Strafanstalten
,
Gefangenhäuser, Gefängnisse. Die modernen Anschauungen über das Gefängniswesen (s. d.) haben einen vollständigen Wandel im Bau der S. hervorgerufen. Während im Mittelalter und bis in das 18. Jahrh. hinein die Aufmerksamkeit allein darauf gelenkt wurde, die Gefangenen am Entweichen zu verhindern, fordert die jetzt allgemeine Rücksicht auf ihre gesundheitliche und geistige Lage besondere Vorkehrungen im Bauwesen. Die Türme des Mittelalters hatten ihren Eingang meist mehrere Meter über dem Boden, so daß man sie über beim Angriffe leicht abzubrechende Brücken [* 2] betreten mußte. So entstand im Erdgeschoß ein fenster- und thürloser überwölbter Raum, in den die Gefangenen von oben hereingelassen wurden (Verließ). (Vgl. A. Schultz, Höfisches Leben, 2. Aufl., Lpz. 1889.) Im 17. und 18. Jahrh. benutzte man vorzugsweise die Kasematten (s. d.) der Festungen zu S. Die ersten für ihren Zweck eigens erbauten S. dürften jenes unter Maria Theresia zu Gent [* 3] (1771) errichtete und Newgate Prison in London [* 4] (1770‒82 von G. Dance) sein.
Jetzt sind alle
Staaten gleichmäßig bestrebt, die S. aus den alten Schlössern, die man zu ihrer Unterbringung oft benutzte,
in zweckmäßige Neubauten zu verlegen. Die Grundsätze für diese legte 1883 der
Verein der deutschen
Strafansta
ltsbeamten fest. Es handelt sich hierbei um billige und praktische Herstellung der S., damit die Kosten der
Erhaltung
und Überwachung thunlichst herabgemindert werden.
Allgemein ist man für größere Anstalten zum Strahlensystem gekommen;
in diesem fügen sich mehrere (bis zu 6) langgestreckte
Arme um einen mittlern domartigen Raum (Panoptikon).
Jeder Arm hat an den Außenseiten Zellen in mehrern Stockwerken übereinander, in der Mitte aber eine durch das ganze Gebäude reichende Halle. [* 5] Zu den Zellenthüren führen eiserne balkonartige Umgänge. Somit wird bewirkt, daß der wachhabende Beamte vom Panoptikon aus alle Thüren (oft deren 4‒500) übersehen kann. Die Größe einer Zelle [* 6] setzen die Grundsätze auf 16 cbm fest, in der Praxis wird diese aber meist erheblich überschritten. Die Anlage der Fenster, Heizungen, Reinigungsvorrichtungen, Aborte bedarf in S. besonderer Vorsicht, ebenso die Anlage von Plätzen zur Erholung in freier Luft und von Kapellen, da überall auf das System der Strafvollziehung Rücksicht zu nehmen ist. –
Vgl. von Pettenkofer und von Ziemssen, Handbuch der Hygieine und Gewerbekrankheiten, Tl. 2, Abteil. 2 (Lpz. 1882);
Ch. H. Boehme, Grundzüge der Gefängniswissenschaft (Weiden 1879);
Handbuch der Architektur, Tl. 4, 7. Halbband (Darmst. 1887).