Strafrechtstheorien,
s. Strafrecht, S. 363.
350 Wörter, 2'793 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
s. Strafrecht, S. 363.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Die Untersuchung der Frage nach Ursprung und Zweck der Strafe hat zur Aufstellung verschiedener S. geführt. Man unterscheidet: 1) Absolute Theorien (Rechtfertigung der Strafe aus ihrem Grunde). 2) Relative Theorien (Rechtfertigung der Strafe aus ihrem Zwecke). 3) Vereinigungstheorien (Rechtfertigung der Strafe aus Grund und Zweck). 1) Absolute S. Ihre hervorragendsten Vertreter sind Kant, Hegel und Herbart. Nach Kant ist das Strafgesetz ein kategorischer Imperativ, das einzig richtige Strafmaß das Wiedervergeltungsrecht. Nach Hegel ist Verbrechen die Negation des Rechts, Strafe die Negation der Negation des Rechts, also Position des Rechts, Wiederherstellung des Rechts. Neuere Vertreter dieser S. sind Berner, Hälschner; auf viele andere und bedeutende Strafrechtslehrer ist sie von erheblichem Einfluß gewesen. Hierher gehört auch die Strafrechtstheorie, welche die Strafe unmittelbar von Gott ableitet, ihre Vollziehung als Vollziehung eines göttlichen Befehles auffaßt (Friedr. Jul. Stahl, s. d.). - 2) Relative S.: Abschreckung; die alte Theorie der Abschreckung oder Generalprävention rechtfertigt die Strafvollstreckung durch den Schrecken, welcher dadurch den andern vor Verübung von Verbrechen eingeflößt wird; während Feuerbach mit seiner Theorie des psychol. Zwangs und Bauer mit seiner Warnungstheorie das Strafgesetz mit seiner Androhung der Strafe, die natürlich dann auch vollstreckt werden muß, wenn die bloße Androhung nichts geholfen hat, abschreckend wirken läßt. Die Specialpräventionstheorie rechtfertigt den Strafvollzug damit, daß der Verbrecher entweder dadurch an weiterer Verübung von Verbrechen thatsächlich (durch die Todesstrafe, Einsperrung u. s. w.) verhindert oder von weiterer Begehung von Verbrechen abgeschreckt wird. Dasselbe Resultat will die Besserungstheorie durch die sittliche Erziehung des Verbrechers mittels der Strafvollstreckung erreichen. 3) Vereinigungstheorien. Sie haben unter den jüngern Kriminalisten viele Anhänger. Man geht davon aus, daß mit der Aufstellung einer bestimmten Strafrechtstheorie etwas Greifbares für die Lösung der fragwürdigen Probleme heutigen Rechtslebens nicht zu gewinnen ist (Mittelstadt). Die Strafe soll den Bedingungen, aus denen das Verbrechen entsprang, nach Möglichkeit angepaßt sein. Danach wird, je nach Lage des Einzelfalles, dieser oder jener Strafzweck (Abschreckung, Warnung, Besserung, Unschädlichmachen) in den Vordergrund treten. Insbesondere ist es die beabsichtigte Wirkung auf den Verbrecher (Gelegenheitsverbrecher, Gewohnheitsverbrecher), welche Inhalt und Umfang der Strafe bestimmt. (S. auch Kriminalanthropologie und Internationale kriminalistische Vereinigung.) - Litteratur s. Strafrecht.