Beide
Geschlechter ähneln sich täuschend. Der S. findet sich fast in ganz
Europa,
[* 6] auf den Kanaren,
Madeira,
[* 7] in Nordwestafrika, weitverbreitet in
Asien,
[* 8] verwildert auf
Cuba, überall in baum- und obstreichen Gegenden. Im
Herbst zieht
er in
Scharen weit umher, und im
Winter trifft man ihn in kleinern Trupps. Er ist hauptsächlich
Baum-, aber
nicht eigentlich Waldvogel, sehr lebhaft und gewandt, fliegt leicht und schnell, klettert wie eine
Meise, nährt sich von
allerlei
Samen,
[* 9] besonders von
Birken,
Erlen,
Disteln, frißt auch viele
Kerbtiere, nistet auf
Bäumen und legt im Mai 4-5 weiße
oder blaugrünliche, sparsam violettgrau punktierte, am stumpfen Ende kranzartig gezeichnete
Eier,
[* 10] welche
das Weibchen 13-14
Tage bebrütet. Wegen seines anmutigen
Gesangs wird er viel in der Gefangenschaft gehalten; er erzeugt leicht
mit dem
Kanarienvogel eigentümlich gefärbte
Bastarde.
2)
Heinrich, Dichter, geb. zu
Arolsen, studierte in
Göttingen
[* 14] und
Leipzig,
[* 15] ward 1828 in
Berlin
[* 16] Gymnasiallehrer und
Kustos an der königlichen
Bibliothek und verheiratete sich in demselben Jahr mit
CharlotteSophie Willhöft (geb. 1806 zu
Hamburg).
[* 17] Ein Nervenleiden veranlaßte ihn jedoch bald, seine
Stellen niederzulegen; eine
Reise nach
Petersburg hatte
nicht den gewünschten Erfolg der
Heilung. Ein anempfindendes
Talent, dem
Stärke
[* 18] und
Konzentration fehlten, fühlte S. diesen
Mangel aufs tiefste; die Sehnsucht nach
einer höchsten Leistung erfüllte und verzehrte ihn krankhaft.
Seine schwärmerische
Gattin nährte den unseligen
Gedanken, daß ein großer
Schmerz den Geliebten zum
ganzen Mann und Dichter reifen würde, und gab sich deshalb durch einen Dolchstich den
Tod (vgl.
Mundt,
CharlotteS., ein Denkmal, Berl. 1835). Die That dieser opferfreudigen Verirrung konnte indessen den
geträumten Erfolg nicht haben, S. brach beinahe völlig zusammen. Er lebte fortan meist zu
Venedig
[* 19] und
starb daselbst an der
Cholera. Seine bedeutendsten dichterischen
Arbeiten sind: »Bilder des
Orients« (Leipz. 1831-33, 4 Bde.)
mit der
Tragödie
»SultanSelim III.«
Ihnen schließen sich die
»Stimmen der Zeit in Liedern« (2. Aufl., Leipz. 1834) an.
Von seinen spätern Leistungen sind nur die »Bergesgrüße«
(Münch. 1839) hervorzuheben.
Vgl. die von H. Curtze herausgegebenen
Schriften: »H.
S., eine Selbstbiographie« (Gotha
[* 20] 1865),
Distelfink oder Distelzeisig (Fringilla carduëlisL. s CardueliselegansSteph., s. Tafel:
Mitteleuropäische Singvögel I,
[* 21]
Fig. 8, beim ArtikelSingvögel), ein zur Familie der Finken gehöriger, sehr bunter Singvogel,
der in ganz Europa, aber auch in Syrien, Mittelasien, Sibirien und Nordafrika vorkommt und sich bis zu den Antillen verbreitet
hat. Er wandert fast gar nicht, sondern überwintert, teils ist er Strichvogel, aber gegen Kälte nicht
empfindlich.
Zur Nahrung dienen ihm ölhaltige Samen, besonders die Samen der Disteln und Karden. Das Nest wird auf Bäumen und zwar sehr
künstlich gebaut. Das Weibchen legt jährlich zwei- bis dreimal vier bis fünf meergrüne, blaßrot gefleckte
oder mit dunkelbraunen Punkten kranzförmig gezeichnete Eier (s. Tafel: Eier mitteleuropäischer Singvögel,
[* 21]
Fig. 25, Bd. 17).
Der erwachsene Vogel ist auf dem Rücken graubraun, Scheitel und Nackenbinde sind schwarz, Kehle und Stirn blutrot, die Schwing-
und Steuerfedern an der Spitze weiß und über die Schwingen zieht eine goldgelbe Binde. Das Männchen
singt laut und angenehm und wird deshalb, wie seiner schönen Färbung wegen als Zimmervogel in Käfigen gehalten. Das Weibchen
ist von ihm kaum zu unterscheiden. In der Gefangenschaft erzeugen die S. mit Canarienvögeln schön gezeichnete Bastarde; in
neuester Zeit wird der S. auch an sich gezüchtet.
Heinr.,
Dichter, geb. von jüd.
Eltern zu Arolsen, studierte seit 1820 in Göttingen, war durch polit. Gründe genötigt, nach Leipzig zu gehen, wo er sich
der Philologie widmete, und wurde 1828 in Berlin als Kustos der Bibliothek und Gymnasiallehrer angestellt. 1828 vermählte er
sich mit Charlotte Sophie S., geborene Willhöft (geb. zu Hamburg). Unzufrieden mit seinen Ämtern,
legte S. diese nieder und bereiste 1833 einen Teil von Rußland, ohne daß sich jedoch seine Gemütsstimmung besserte, die
unter dem dunkeln Gefühl seiner künstlerischen Schwäche litt.
In der Hoffnung, daß ein tiefer Schmerz heilend und kräftigend auf S.' Gemüt einwirken werde, gab sich seine
krankhaft überreizte Gattin den Tod. Mundt sammelte ihre Briefe, Tagebuchblätter u. s. w. unter dem Titel «Charlotte S., ein
Denkmal» (Berl. 1835),
wie denn das junge Deutschland (Gutzkow in der «Wally») diesen Selbstmord tendenziös
aufbauschte. Natürlich hatte Charlottes That nicht den beabsichtigten Erfolg. S. verließ Berlin, lebte
in München,
[* 22] ging dann nach Rom und
[* 23] endlich nach Venedig, wo er eine gewisse polit. Rolle spielte und an der Cholera
starb. S.' Talent und Charakter waren nicht bedeutend, wenn auch die Gabe farbenüppiger Stimmungsmalerei darüber zeitweilig
hinwegtäuschen konnte. Am kräftigsten offenbart sich sein dichterischer Geist in den «Bildern des Orients»
(4 Bde., Lpz. 1831-33; auch in Meyers«Volksbüchern», ebd. 1888),
worin sich auch mehrere dramat. Arbeiten, darunter die Tragödie«SultanSelim III.» befinden. Auch die «Stimmen der Zeit in Liedern» (Lpz. 1833) enthalten in gewandter Form begeisterte
Worte. Seine lyrische Tragödie «Das Dionysosfest» (Berl.
1836) ist anziehend durch die Tendenz, den Sieg einer jungen gärenden Zeit über eine geistig abgelebte Reaktion zu feiern.
Ferner sind zu nennen: «Gruß an Berlin, ein Zukunftstraum» (Lpz. 1838),
«Bergesgrüße aus dem salzburg., tirol. und bayr.
Gebirge» (Münch. 1839),