Stoffwanderung
in der Pflanze, alle Vorgänge, die sich bei der Fortleitung des Wassers und der in ihm gelösten Bestandteile, der Kohlehydrate, der Eiweißstoffe, der öl- oder harzartigen und anderer im Ernährungsprozeß eine gewisse Rolle spielender Körper abspielen. In jeder Pflanze, wobei nur die niedern einzelligen oder aus Zellkolonien bestehenden Kryptogamen ausgeschlossen sind, wird eine Fortleitung von Stoffen notwendig, da die Aufnahme des Nährmaterials in der Regel an anderm Orte geschieht als dessen weitere Verarbeitung oder teilweise Wiederausscheidung.
Schon bei den höhern Thallophyten lassen sich gewisse Organe zur Aufnahme des Wassers oder anderer Nährstoffe unterscheiden, so die Haustorien der parasitischen Pilze, [* 2] die Rhizinen der Flechten. [* 3] Von diesen wandern die dem Substrat entnommenen Stoffe in die übrigen Organe, die zur vegetativen Vergrößerung oder zur Fortpflanzung dienen. Bei vielen höhern Algen, [* 4] z. B. bei den Rhodophyceen, lassen sich deutlich zwei Formen von Zellen erkennen, von denen die einen reichlich mit Chlorophyll oder einem ähnlichen Farbstoff und außerdem mit Stärke [* 5] oder dergleichen erfüllt sind, während die andern vorzugsweise oder ausschließlich eiweißartige Stoffe enthalten, die von Zelle [* 6] zu Zelle nach dem Orte ihres Verbrauchs transportiert werden.
Noch viel mehr tritt ein solcher Unterschied der einzelnen Gewebe [* 7] schon in den Moosen auf, bei denen das aus dem Substrat mittels der Rhizoiden entnommene Wasser nebst den darin gelösten anorganischen Bestandteilen schon auf weitere Strecken hin bis zur Spitze des Moosstämmchens und andererseits die in den grünen Teilen besonders in den Blattorganen gebildete Stärke nach unten wie nach oben zu den Spitzen der fortwachsenden Zweige und Rhizoiden geleitet werden muß.
In weit ausgedehnterm Maße findet die Teilung der Arbeit zwischen einzelnen Gewebesystemen in betreff ihrer Funktionen für die S. naturgemäß in den Gefäßkryptogamen und Phanerogamen statt. Die Aufnahme der Nährstoffe erfolgt bei diesen Gewächsen, mit Ausnahme der untergetauchten wurzellosen Wasserpflanzen, [* 8] einerseits durch Wurzeln oder wurzelähnliche Organe, Rhizome, Haustorien u. dgl., und andererseits in den oberirdischen chlorophyllführenden Organen.
Nur bei den chlorophyllfreien Gewächsen, echten Parasiten oder Saprophyten, werden sämtliche Nährstoffe aus dem Substrat entnommen, denn bei diesen ist eine Assimilation (s. d.) ausgeschlossen. Die Leitung der einzelnen Stoffe erfolgt bei den höhern Gewächsen in erster Linie durch die Gefäßbündel [* 9] (s. d.). Diese, die ein zusammenhängendes System in der ganzen Pflanze bilden, gehen in ihren feinsten Auszweigungen bis zu den Orten, wo Aufnahme und Verarbeitung der Nährstoffe stattfinden. Die Fortführung der Stoffe innerhalb der Gefäßbündel kann im wesentlichen auf zweierlei Weise erfolgen, nämlich durch Massenbewegung in offenen Bahnen oder durch Diosmose von Zelle zu Zelle. Die erstere Art der Leitung findet z. B. in den eigentlichen Gefäßen, die letztere dagegen in den geschlossenen, noch mit Protoplasmaschlauch versehenen Zellen, z. B. in denen des Holzparenchyms (s. d.), statt.
Über den Mechanismus der S. hat man noch wenig klare Anschauungen. Zwar ist es nicht mit Schwierigkeiten verbunden, z. B. die Leitung des Wassers in krautartigen oder niedern strauchartigen Gewächsen zu erklären, da sowohl der Wurzeldruck (s. d.) als auch die durch die Verdunstung entstehende Saugkraft vollkommen ausreichen, um die Wanderung des Wassers von den Wurzelspitzen bis zu den äußersten Blättern zu ermöglichen; aber die Leitung des Wassers in den hohen baumartigen Formen, besonders solchen, die eine Höhe von mehr als 10 m erreichen, hat bisher noch keine endgültige Erklärung finden können.
Wurzeldruck und Saugkraft reichen nicht aus, um das Steigen des Wassers bis in die Spitzen der Bäume zu veranlassen, ebenso wenig kann die Kapillarität, die vielfach zur Erklärung beigezogen wurde, ohne Mitwirkung anderer Kräfte jenen Transport des Wassers ermöglichen. Auch die Imbibition (s. d.) reicht nicht hin, um in kurzer Zeit große Mengen von Wasser auf weitere Strecken in die Höhe zu führen, wie dies bei den großen Transspirationsverlusten, die ein hoher Baum mit reich belaubter Krone erfährt, nötig wäre. Am wahrscheinlichsten ist es, daß Kapillarität in den toten Hohlräumen, wie Gefäßen und Tracheiden, in ¶
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Verbindung mit Druckkräften, die aus der osmotischen Thätigkeit der jene Elemente regelmäßig begleitenden lebenden Parenchymzellen resultieren, die Fortführung des Wassers bis zu den Spitzen der höchsten Bäume bewirken; doch ist auch für diese Annahme ein exakter Beweis bisher noch nicht erbracht worden. Noch weniger wie über die Leitung des Wassers und der in ihm gelösten Substanzen weiß man über die Wanderung der Eiweißstoffe. Es ist zwar mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß dieselbe hauptsächlich in den Siebröhren [* 11] vor sich geht, aber durch welche Kräfte die Fortführung bewirkt wird, ist noch gänzlich unbekannt.
Am besten ist man über die Wanderung der Kohlehydrate unterrichtet; diese erfolgt immer auf diosmotischem Wege, indem zunächst aus den Palissadenzellen der Blattorgane die dort gebildete Stärke in die Zellen des Schwammparenchyms oder direkt in die parenchymatischen Partien der Gefaßbündel übergeht, um von hier aus an alle diejenigen Orte transportiert zu werden, wo entweder Bildung neuer Zellen oder Aufspeicherung von Reservestoffen stattfindet. Da die Stärke als solche wegen ihrer Unlöslichkeit nicht auf diosmotischem Wege von Zelle zu Zelle fortgeleitet werden kann, so muß dieselbe in eine lösliche Verbindung umgewandelt werden, und diese letztere dürfte in der Regel wohl eine Zuckerart und zwar Glykose sein. Was schließlich die S. in Milchsaftröhren, Harzgängen, Gummigängen u. s. w. anbetrifft, so ist sicher, daß in allen diesen Gebilden eine oft ziemlich lebhafte Bewegung der Inhaltsstoffe stattfindet, aber die Ursachen dieser Bewegung sind noch unbekannt. (S. auch Ernährung der Pflanze.)