Titel
Stralsund.
[* 2]
1) Regierungsbezirk der preuß. Provinz Pommern, [* 3] umfaßt Neuvorpommern und Rügen, grenzt im N. an die Ostsee, im S. an Mecklenburg, [* 4] ist eben mit geringer Anschwellung, meist recht fruchtbar mit Wiesen (Viehzucht), [* 5] Moorlagern, Buchten (Kubitzer und Greifswalder Bodden) und Strandseen (Saaler Bodden, Barther See und Grabow), hat 4010,32 qkm und (1895) 214405 (104325 männl., 110080 weibl.) E., 14 Städte mit 196,87 qkm und 93442 (44841 männl., 48601 weibl.) E., 188 Landgemeinden und 668 Gutsbezirke mit 3813,45 qkm und 120963 (59484 männl., 61479 weibl.) E. Dem Religionsbekenntnis nach waren 210005 Evangelische, 3838 Katholiken, 235 sonstige Christen und 322 Israeliten.
Der Regierungsbezirk zerfällt in 5 Kreise: [* 6]
Kreise | qkm | Wohnstätten | Einwohner | Evangelische | Katholiken | Israeliten |
---|---|---|---|---|---|---|
Rügen | 967,73 | 5548 | 46723 | 45956 | 750 | 17 |
StralsundStadtkreis |
19,33 | 1902 | 30097 | 28800 | 1074 | 109 |
Franzburg | 1101,82 | 5675 | 41041 | 40627 | 375 | 20 |
Greifswald | 962,52 | 6089 | 61278 | 59708 | 1323 | 146 |
Grimmen | 958,92 | 4118 | 35266 | 34914 | 316 | 30 |
Der Regierungsbezirk zerfällt in die zwei Reichstagswahlkreise
Rügen-Stralsund (Abgeordneter 1897:
Freiherr
von Langen, deutschkonservativ),
Grimmen-Greifswald (von Loesewitz,
Reichspartei). - 2)
Stadtkreis und Hauptstadt des Reg.-Bez.
S. sowie des ehemaligen Schwedisch-Pommern, liegt an dem 2,5 km breiten
Strelasunde oder Stralsunder
Fahrwasser, welches die
Insel
Rügen vom Festland scheidet, und an den Linien
Berlin-S. (224,1 km),
S.-Pasewalk-Angermünde (169,8 km), S.-Crampas-Saßnitz
(50,4 km) und der
Nebenlinie S.-Rostock (74,2 km) der
Preuß.
Staatsbahnen, [* 7] mit Damgarten (57,2 km) durch Kleinbahn verbunden, und bildet eine teils von der See, teils von großen Teichen umgebene Insel, die mit dem festen Lande durch drei Dämme verbunden ist. Diese natürliche Festigkeit [* 8] war früher noch durch ansehnliche Festungswerke verstärkt, die 1808 geschleift, 1816 aber wiederhergestellt wurden; seit 1873 ist S. als Festung [* 9] eingegangen, nur die zur Stadt gehörige, dicht neben der Frankenvorstadt im Sunde gelegene Insel Dänholm (bis ins 13. Jahrh. Strela oder Stralo geheißen) ist befestigt geblieben; sonst sind die Wälle zu öffentlichen Anlagen umgeschaffen worden. Die Stadt hat noch viele mit stattlichen Giebeln versehene Häuser, die ihr ein altertümliches Ansehen ¶
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geben. S. ist Sitz der Regierung, eines Amtsgerichts (Landgericht Greifswald), [* 11] Seeamts, Seemannsamts, einer Handelskammer, Reichsbankstelle, mehrerer Konsuln und eines Bezirkskommandos, und hat (1895) 30097 (14548 männl., 15549 weibl.) E., darunter 1074 Katholiken und 109 Israeliten, in Garnison Stab, [* 12] 1. und 2. Bataillon des Infanterieregiments Prinz Moritz von Anhalt-Dessau (5. pommersches) Nr. 42, Postamt erster Klasse mit Zweigstelle, Telegraphenamt erster Klasse, Fernsprecheinrichtung, ein Grabdenkmal (1859) Schills, ein Kriegerdenkmal, vier got. Hauptkirchen: die Marienkirche mit hohem Turm, [* 13] die Nikolaikirche, die Jakobi- und die Heilige Geistkirche, ein schönes Rathaus (13. und 14. Jahrh.) mit restaurierter Façade und dem Neuvorpommerschen Museum;
ferner ein Regierungsgebäude, Zeughaus (ursprünglich Klosterkirche) und Johanniskloster (jetzt großenteils Armenhaus).
Ferner bestehen ein Gymnasium (seit 1560, früher Kloster) mit Bibliothek und Münzsammlung, Realgymnasium, Navigationsschule, öffentliche (Rats-)Bibliothek, Wasserleitung, [* 14] Kanalisation, Gaswerk, Waisenhaus, Krankenhaus, [* 15] Taubstummen-, Provinzialirrenanstalt, Neuvorpommersche Privatbank, Kreditverein und Sparkasse, städtische Sparkasse, Signalstelle der Seewarte und Agenturen mehrerer Seeversicherungs- und Schiffsklassisizierungsgesellschaften. Es bestehen Fabriken für Spielkarten, Öl, Maschinen, elektrische Bogenlampen und Stärke, [* 16] Fischräuchereien und bedeutende Fischerei. [* 17]
Der Seehandel erstreckt sich besonders auf die Ausfuhr von Getreide,
[* 18] Malz und Zucker,
[* 19] und Einfuhr von Kohlen, Holz
[* 20] und Teer.
Der Hafen im Westen von der Stadt am Stralsunder
Fahrwasser oder Strelasund, von dem er durch Spundwände (Balkenwände)
und Quaimauern getrennt ist, ist durch sechs Einfahrten zugänglich und hat im nördl. Teile durchschnittlich 5 m, im südl.
Teile durchschnittlich 3 m Wassertiefe. Die Quaianlagen und Bollwerke sind 600 m lang. Die Reederei ist stark zurückgegangen,
wie an der Ostsee überhaupt. S. war Anfang 1897 Heimathafen von 89 Segelschiffen mit 4138 Registertons
netto und 5 Dampfern mit 469 Registertons. Es liefen 1896 ein 958 Seeschiffe mit 161897 Registertons, darunter 328 Dampfer mit 74282 Registertons;
es liefen aus 665 Seeschiffe mit 126824 Registertons, darunter 282 Dampfer mit 60708 Registertons. Im Küstenverkehr liefen
ein (aus) 4588 (3721) Segler mit 95543 (61251) und 517 (516) Dampfer mit 20358 Netto-Registertons Raumgehalt.
S. hat Personendampferverbindung mit Schweden
[* 21] (Saßnitz-Trelleborg), Barth, Stettin,
[* 22] Rostock,
[* 23] Lübeck
[* 24] und verschiedenen Orten
der Insel Rügen.
S. wurde 1209 von dem Fürsten Jaromar von Rügen gegründet, aber wiederholt zerstört. Als Mitglied der Hansa hob es sich zu hohem Wohlstande. 1370 wurde hier ein Friede zwischen der siegreichen Hansa und Waldemar IV. von Dänemark [* 25] geschlossen. Im Dreißigjährigen Kriege wurde die Stadt 13. Mai bis von Wallenstein vergeblich belagert. Im Westfälischen Frieden (1648) kam S. mit ganz Vorpommern und Rügen an Schweden. Nach einem heftigen Bombardement mußte sie sich im Okt. 1678 dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg [* 26] ergeben; doch wurde sie 1679 an Schweden zurückgegeben.
Auch im Nordischen Kriege wurde sie 1715 von den Verbündeten genommen, jedoch 1720 ebenfalls wieder an Schweden abgetreten. Bei dem Einfall der Franzosen in Schwedisch-Pommern wurde S. im Aug. 1807 von Marschall Brune belagert und zur Übergabe gezwungen. Am wurde die von Schills Freischaren besetzte Stadt von Dänen und Holländern erstürmt. Durch den Frieden zu Kiel [* 27] von 1814 kam S. nebst ganz Schwedisch-Pommern an Dänemark und von diesem durch den Vertrag vom an Preußen; [* 28] doch behielt es seine alte, sehr ausgebildete Verfassung und Verwaltung. Seit 1849 ist die städtische Gerichtsbarkeit aufgehoben.
Vgl. Zober, Geschichte der Belagerung S.s durch Wallenstein (Strals. 1828);
Stralsund
ische Chroniken, hg. von Mohnike und Zober
(2 Bde., ebd. 1833-34);
Brandenburg, Geschichte des Magistrats der Stadt S. (ebd. 1837);
Kruse, Geschichte der Stralsunder
Stadtverfassung (ebd. 1848);
Fabricius, Der Stadt S. Verfassung und Verwaltung (ebd. 1851);
Francke, Aus S.s Franzosenzeit (ebd. 1870);
ders.. Das Verfestungsbuch der Stadt S. (Halle [* 29] 1875);
Fock, Wallenstein und der Große Kurfürst vor S. (Lpz. 1872);
Lorenz, S., Plan und Fremdenführer (Strals. 1883);
Israel, Die Stadt S. (ebd. 1893).