zweiarmige Ill in drei Teile geteilt, hat elf Thore u. durch die engen, unregelmäßigen Straßen ein altertümliches Aussehen.
Ein neuer Stadtteil, im NO. liegend und aus dem durch Hinausschieben der Festungswerke gewonnenen Terrain errichtet, ist bereits
stark bebaut. Von öffentlichen Plätzen verdienen Erwähnung: der Kléberplatz mit dem ehernen Standbild Klébers,
der Gutenbergplatz mit der StatueGutenbergs (von David d'Angers), der Broglieplatz, der Schloßplatz etc. Außer den genannten
Denkmälern sind noch zu nennen: das Denkmal des GeneralsDesaix hinter dem Theater
[* 17] und das Denkmal des PräfektenLezay-Marnesia
auf einer Rheininsel.
Hervorragende Gebäude sind ferner: der neue Kaiserpalast, das Schloß (ehemals bischöfliche Residenz, später Universität,
jetzt Universitäts- und Landesbibliothek), das Stadthaus und das Theater am Broglieplatz (beide nach
der Einäscherung von 1870 neuerbaut), der Statthalterpalast, das neue Universitätsgebäude, das Bezirkspräsidium, das
Landgerichtsgebäude, das Offizierkasino, das Aubettegebäude am Kléberplatz, das Gebäude der Lebensversicherungsgesellschaft
Germania,
[* 25] das Bürgerhospital, die Manteuffelkaserne, der Zentralbahnhof, die Westmarkthalle etc.
Die Bevölkerung
[* 26] beläuft sich (1885) mit der 10,523 Mann starken Garnison (Infanterieregimenter Nr. 105,
126, 132 und 138, je 2 Infanteriebataillone Nr. 99 und 137, ein Ulanenregiment Nr.
15, ein Feldartillerieregiment Nr. 15, ein Fußartillerieregiment Nr. 10 und
ein Pionierbataillon Nr. 15) auf 111,987 Seelen, darunter 52,306 Evangelische, 55,406 Katholiken, 363 andre Christen u. 3767 Juden.
Der lebhafte Handel, unterstützt durch eine Handelskammer und eine Reichsbankhauptstelle wie durch andre Geldinstitute, durch
das verzweigte Eisenbahnnetz (S. ist Knotenpunkt der Eisenbahnen S.-Weißenburg, S.-Deutsch-Avricourt, S.-Kehl, S.-Schiltigheim,
S.-Königshofen, S.-Basel, S.-Rothau und S.-Lauterburg), durch vortreffliche Landstraßen, durch die schiffbare Ill, den Ill-,
Rhein-Rhône- und Rhein-Marnekanal und durch eine Pferdebahn, welche die innern Stadtteile mit den Vororten verbindet, ist besonders
bedeutend in Steinkohlen, Kolonial- und Lederwaren, Papier, Tabak, Eisen,
[* 30] Getreide,
[* 31] Wein, Holz,
[* 32] Gänseleberpasteten, Sauerkraut, Schinken,
Hopfen,
[* 33] Gartengewächsen der verschiedensten Art etc. An Bildungs- und andern ähnlichen Anstalten hat
S. die 1872 neugegründete Kaiser Wilhelms-Universität (Sommersemester 1888: 828 Studierende), die neue Universitäts- und
Landesbibliothek mit ca. 600,000 Bänden (größtenteils durch freiwillige Gaben entstanden und zum Ersatz für die in der Nacht
vom 24. zum verbrannte Stadtbibliothek bestimmt), ferner ein protestantisches Gymnasium (1538
gegründet), ein Lyceum (katholisches Gymnasium, verbunden mit Realgymnasialabteilung), 2 Realschulen, eine höhere katholische
Schule, ein Priesterseminar, ein evangelisches Schullehrer- und ein evangelisches Lehrerinnenseminar, 2 Taubstummenanstalten,
ein Konservatorium, ein Kunstmuseum, ein Kunstgewerbemuseum, ein Naturalienkabinett, ein Stadttheater, eine Bezirksfindel-
und Waisenanstalt, zahlreiche Sammlungen etc. In S. erscheinen fünf Zeitungen.
Die Festungswerke, deren Anlage 1682-84 von Vauban mit der auf der Ostseite der Stadt liegenden fünfeckigen Citadelle begonnen
wurde, haben seit 1870 eine bedeutende Erweiterung und Verstärkung
[* 34] erfahren. Ein Teil der Befestigung ist im NO. hinausgerückt,
und 13 Forts, 4-8 km vom Mittelpunkt der Stadt entfernt, krönen die umliegenden Höhen, 3 davon auf der
badischen Seite des Rheins bei Kehl. Die Stärke
[* 35] der Werke wird dadurch noch bedeutend erhöht, daß durch die Ill und den Rhein-Rhônekanal
ein großer Teil der Umgegend von S. unter Wasser
Unter der Regierung des KaisersAugustus entstand auf der Stelle des heutigen S. eine städtische Ansiedelung, Argentoratum,
welche der achten Legion als Standquartier diente. Durch den großen Sieg bei S. 357 über die Alemannen rettete KaiserJulian die Rheingrenze, doch schon um 406 fiel das Elsaß jenem germanischen Volksstamm zu. Damals ging die Stadt in
Flammen auf, ward aber bald neu erbaut und in der Karolingerzeit durch die Neustadt
[* 43] im W. vergrößert.
Hier schwuren 14. Febr. 842 Ludwig der Deutsche
[* 44] und Karl der Kahle den Eid gegenseitiger Treue, der in altromanischer
und altdeutscher Sprache
[* 45] erhalten ist. Seit der Begründung des Bistums (s. unten) hob sich die Bedeutung der Stadt; doch blieb
sie noch lange Eigentum des Bischofs, der den Schultheißen ernannte. Wie andre bischöfliche Städte, wußte sich auch S. allmählich
größere Selbständigkeit zu verschaffen: an die Stelle der bischöflichen Ministerialen trat ein aus
der Bürgerschaft hervorgehender Rat, und die Richter der Stadt, die Consules, sprachen vom Bischof unabhängig Recht.
Die Stadt schloß sich 1381 dem Städtebund zu Speier an und leistete ein Jahrhundert später den Schweizern gegen Karl den Kühnen
bei Granson und Nancy
[* 47] erfolgreiche Unterstützung. In S. hat der MainzerGutenberg die erste Druckerpresse
aufgestellt, hier haben einige Jahrzehnte später die Dichter SebastianBrantundThomasMurner sowie der Humanist Wimpfeling
gewirkt. Die Bedeutung der Stadt war damals weit größer, als man nach ihrer geringen Bevölkerung (um 1475 nur 20,700 Seelen)
erwarten sollte.
Die Reformation fand früh Eingang, besonders infolge des rastlosen EifersMartin Butzers, der 1523 in S.
eine Zuflucht fand. Doch erst nach Abschaffung der Messe 1529 kann die Stadt als protestantisch gelten. In der gefährlichen
Zeit der religiösen Streitigkeiten und Fehden hatte sie einen vorzüglichen Führer in dem gelehrten und welterfahrenen JakobSturm (s. d.), welcher ihr z. B. nach
dem SchmalkaldischenKrieg einen billigen Frieden vom Kaiser erwirkte.
Durch ihn wurde S. auch eine Stätte der Wissenschaft, besonders als der Philolog JohannesSturm sich hier niederließ. Ihm
gegenüber vertrat das deutsch-volkstümliche Element in der Litteratur der StraßburgerJohannFischart. Für ihren Rücktritt
von der Union belohnte KaiserFerdinand II. die Stadt 1621 mit der Errichtung der Universität. Während
des Dreißigjährigen Kriegs ersparte
die auf reichsstädtischer Tradition beruhende und durch innere Parteiungen geförderte
Neutralitätspolitik S. viel Elend. Im WestfälischenFrieden blieb es dem Reich erhalten.
Die französische Revolution zertrümmerte die Vorrechte der alten deutschen Reichsstadt; an die Spitze trat ein Maire, ihm
standen zur Seite 17 Munizipalräte und 36 Notabeln, welche alle aus unmittelbaren Volkswahlen hervorgingen. Nach dem Fall
des Königtums blieb der Stadt die Schreckensherrschaft nicht erspart; auch hier wurde 1793 ein Revolutionstribunal
eingerichtet, dem der deutsche Emigrant Eulogius Schneider vorstand. Erst unter dem ersten Kaiserreich schwanden die partikularistischen
Neigungen, welche noch das 18. Jahrh. kennzeichnen. S., das Napoleon I. die Wiederherstellung seiner in den Revolutionsstürmen
verfallenen Universität zu danken hatte, ward wirklich eine französische Stadt. Der VersuchLudwigNapoleons
sich hier von der Garnison zum Kaiser ausrufen zu lassen, mißlang.
Die Besatzung (noch 17,000 Mann) wurde kriegsgefangen, 1200 Kanonen und zahlreiches Kriegsmaterial wurden eine Beute der Sieger
(s. Plan der Belagerung von S. bei Artikel »Festungskrieg«). Die deutschfeindliche Haltung der Stadtbehörde in S. veranlaßte
die kaiserliche Regierung, den BürgermeisterLauth seines Amtes zu entsetzen und den Gemeinderat, dessen überwiegende
Mehrheit sich gegen diese Maßregel aussprach, zunächst auf zwei Monate, dann auf ein Jahr zu suspendieren. Mit der Wahrnehmung
der Geschäfte des Magistrats wurde der Polizeidirektor Back betraut, unter welchem das
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