Strættligen,
Strættlingen oder Strætlingen (Kt. Bern, Amtsbez. Thun). 655 m. Gem. und ehemalige Burg am linken Ufer und untern Ende des Thunersees; 1,5 km sö. der Station Gwatt der Linie Thun-Interlaken. Zusammen mit Almendingen, Lontschenen, Buchholz, Almendbletz, Dürrenast, Thalacker, Gwatt, Gwattegg, Strättlighügel, Scherzligen, Schadau, Schoren, Hohliebe, Winkel und Viehweide: 307 Häuser, 3058 meist reform. Ew. Kirchgemeinde Thun. Landwirtschaft und Kleingewerbe. Viele Bewohner sind als Arbeiter in den eidg. Werkstätten in Thun beschäftigt. Schulhäuser in Almendingen, Dürrenast und Schoren. Dreiklassige Sekundarschule. Burg auf dem Strättlighügel links über der Kanderschlucht, sowie das am Fusse des Hügels gelegene Dorf Gwatt, die Ebene von Thun und den See beherrschend. Sie besteht aus einem wohlerhaltenen viereckigen, weithin sichtbaren Turm und einer Umfassungsmauer. Von den übrigen Gebäulichkeiten sind nur noch die Fundamente erhalten. Am N.-Fuss der Burg ein moderner Landsitz mit Anlagen. Nach S. bricht der Burghügel sehr steil zum Glütschbachthal ab. Nach einigen Forschern soll der «Strättligturm», wie man die Burg im Volksmunde nennt, nur eine Warte gewesen sein, während das alte Stammschloss des bekannten Geschlechtes derer von Strättligen gegenüber auf einem waldbedeckten Felsenhügel des Zwieselberges gestanden haben soll, wo sich noch Reste eines Gemäuers und Spuren eines Grabens vorfinden. Der Ursprung der Burg Strättligen und ihrer
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Herren liegt vollständig im Dunkeln. Die von einem ehemaligen Pfarrer der benachbarten Kirche von Einigen, Eulogius Kiburger († 1506), verfasste Strättlinger Chronik berichtet, dass schon 223 ein Graf Arnold von Strättligen die Kirche zum Paradies in Einigen gestiftet habe. Die selbe Chronik lässt einen Rudolf von Strättligen 933 zum König eines nicht genannten Reiches gewählt werden, bezeichnet ihn als Gemahl der Königin Bertha und nennt dieses Ehepaar als Stifter von zwölf Töchterkirchen des Gotteshauses von Einigen, sowie der nahen Propstei Amsoldingen. An diesen fabelhaften Berichten mag nur das Eine auf Wahrheit beruhen, dass das wahrscheinlich als Gründung der Strättliger entstandene Gotteshaus von Einigen eine der ältesten Kultstätten des Oberlandes ist und dass diese Gegend von Spiez bis Strättligen unzweifelhaft schon im ersten Jahrtausend der Sitz einer gewissen Kultur war. Die alte Herrschaft Strättligen reichte von Wattenwil bis nach Leissigen, muss aber schon früh in Zerfall gekommen sein. Sie umfasste Spiez, die gegenwärtige Gemeinde Strättligen, Thierachern, Forst, Pohleren und Blumenstein. Wahrscheinlich gehörten die Strättliger zu den oberländischen Dynasten, deren Macht am Ende des 12. Jahrhunderts durch Berthold von Zähringen gebrochen wurde. Ein Heinrich von Strättligen wird 1175 genannt. Ein Rudolf von Strättligen vergabte das Patronat der Kirche von Obergurzelen dem Kloster Interlaken, ein Johann 1330 dasjenige von Leissigen dem nämlichen Stifte und 1338 das Schloss Spiez an Johann von Bubenberg. Ein Heinrich von Strättligen, entweder Heinrich II. (1250-1262) oder sein Sohn Heinrich III., war Minnesänger, von welchem drei Lieder erhalten geblieben sind. Die Familie, von der ein Zweig Ende des 13. Jahrhunderts nach England übersiedelte, starb nach 1350 aus. Die Burg Strättligen mit Thierachern und Wattenwil gelangte um diese Zeit an das Haus Burgistein und kam von diesem erbsweise an die Edlen Mönch von Mönchenstein, 1466 an die Bubenberg und von diesen an die May, welche 1594 die Herrschaft der Stadt Bern verkauften. Die Burg Strättligen mit der gegenwärtigen Gemeinde gleichen Namens kam an das Amt Thun und dann 1662 an das Amt Oberhofen, bis im Jahr 1803 Oberhofen und Strättligen neuerdings dem Amt Thun angegliedert wurden. Das Wappen der Herrn von Strättligen, im roten Felde ein schräg rechts gestellter goldener Pfeil, befindet sich auf der Wappentafel der Kirche von Spiez, sowie in zwei Glasgemälden der Kirche von Blumenstein. Einzelfunde aus der Bronzezeit in Almendingen und Gwatt; am Renzenbühl bei Buchholz hat man sehr interessante Gräber aus der Bronze- und La Tènezeit aufgedeckt. Die bronzezeitlichen Gräber enthielten u. a. ein Bronzebeil mit inkrustierten Goldplättchen und einen dreieckigen italischen Bronzedolch mit massivem Griff (gleich den Funden von Ringoldswil). In den La Tènegräbern kamen zahlreiche Schmuckringe zum Vorschein. Römersiedelung in Almendingen. Nahe dem Burgturm ein Grab aus der ersten Germanenzeit mit eisernem Dolch und einer Gürtelschnalle. Der die Häuser von Strättligen tragende Hügel, der das ehemalige Kanderthal vom Thunersee trennt, besteht ausschliesslich aus Moränenmaterial. Durch diesen Hügel wurde 1711-1714 der Stollen gegraben, der die Kander in den Thunersee ableiten sollte und seither durch die rasche Erosion dieses Flusses zur heutigen Schlucht umgewandelt worden ist. 763: Scartilinga; 1175 und 1220: Stretelingen. Vergl. Baechtold, J. Die Strätlingerchronik. Frauenfeld 1877. - Mülinen, W. F. von. Die Herren von Strätlingen (in der Festgabe der Allgemeinen Geschichtsforschenden Gesellschaft der Schweiz; dargeboten vom Historischen Verein des Kantons Bern). Bern 1905.