zweiarmige Ill in drei Teile geteilt, hat elf Thore u. durch die engen, unregelmäßigen Straßen ein altertümliches Aussehen.
Ein neuer Stadtteil, im NO. liegend und aus dem durch Hinausschieben der Festungswerke gewonnenen Terrain errichtet, ist bereits
stark bebaut. Von öffentlichen Plätzen verdienen Erwähnung: der Kléberplatz mit dem ehernen Standbild Klébers,
der Gutenbergplatz mit der StatueGutenbergs (von David d'Angers), der Broglieplatz, der Schloßplatz etc. Außer den genannten
Denkmälern sind noch zu nennen: das Denkmal des GeneralsDesaix hinter dem Theater
[* 17] und das Denkmal des PräfektenLezay-Marnesia
auf einer Rheininsel.
Hervorragende Gebäude sind ferner: der neue Kaiserpalast, das Schloß (ehemals bischöfliche Residenz, später Universität,
jetzt Universitäts- und Landesbibliothek), das Stadthaus und das Theater am Broglieplatz (beide nach
der Einäscherung von 1870 neuerbaut), der Statthalterpalast, das neue Universitätsgebäude, das Bezirkspräsidium, das
Landgerichtsgebäude, das Offizierkasino, das Aubettegebäude am Kléberplatz, das Gebäude der Lebensversicherungsgesellschaft
Germania,
[* 25] das Bürgerhospital, die Manteuffelkaserne, der Zentralbahnhof, die Westmarkthalle etc.
Die Bevölkerung
[* 26] beläuft sich (1885) mit der 10,523 Mann starken Garnison (Infanterieregimenter Nr. 105,
126, 132 und 138, je 2 Infanteriebataillone Nr. 99 und 137, ein Ulanenregiment Nr.
15, ein Feldartillerieregiment Nr. 15, ein Fußartillerieregiment Nr. 10 und
ein Pionierbataillon Nr. 15) auf 111,987 Seelen, darunter 52,306 Evangelische, 55,406 Katholiken, 363 andre Christen u. 3767 Juden.
Der lebhafte Handel, unterstützt durch eine Handelskammer und eine Reichsbankhauptstelle wie durch andre Geldinstitute, durch
das verzweigte Eisenbahnnetz (S. ist Knotenpunkt der Eisenbahnen S.-Weißenburg, S.-Deutsch-Avricourt, S.-Kehl, S.-Schiltigheim,
S.-Königshofen, S.-Basel, S.-Rothau und S.-Lauterburg), durch vortreffliche Landstraßen, durch die schiffbare Ill, den Ill-,
Rhein-Rhône- und Rhein-Marnekanal und durch eine Pferdebahn, welche die innern Stadtteile mit den Vororten verbindet, ist besonders
bedeutend in Steinkohlen, Kolonial- und Lederwaren, Papier, Tabak, Eisen,
[* 30] Getreide,
[* 31] Wein, Holz,
[* 32] Gänseleberpasteten, Sauerkraut, Schinken,
Hopfen,
[* 33] Gartengewächsen der verschiedensten Art etc. An Bildungs- und andern ähnlichen Anstalten hat
S. die 1872 neugegründete Kaiser Wilhelms-Universität (Sommersemester 1888: 828 Studierende), die neue Universitäts- und
Landesbibliothek mit ca. 600,000 Bänden (größtenteils durch freiwillige Gaben entstanden und zum Ersatz für die in der Nacht
vom 24. zum verbrannte Stadtbibliothek bestimmt), ferner ein protestantisches Gymnasium (1538
gegründet), ein Lyceum (katholisches Gymnasium, verbunden mit Realgymnasialabteilung), 2 Realschulen, eine höhere katholische
Schule, ein Priesterseminar, ein evangelisches Schullehrer- und ein evangelisches Lehrerinnenseminar, 2 Taubstummenanstalten,
ein Konservatorium, ein Kunstmuseum, ein Kunstgewerbemuseum, ein Naturalienkabinett, ein Stadttheater, eine Bezirksfindel-
und Waisenanstalt, zahlreiche Sammlungen etc. In S. erscheinen fünf Zeitungen.
Die Festungswerke, deren Anlage 1682-84 von Vauban mit der auf der Ostseite der Stadt liegenden fünfeckigen Citadelle begonnen
wurde, haben seit 1870 eine bedeutende Erweiterung und Verstärkung
[* 34] erfahren. Ein Teil der Befestigung ist im NO. hinausgerückt,
und 13 Forts, 4-8 km vom Mittelpunkt der Stadt entfernt, krönen die umliegenden Höhen, 3 davon auf der
badischen Seite des Rheins bei Kehl. Die Stärke
[* 35] der Werke wird dadurch noch bedeutend erhöht, daß durch die Ill und den Rhein-Rhônekanal
ein großer Teil der Umgegend von S. unter Wasser
Unter der Regierung des KaisersAugustus entstand auf der Stelle des heutigen S. eine städtische Ansiedelung, Argentoratum,
welche der achten Legion als Standquartier diente. Durch den großen Sieg bei S. 357 über die Alemannen rettete KaiserJulian die Rheingrenze, doch schon um 406 fiel das Elsaß jenem germanischen Volksstamm zu. Damals ging die Stadt in
Flammen auf, ward aber bald neu erbaut und in der Karolingerzeit durch die Neustadt
[* 43] im W. vergrößert.
Hier schwuren 14. Febr. 842 Ludwig der Deutsche
[* 44] und Karl der Kahle den Eid gegenseitiger Treue, der in altromanischer
und altdeutscher Sprache
[* 45] erhalten ist. Seit der Begründung des Bistums (s. unten) hob sich die Bedeutung der Stadt; doch blieb
sie noch lange Eigentum des Bischofs, der den Schultheißen ernannte. Wie andre bischöfliche Städte, wußte sich auch S. allmählich
größere Selbständigkeit zu verschaffen: an die Stelle der bischöflichen Ministerialen trat ein aus
der Bürgerschaft hervorgehender Rat, und die Richter der Stadt, die Consules, sprachen vom Bischof unabhängig Recht.
Die Stadt schloß sich 1381 dem Städtebund zu Speier an und leistete ein Jahrhundert später den Schweizern gegen Karl den Kühnen
bei Granson und Nancy
[* 47] erfolgreiche Unterstützung. In S. hat der MainzerGutenberg die erste Druckerpresse
aufgestellt, hier haben einige Jahrzehnte später die Dichter SebastianBrantundThomasMurner sowie der Humanist Wimpfeling
gewirkt. Die Bedeutung der Stadt war damals weit größer, als man nach ihrer geringen Bevölkerung (um 1475 nur 20,700 Seelen)
erwarten sollte.
Die Reformation fand früh Eingang, besonders infolge des rastlosen EifersMartin Butzers, der 1523 in S.
eine Zuflucht fand. Doch erst nach Abschaffung der Messe 1529 kann die Stadt als protestantisch gelten. In der gefährlichen
Zeit der religiösen Streitigkeiten und Fehden hatte sie einen vorzüglichen Führer in dem gelehrten und welterfahrenen JakobSturm (s. d.), welcher ihr z. B. nach
dem SchmalkaldischenKrieg einen billigen Frieden vom Kaiser erwirkte.
Durch ihn wurde S. auch eine Stätte der Wissenschaft, besonders als der Philolog JohannesSturm sich hier niederließ. Ihm
gegenüber vertrat das deutsch-volkstümliche Element in der Litteratur der StraßburgerJohannFischart. Für ihren Rücktritt
von der Union belohnte KaiserFerdinand II. die Stadt 1621 mit der Errichtung der Universität. Während
des Dreißigjährigen Kriegs ersparte
die auf reichsstädtischer Tradition beruhende und durch innere Parteiungen geförderte
Neutralitätspolitik S. viel Elend. Im WestfälischenFrieden blieb es dem Reich erhalten.
Die französische Revolution zertrümmerte die Vorrechte der alten deutschen Reichsstadt; an die Spitze trat ein Maire, ihm
standen zur Seite 17 Munizipalräte und 36 Notabeln, welche alle aus unmittelbaren Volkswahlen hervorgingen. Nach dem Fall
des Königtums blieb der Stadt die Schreckensherrschaft nicht erspart; auch hier wurde 1793 ein Revolutionstribunal
eingerichtet, dem der deutsche Emigrant Eulogius Schneider vorstand. Erst unter dem ersten Kaiserreich schwanden die partikularistischen
Neigungen, welche noch das 18. Jahrh. kennzeichnen. S., das Napoleon I. die Wiederherstellung seiner in den Revolutionsstürmen
verfallenen Universität zu danken hatte, ward wirklich eine französische Stadt. Der VersuchLudwigNapoleons
sich hier von der Garnison zum Kaiser ausrufen zu lassen, mißlang.
Die Besatzung (noch 17,000 Mann) wurde kriegsgefangen, 1200 Kanonen und zahlreiches Kriegsmaterial wurden eine Beute der Sieger
(s. Plan der Belagerung von S. bei Artikel »Festungskrieg«). Die deutschfeindliche Haltung der Stadtbehörde in S. veranlaßte
die kaiserliche Regierung, den BürgermeisterLauth seines Amtes zu entsetzen und den Gemeinderat, dessen überwiegende
Mehrheit sich gegen diese Maßregel aussprach, zunächst auf zwei Monate, dann auf ein Jahr zu suspendieren. Mit der Wahrnehmung
der Geschäfte des Magistrats wurde der Polizeidirektor Back betraut, unter welchem das
¶
Hauptstadt von Elsaß-Lothringen, des BezirksUnterelsaß und des Landkreises
S., Stadtkreis (78,29 qkm) und Festung ersten Ranges, liegt 45 km östlich von der franz.
Grenze,
¶
mehr
3 km westlich vom Rhein, an der Ill, die 2,5 km oberhalb von S. die Breusch aufnimmt, sich beim Eintritt in die Stadt in fünf
Arme teilt und unterhalb derselben in den Rhein mündet, sowie an dem eine Fortsetzung des Rhein-Marne-Kanals bildenden Ill-Rhein-Kanal
und dem den Rhein-Rhöne-Kanal und die Ill mit dem Ill-Rhein-Kanal verbindenden Umleitungskanal, 17 km
von den östl. Abhängen der Vogesen, in 143 m Höhe, im tiefsten Teil der Rheinniederung. Das Klima ist mild, jedoch plötzlichen
Schwankungen unterworfen; die mittlere Jahrestemperatur beträgt 10° C. (im Juli +19,2°, im Januar -0,3° C.); der mittlere
Luftdruck 751 mm, die Niederschlagsmenge 677,7 mm. (Hierzu ein Stadtplan mit Verzeichnis der Straßen, Plätzen,
s. w.)
Bevölkerung. Die ortsanwesende Bevölkerung betrug 1871: 85 654, 1880: 104 471, 1885: 111 987, 1890: 123 500, 1895: 135 608 (71 214 männl.
[15493 Militärpersonen], 643 94 weibl.) E., darunter 67 690 Katholiken, 63 277 Evangelische, 543 andere
Christen und 4098 Israeliten. Der Staatsangehörigkeit nach waren 78 017 Elsaß-Lothringer, 54 301 andere Reichsangehörige
und 3290 Ausländer. Von der Civilbevölkerung (1895: 120 115) wohnen 86 212 E. innerhalb, 33 903 E. außerhalb der Stadtumwallung.
Letztere verteilen sich auf Ruprechtsau (7678), Neudorf-Musau (13 836), Neuhof (2506), Kronenburg-Königshöfen (9883 E.).
Die Zahl der Geburten betrug 1896: 4391, darunter 127 Totgeburten, der Eheschließungen 1239, der Todesfälle 2832. In Garnison
liegen die Infanterieregimenter Nr. 132, 138, 143, 172, das 6. sächs.
Infanterieregiment Nr. 105 König Wilhelm II. von Württemberg,
[* 52] 8. württemb. Infanterieregiment Nr. 126 GroßherzogFriedrich
von Baden, 2. rhein. Husarenregiment Nr.
9, nebst dem DetachementJäger zu Pferde
[* 53] des 15. Armeekorps, Stab,
[* 54] 1. bis 3. Abteilung des Feldartillerieregiments Nr. 15, das
Fußartillerieregiment Nr. 10, Stab und 2. Bataillon des bad. Fußartillerieregiments Nr. 14, die
Pionierbataillone Nr. 15 und 19 und das Trainbataillon Nr. 15.
Anlage, Plätze, Denkmäler. Infolge einer 1880 vorgenommenen Stadterweiterung ist der Flächenraum der
Stadt von 230 ha (Altstadt) auf 614 ha. angewachsen. Die Altstadt besitzt, mit Ausnahme der längs der Wasseradern sich hinziehenden,
meist enge Straßen. Unter den zahlreichen Plätzen sind nennenswert der Kleber-, Gutenberg- und der Broglieplatz, seit dem 18. Jahrh.
mit Bäumen bepflanzt; in der Neustadt liegen die Parkanlage Contades, der einstige Schießrain der Freien
Reichsstadt, der städtische Garten Orangerie, der Kaiser-, Bahnhofs- und Universitätsplatz, sämtlich mit Gartenanlagen versehen.
Die Stadt hat Erzstandbilder Klebers (1840) von Ph. Graß, Gutenbergs (1840) von David d'Angers und Lézay-Marnésias (1810-14
Präfekt des Depart. Niederrhein; 1856) von Graß, ein Kriegerdenkmal, einen
Brunnen
[* 55] (1884) zur Erinnerung an die Ankunft der Züricher zum Freischießen 1576, mit Erzbüste Fischarts von Bergmann, ein
Denkmal des Generals Desaix, Verteidiger des Rheinübergangs gegen die Österreicher 1796, und Erzbüsten von Goethe, König
Ludwig I. von Bayern
[* 56] und Viktor Neßler.
Kirchen. Das Münster (Monasterium beatae Mariae Virginis; s. Tafel: Deutsche Kunst II,
[* 51]
Fig. 10) spiegelt
die mittelalterliche Baukunst vom frühroman. bis spätgot. Stil wider. Chor und Querschiff gehören dem
roman. (Ostteil der
Krypta aus dem Anfang des 11. Jahrh.), das Langhaus (vollendet 1275) dem frühgot. Stil, die westl. Vorderseite (1277-1365
bis zum zweiten Stockwerk unter Meister Erwin entstanden) und der Turm (142 m, 1439 vollendet) der Blüte
der got. Baukunst an. 1772-78 wurden die an das Langhaus angebauten Verkaufsbuden durch spätgot.
Arkaden ersetzt, 1878 die roman. Vierungskuppel ausgebaut. Zahlreiche, vielfach vorzügliche
Bildhauerarbeiten befinden sich besonders an der westl. Vorderseite (Fensterrose von 13,5 m Durchmesser)
und am Nord- und Südthor des Querhauses. Das Innere ist 110 m lang, 41 m breit, das Mittelschiff 30 m
hoch und der innere Flächenraum 4087 qm groß. Es enthält schöne Glasmalereien (12. bis 15. Jahrh.), eine Kanzel von 1485 und
im Chor Fresken von Steinle. An der Ostwand des südl. Querschiffs befindet sich eine astronom.
Uhr, schon Mitte des 14. Jahrh. vorhanden und 1839-42 erneuert.
Die evang. Wilhelmerkirche hat Steindenkmäler der Landgrafen des Elsasses Philipp und Ulrich von Werd (gest. 1332 und 1343),
von Wölfelin von Rufach; die evang. Thomaskirche das prächtige Grabdenkmal des Marschalls
Moritz von Sachsen von Pigalle (1776); die evang. Neukirche, roman.
Neubau an Stelle der bei der Beschießung von 1870 abgebrannten ehemaligen Dominikanerkirche, den Grabstein J. Taulers. Bedeutend
ist die neue kath. Jung-St. Peter-(Herz-Jesu-)Kirche (1893), eine Verschmelzung von Frührenaissancemotiven mit den Formen
des Übergangsstiles, mit Kuppel. Eine evang. Garnisonkirche ist 1897 vollendet, eine katholische im Bau.
Weltliche Bauten. Bemerkenswert in der Altstadt sind: das Hotel du Commerce, bis zur Französischen Revolution
Rathaus, ein schöner Renaissancebau, 1582-85 von Paul Maurer aus Zürich
[* 57] und Jörg Schmidt aus Schaffhausen
[* 58] erbaut, das Frauenhaus (Dombauhütte,
1571), die Große Metzig, jetzt Markthalle und (im Oberstock) Kunstgewerbemuseum, 1587 von P. Maurer nach den PlänenHans Schochs
erbaut, das ehemalige bischöfl. Schloß, 1872-95 Universitäts- und Landesbibliothek, 1731-41 von Massol
für den Kardinal Rohan erbaut, der Statthalterpalast, vormals Präfekturgebäude, 1730-36 für den Prätor Klinglin erbaut,
das Stadthaus (bis zur Französischen Revolution Hessen-Darmstädtischer Hof),
[* 59] 1736 von Massol erbaut, das Generalkommandogebäude
(bis zur Französischen Revolution Zweibrücker Hof), um die Mitte des 18. Jahrh. erbaut, das Theater (1824
vollendet, 1870 ausgebrannt, wiederhergestellt und 1888 erweitert) und das Aubettegebäude (1870 ausgebrannt, wobei die städtische
Gemäldesammlung vernichtet wurde), das im Erdgeschoß Verkaufsläden und die Hauptwache, in den obern Räumen zwei Konzertsäle
und das städtische Konservatorium enthält, das Kammerzellsche Haus (Erdgeschoß 1465, obere Teile 1589 erbaut,
stilvoll erneuert).
In der Neustadt befinden sich: der Kaiserpalast, 1883-88 für 2,6 Mill. M. aus Reichsmitteln nach den Plänen Herm.
Eggerts erbaut, ein Rustikabau von zwei Geschossen, 73 m Länge, 56 m Tiefe, im Stil der Florentiner
[* 60] Renaissance, in Form eines
Rechtecks mit Säulenvorbau an der Vorderseite, halbkreisförmigem Säulenausbau an der nach dem Palastgarten
gelegenen Rückseite und 35 m hoher Kuppel, die durch eine Fahnengruppe in getriebenem Kupfer
[* 61] gekrönt wird. Die 1884 eingeweihten
Bauten
¶
Die Hauptvorderseite (125 m) liegt in einer Entfernung von etwa 800 m der des Kaiserpalastes genau gegenüber. Hinter dem
Universitätshauptbau liegen die Gebäude des Chemischen, des Physikalischen und des BotanischenInstituts
sowie der Sternwarte,
[* 63] die aus einem Kuppelbau für den Refraktor (mit dem größten Instrument dieser Art in Deutschland, Objektivöffnung 487 mm),
dem Meridianbau (mit zwei Kuppeln) und dem Wohnhaus
[* 64] des Direktors besteht. In der Nähe das Geologische, Mineralogische, Zoologische
und Pharmazeutische Institut.
Die zweite Gruppe der Universitätsneubauten, nächst dem Bürgerspital, umfaßt die Institute für Experimentalphysiologie,
das Anatomische und Pathologische, das Physiologisch-ChemischeInstitut, die Psychiatrische Klinik, die Geburtshilfliche und
Gynäkologische Klinik, das Pharmakologische Institut, die Chirurgische und die Augenklinik. Im nordwestl. Stadterweiterungsgebiet
liegt der 1883 eröffnete Hauptbahnhof, mit einem Kostenaufwand von 23 Mill. M. erbaut; in der Eintrittshalle
zwei Fresken von Knackfuß. Dem Kaiserpalast gegenüber liegen die gleichfalls in ital. Frührenaissancestil
ausgeführten Gebäude des Landesausschusses und der 1895 bezogenen Universitäts- und Landesbibliothek. Unweit davon das neue
Hauptpostgebäude (im Bau).
Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet von einem Bürgermeister (Unterstaatssekretärz. D. OttoBack, 20000 M.) mit 6 Beigeordneten
und einem Polizeidirektor; der Gemeinderat besteht aus 36 Mitgliedern. Das Stadtgebiet ist in je vier
Kantone intra und extra muros und acht Polizeireviere eingeteilt. Die städtische Feuerwehr, deren «Ordnungen»
im 18. Jahrh. mehrfach andern Städten zum Muster dienten, zählt 375 Mann (233 intra, 142 extra muros). Das städtische Wasserwerk
ist 1879 eröffnet; die Entwässerungsanlagen haben eine Länge von 35 km.
Die Schwemmkanalisation für das innere Stadtgebiet ist in Angriff genommen.
Die 1840 eröffnete Gasanstalt (Compagnie L'Union des gaz, Société anonyme) lieferte 1896/97: 7,099 Mill. cbm Gas. Elektrische
[* 65] Beleuchtung
[* 66] (privates Elektricitätswerk) besteht in der Bahnhofsanlage, auf dem Bahnhofsplatz, im Theater, in gewerblichen
Anlagen, Gasthäusern und Geschäften. Die Halle
[* 67] des alten Bahnhofs ist in eine Markthalle umgewandelt; eine kleinere befindet
sich im Erdgeschoß der Großen Metzig, eine Gewerbehalle im alten Bahnhof. Das städtische Schlachthaus ist bedeutend erweitert.
1896/97 betrugen die Einnahmen (Ist) 6 872 029 M., darunter 769 367 M. Einkünfte aus städtischem Vermögen,
die Ausgaben (ohne Rückstände) 7 788 707 M., darunter für Sicherheitszwecke 346 939 M., für Unterricht 911 390 M., Armen-
und Krankenpflege 662 16 M. Die Kosten der offenen Armenpflege, die in getrennter Verwaltung ausgeübt wird, betrugen 1896/97
einschließlich des städtischen Zuschusses 324 871 M.
Behörden. S. ist
Sitz des kaiserl. Statthalters, der obersten Landesbehörden für Elsaß-Lothringen,
der Bezirksbehörden für den BezirkUnterelsaß, der Kreisbehörden für den Landkreis S. (für den Stadtkreis werden die Befugnisse
des Kreisdirektors durch den Bezirkspräsidenten, die des Kreistags durch den Gemeinderat ausgeübt), eines Landgerichts (Oberlandesgericht
Colmar)
[* 68] mit einer Kammer für Handelssachen und 15 Amtsgerichten (Benfeld, Bischweiler, Brumath, Erstein,
Hagenau, Hochfelden, Illkirch, Lauterburg, Niederbronn, Schiltigheim, S., Sulz und Wald, Truchtersheim, Weißenburg, Wörth), eines
Amtsgerichts, des Landesversicherungsamtes, der Oberpostdirektion für die Bezirke Ober- und Unterelsaß, eines Hauptsteueramtes,
Gewerbegerichts, kath. Bischofs, des Oberkonsistoriums und des Direktoriums der Kirche augsburg.
Bekenntnisses, eines Konsistoriums der reform. Kirche, des israel. Konsistoriums für den BezirkUnterelsaß
sowie des Generalkommandos des 15. Armeekorps, der Kommandos der 30. und 31. Division, der 60., 61. und 85. Infanterie-, 31. Kavallerie-, 15. Feld-, 4. Fußartilleriebrigade,
eines Gouvernements, einer Kommandantur, der 3. Ingenieur-, 5. Festungs- und 4. Artilleriedepotinspektion, einer Fortifikation,
Artilleriewerkstatt, eines Artillerie- und Traindepots, Bezirkskommandos, einer Reichsbankhauptstelle und
Handelskammer.
Unterrichts- und Bildungswesen. Die Universität wurde im 16. Jahrh. als Akademie mit einer philos. Fakultät aus den obern
Klassen des seit 1538 bestehenden Gymnasiums von dem Magistrat errichtet und 1621 unter dem Privilegium Ferdinands II.
zu einer reichsstädtischen Universität mit vier Fakultäten erweitert, die im 17. und 18. Jahrh. in erster
Reihe stand und auch unter franz. Herrschaft deutsch blieb. Infolge der Französischen Revolution beseitigt, erstand sie 1802 als
Académie protestante wieder, wurde aber 1808 in eine franz. Akademie verwandelt.
Durch Stiftungsurkunde vom wurden die einzelnen Fachschulen und Fakultäten aufgehoben und ihre Rechte auf
die neu gegründete Kaiser-Wilhelms-Universität übertragen; sie hat als fünfte Fakultät eine mathematische und naturwissenschaftliche,
ferner 133 Professoren und Docenten und im Winter 1896/97: 1013, Sommer 1897: 1016 (darunter etwa 557 Elsaß-Lothringer) Studierende
sowie 41 Seminare, Kliniken, wissenschaftliche und kunstwissenschaftliche Institute, einen botan. Garten, eine Sternwarte u. a.
Das Vermögen des St. Thomasstifts, welches aus dem frühern Kollegiatkapitel der Thomaskirche herstammt,
ist ausschließlich kirchlichen und Unterrichtszwecken gewidmet.
Unter der Verwaltung des Thomasstifts steht das Theologische Studienstift von St. Wilhelm (Collegium Wilhelmitanum), 1543 als
Internat für evang. Theologen gestiftet. Ferner bestehen ein bischöfl. Priesterseminar für
kath. Geistliche, ein Lyceum, evang. und bischöfl.
kath. Gymnasium, eine Realschule bei St. Johann, neue Realschule, Lehrer-, Lehrerinnenseminar, Präparandenschule (im Vorort
Neudorf), 1 höhere Mädchenschule, 12 private höhere Mädchenschulen und Pensionate, darunter mehrere von kath.
Orden
[* 69] geleitete, drei Mittelschulen, eine staatliche technische Winterschule für Wasser-, Wege-, Wiesen- und Hochbau,
Hufbeschlagschule, Kunstgewerbeschule, gewerbliche Fortbildungsschule, Militärvorbereitungsanstalt, Handelsschule, polytechnisches
Privatinstitut und zwei private
¶