ein künstlich geebneter und befestigter Verkehrsweg für Wagen. Man unterscheidet S. für den Wagenverkehr
in Städten (Stadtstraßen) und solche für den Verkehr zwischen verschiedenen Orten, Provinzen und Ländern
(Landstraßen). Die Bequemlichkeit des Verkehrs erfordert eine bestimmte Breite,
[* 2] ein der rationellen Ausnutzung der Zugkraft
entsprechendes Gefälle, mäßige Krümmungen, eine ausreichende Festigkeit
[* 3] des Planums u. s. w. In diesem Sinne werden alle
S., welche nicht durch die Willkür der Fuhrleute entstanden, sondern nach den technischen Grundsätzen
des Straßenbaues (s. d.) angelegt wurden, Kunststraßen genannt.
Die ersten Kunststraßen im Orient, von denen man Kunde hat, baute Semiramis; von Susa nach Sardes führte eine solche von nahe 3400 km
Länge. Auch bei den Karthagern fand man Kunststraßen. Die aus den ältesten chines. Zeiten stammenden
S. wurden so fest gebaut, daß sie heute noch brauchbar sind. Die Griechen, namentlich die Athener, bauten besonders für
die heiligen Züge vortreffliche S., so z. B. die heilige S. nach Delphi, jene bei Kyrene u. s. w. Die Spuren der Römerstraßen
finden sich noch gegenwärtig durch den ganzen Umfang des alten RömischenReichs zerstreut.
Diese röm. Kunststraßen, über die Plinius und Vitruv das Nähere mitteilen,
erhielten zuerst ein Substrat von einer Art
Beton, welches einer 21 cm starken Steinplattenschicht (statumen) als Unterlage diente. Auf letztere kam eine zweite,
ebenfalls 21 cm starke Schicht in Mörtel versetzter Steine (rudus), welche wieder durch eine Betonschicht
(nucleus) von 8 cm Höhe bedeckt wurde, auf welche dann das eigentliche Planum (summum dorsum) gepflastert und mit Kies überschüttet
wurde.
An den Seiten erhielt der Straßendamm Böschungen oder Strebemauern. Augustus, Vespasian, Trajan und Hadrian haben derartige
Bauten anlegen lassen, die noch jetzt bewundert werden. 23 Militärstraßen von 80000 km Gesamtlänge
führten von Rom
[* 4] nach allen Provinzen des Reichs, einerseits bis England, andererseits bis Jerusalem.
[* 5] Die außerordentliche Stärke
[* 6] (etwa 1 m) der durch Mauerung gebildeten Fahrbahn ist wohl gewählt worden, um die S. unzerstörbar zu machen.
Meilensteine im Abstände je eines Milliarium, d. h. 1000 röm.
Doppelschritte (etwa 1,5 km), gaben die Entfernung von Rom an, woselbst die Zählung bei dem am Kapitol
befindlichen milliarium aureum begann. Durch Gasthäuser, Pferderelais, Badehäuser und Posthäuser war für die Bedürfnisse
der Reisenden gesorgt. Auch Reisekarten waren vorhanden; bekannt ist die Peutingersche Tafel. (S. Peutinger.) Mit dem Verfall
des RömischenReichs hörte auch die Sorgfalt für die Kommunikationen auf. Erst Karl d. Gr. ließ die Straßen
wieder ausbessern und neue anlegen.
In Deutschland
[* 7] findet man die Anfänge eines geregelten Straßenbaues erst im 13. Jahrh., ebenso in Schweden,
[* 8] wo in den J. 1250-66
die ersten Heerstraßen angelegt wurden. Diese waren schon mit Steinen, die in Kalk oder Cement verlegt
waren, gepflastert. Der Landesherr erhob von Kaufleuten, später auch von jedem Benutzer einen Zoll. Zeuge von der Bedeutung
der S. sind die großartigen Brückenbauten des 12. und 13. Jahrh. Die Hauptstraßen, welche
Deutschland durchzogen, hatten ihre wichtigsten Knotenpunkte in Nürnberg,
[* 9] Frankfurt
[* 10] a. M. und Leipzig.
[* 11]
Die erste kunstgemäße S. erbaute man 1753 in Schwaben, zwischen Nördlingen
[* 12] und Öttingen. In der zweiten
Hälfte des 18. Jahrh. hat sich Frankreich, woselbst schon 1716 das «Corps des ponts et chaussées»
gebildet wurde, durch die Anlage derartiger Bauten ausgezeichnet; kunstgemäß hergestellte S. führen auch jetzt noch im
allgemeinen den Namen Chausseen, wenn auch in Frankreich dieser Name nicht durchgehends gebräuchlich ist.
Vorzüglich wurden die spätern englischen S. gebaut, auf denen auch zuerst die Straßengewichtsmesser für die Wagen eingeführt
wurden. Hervorragende engl. Straßeningenieure waren Telford und Mac Adam.
Die großen S., wohl auch Land- oder Reichsstraßen genannt, die den Verkehr von Provinzen und Ländern
vermitteln, sind meist Staatsanstalten zum Vorteil aller, werden aus Staatsmitteln gebaut und ebenso auch durch die Regierung
verwaltet und im Stande erhalten. In manchen Ländern wird für jedesmalige Benutzung der Staatsstraßen ein geringes Chausseegeld
erhoben; in Preußen
[* 13] ist dasselbe für die Hauptchausseen seit 1875 und in Sachsen
[* 14] seit 1886 abgeschafft.
Ehedem sprach sich dies Verhältnis darin aus, daß man solche öffentliche S. den Regalien beizählte. In Preußen sind die
frühern Staatschausseen seit Einführung der Provinzialordnung auf die Provinzialverwaltungen übergegangen; diese und die
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kleinern Kreisverwaltungen lassen sich den Ausbau der Chausseenetze sehr angelegen sein. Der Vorteil, den ein zweckmäßig
angelegtes und wohl unterhaltenes Netz von S. gewährt, ist immer noch unermeßlich. Wenn auch gegenwärtig die Entwicklung
der Eisenbahnen die großen Kunststraßenzüge in den Hintergrund gedrängt hat, so behaupten sie als Saugadern des Eisenbahnverkehrs
noch immer eine hervorragende Stelle. Mit der Entwicklung des Ingenieurwesens hat sich der Straßenbau (s. d.) zu immer größerer
Vollkommenheit ausgebildet. -
Vgl. Curtius, Zur Geschichte des Wegebaues bei den Griechen (Berl. 1855);
Gaßner, Zum deutschen
Straßenwesen von der ältesten Zeit bis zur Mitte des 17. Jahrh. (Lpz.
1889);
Steenstrup, Leitfaden zur Anlage und Unterhaltung der Landstraßen (Kopenh. 1843);