsteht. Die Alten nannten eine
Verbindung von mehrern Versen ein
System und bezeichneten ein
System dann als S., wenn es in völlig gleicher Form ein zweites
Mal oder öfter wiederholt wurde. Von
zwei gleichen
Systemen, die einander gegenüber standen, hieß das erste die S., das zweite die
Antistrophe (Gegenstrophe
).
Die Anfänge der Strophe
nbildung liegen bei
Archilochus vor, der sich auf zwei- oder dreizeilige S. beschränkte. Auch die
äol.
Lyriker und
Anakreon hatten nur S. von wenigen Reihen. Umfangreichere Strophe
ngebäude schuf erst
die chorische
Lyrik, insbesondere
Stesichorus, und die
Tragödie. S., deren Verse einander gleich sind, hießen Monokola; solche,
in denen zwei, drei und vier Versarten wechselten, Dikola, Trikola und Tetrakola.
Im Strophenbau
der modernen Nationen spielt der Reim eine maßgebende Rolle: durch künstliche und verwickelte
Reimverschlingungen sind da zum
Teil höchst umfängliche Strophe
ngebäude entstanden, wie die ital.
Canzone und die S. der
deutschen
Meistersinger. In der altgerman.
Dichtung bestehen die beliebtesten S. aus vier allitterierenden Langzeilen (s. d.),
eine Form, die sich, mannigfach verwandelt, noch in den S. des mittelhochdeutschen Volksepos widerspiegelt, so in der
Nibelungenstrophe (s. d.); auch eine vierzeilige Mischung von Lang- und
¶
mehr
Kurzzeilen war verbreitet. Seit dem Aufkommen des Reims
[* 4] dient eine der mittellat. Hymnenstrophe
von zwei Reimpaaren nachgebildete
einfache S. von vier Kurzzeilen als Keim einer reichen Entwicklung; sie lebt besonders deutlich im Schnadahüpfl fort. Unter
franz. Einfluß wird etwa seit 1170 in dem deutschen höfischen Minnesang eine Dreiteiligkeit zur Regel,
die im Meistergesang und zum Teil noch im modernen deutschen Strophenbau
festgehalten wird: sie gliedert die S. in einen Aufgesang
(s. d.) aus zwei einander gleichen Stollen und in den abweichenden, aber ähnlichen Abgesang.
Die moderne deutsche Dichtung hat sich seit Opitz darin gefallen, antike, roman. und andere ausländische Strophe
nformen nachzuahmen:
Klopstock, J. H. Voß, besonders Platen haben in antiken, die Brüder Schlegel, Rückert u. a. in roman. Strophe
nnachahmungen
Bedeutendes geleistet. Die selbständige Bildung nationaler Strophe
nformen wurde durch ein Übermaß fremder Einflüsse geradezu
erstickt. (S. Metrik.) -
Vgl. Seyd, Beitrag zur Charakteristik und Würdigung der deutschen S. (Berl. 1874);
R. M. Meyer,
Grundlagen mittelhochdeutschen Strophe
nbaues (Straßb. 1886);
Minor, Neuhochdeutsche Metrik (ebd. 1893).