(Distelfink, Goldfink, Jupitersfink, Fringilla [Carduelis] elegans Cuv.), Sperlingsvogel aus der Gattung Fink, 13 cm
lang, 22 cm breit, mit langem, kegelförmigem, an der dünnen Spitze etwas gebogenem Schnabel, spitzigen Flügeln, mittellangem
Schwanz, kurzen, starken, langzehigen, mit wenig gebogenen Nägeln bewehrten Füßen und sehr buntem Gefieder.
Den Schnabel umgibt ein schwarzer und diesen ein breiter, karminroter Kreis; der Hinterkopf ist schwarz, die Wangen und der
Unterkörper sind weiß, der Rücken ist braun; Flügel und Schwanz sind schwarz mit weißem Spiegel, die Schwingen an der Wurzelhälfte
goldgelb.
Beide Geschlechter ähneln sich täuschend. Der S. findet sich fast in ganz Europa, auf den Kanaren, Madeira,
in Nordwestafrika, weitverbreitet in Asien, verwildert auf Cuba, überall in baum- und obstreichen Gegenden. Im Herbst zieht
er in Scharen weit umher, und im Winter trifft man ihn in kleinern Trupps. Er ist hauptsächlich Baum-, aber
nicht eigentlich Waldvogel, sehr lebhaft und gewandt, fliegt leicht und schnell, klettert wie eine Meise, nährt sich von
allerlei Samen, besonders von Birken, Erlen, Disteln, frißt auch viele Kerbtiere, nistet auf Bäumen und legt im Mai 4-5 weiße
oder blaugrünliche, sparsam violettgrau punktierte, am stumpfen Ende kranzartig gezeichnete Eier, welche
das Weibchen 13-14 Tage bebrütet. Wegen seines anmutigen Gesangs wird er viel in der Gefangenschaft gehalten; er erzeugt leicht
mit dem Kanarienvogel eigentümlich gefärbte Bastarde.
1) Ludwig, Baron von, Gründer des berühmten Handels- und Wechselhauses seines Namens in Petersburg, geb. 1778 zu
Arolsen, ging früh nach Rußland, erwarb sich dort durch sein kommerzielles Genie und seine rastlose Thätigkeit
ein bedeutendes Vermögen, übte auf Rußlands Handel und Industrie einen weitgreifenden förderlichen Einfluß aus und war an
allen größern Kredit- und Finanzoperationen der russischen Regierung beteiligt. Seiner Bemühung hauptsächlich verdankt Rußland
unter anderm die Einführung der Dampfschiffahrt zwischen Petersburg und Lübeck. Dabei war sein Haus in
Petersburg der Sammelplatz der geistreichsten Notabilitäten. Der Kaiser ernannte ihn 1825 zum Reichsbaron. Er starb 18. März 1843 in
Petersburg. Nach seinem Tod führte sein Sohn Alexander das Geschäft fort und wahrte ihm als tüchtiger Finanzmann seinen alten
Ruhm, doch löste er 1863 die Firma auf. Er starb 24. Okt. 1884.
2) Heinrich, Dichter, geb. 22. Febr. 1803 zu Arolsen, studierte in Göttingen und Leipzig, ward 1828 in Berlin Gymnasiallehrer und
Kustos an der königlichen Bibliothek und verheiratete sich in demselben Jahr mit Charlotte Sophie Willhöft (geb. 1806 zu Hamburg).
Ein Nervenleiden veranlaßte ihn jedoch bald, seine Stellen niederzulegen; eine Reise nach Petersburg hatte
nicht den gewünschten Erfolg der Heilung. Ein anempfindendes Talent, dem Stärke und Konzentration fehlten, fühlte S. diesen
Mangel aufs tiefste; die Sehnsucht nach
einer höchsten Leistung erfüllte und verzehrte ihn krankhaft.
Seine schwärmerische Gattin nährte den unseligen Gedanken, daß ein großer Schmerz den Geliebten zum
ganzen Mann und Dichter reifen würde, und gab sich deshalb 29. Dez. 1834 durch einen Dolchstich den Tod (vgl. Mundt, Charlotte
S., ein Denkmal, Berl. 1835). Die That dieser opferfreudigen Verirrung konnte indessen den
geträumten Erfolg nicht haben, S. brach beinahe völlig zusammen. Er lebte fortan meist zu Venedig und
starb daselbst 24. Aug. 1849 an der Cholera. Seine bedeutendsten dichterischen Arbeiten sind: »Bilder des Orients« (Leipz. 1831-33, 4 Bde.)
mit der Tragödie »Sultan Selim III.« Ihnen schließen sich die »Stimmen der Zeit in Liedern« (2. Aufl., Leipz. 1834) an.
Von seinen spätern Leistungen sind nur die »Bergesgrüße«
(Münch. 1839) hervorzuheben.
Vgl. die von H. Curtze herausgegebenen Schriften: »H. S., eine Selbstbiographie« (Gotha 1865),
»Briefe von S. an seine Braut Charlotte« (Leipz. 1859, 2 Bde.)
und »Erinnerungen an Charlotte« (Marb. 1865).
Distelfink oder Distelzeisig (Fringilla carduëlis L. s Carduelis elegans Steph., s. Tafel:
Mitteleuropäische Singvögel I,
Fig. 8, beim Artikel Singvögel), ein zur Familie der Finken gehöriger, sehr bunter Singvogel,
der in ganz Europa, aber auch in Syrien, Mittelasien, Sibirien und Nordafrika vorkommt und sich bis zu den Antillen verbreitet
hat. Er wandert fast gar nicht, sondern überwintert, teils ist er Strichvogel, aber gegen Kälte nicht
empfindlich.
Zur Nahrung dienen ihm ölhaltige Samen, besonders die Samen der Disteln und Karden. Das Nest wird auf Bäumen und zwar sehr
künstlich gebaut. Das Weibchen legt jährlich zwei- bis dreimal vier bis fünf meergrüne, blaßrot gefleckte
oder mit dunkelbraunen Punkten kranzförmig gezeichnete Eier (s. Tafel: Eier mitteleuropäischer Singvögel,
Fig. 25, Bd. 17).
Der erwachsene Vogel ist auf dem Rücken graubraun, Scheitel und Nackenbinde sind schwarz, Kehle und Stirn blutrot, die Schwing-
und Steuerfedern an der Spitze weiß und über die Schwingen zieht eine goldgelbe Binde. Das Männchen
singt laut und angenehm und wird deshalb, wie seiner schönen Färbung wegen als Zimmervogel in Käfigen gehalten. Das Weibchen
ist von ihm kaum zu unterscheiden. In der Gefangenschaft erzeugen die S. mit Canarienvögeln schön gezeichnete Bastarde; in
neuester Zeit wird der S. auch an sich gezüchtet.
Heinr.,
Dichter, geb. 22. Febr. 1801 von jüd.
Eltern zu Arolsen, studierte seit 1820 in Göttingen, war durch polit. Gründe genötigt, nach Leipzig zu gehen, wo er sich
der Philologie widmete, und wurde 1828 in Berlin als Kustos der Bibliothek und Gymnasiallehrer angestellt. 1828 vermählte er
sich mit Charlotte Sophie S., geborene Willhöft (geb. 18. Juni 1806 zu Hamburg). Unzufrieden mit seinen Ämtern,
legte S. diese nieder und bereiste 1833 einen Teil von Rußland, ohne daß sich jedoch seine Gemütsstimmung besserte, die
unter dem dunkeln Gefühl seiner künstlerischen Schwäche litt.
In der Hoffnung, daß ein tiefer Schmerz heilend und kräftigend auf S.' Gemüt einwirken werde, gab sich 29. Dez. 1834 seine
krankhaft überreizte Gattin den Tod. Mundt sammelte ihre Briefe, Tagebuchblätter u. s. w. unter dem Titel «Charlotte S., ein
Denkmal» (Berl. 1835),
wie denn das junge Deutschland (Gutzkow in der «Wally») diesen Selbstmord tendenziös
aufbauschte. Natürlich hatte Charlottes That nicht den beabsichtigten Erfolg. S. verließ Berlin, lebte
in München, ging dann nach Rom und endlich nach Venedig, wo er eine gewisse polit. Rolle spielte und 23. Aug. 1849 an der Cholera
starb. S.' Talent und Charakter waren nicht bedeutend, wenn auch die Gabe farbenüppiger Stimmungsmalerei darüber zeitweilig
hinwegtäuschen konnte. Am kräftigsten offenbart sich sein dichterischer Geist in den «Bildern des Orients»
(4 Bde., Lpz. 1831-33; auch in Meyers «Volksbüchern», ebd. 1888),
worin sich auch mehrere dramat. Arbeiten, darunter die Tragödie
«Sultan Selim III.» befinden. Auch die «Stimmen der Zeit in Liedern» (Lpz. 1833) enthalten in gewandter Form begeisterte
Worte. Seine lyrische Tragödie «Das Dionysosfest» (Berl.
1836) ist anziehend durch die Tendenz, den Sieg einer jungen gärenden Zeit über eine geistig abgelebte Reaktion zu feiern.
Ferner sind zu nennen: «Gruß an Berlin, ein Zukunftstraum» (Lpz. 1838),
«Bergesgrüße aus dem salzburg., tirol. und bayr.
Gebirge» (Münch. 1839),
«Ein Besuch auf Montenegro» (Stuttg. 1841),
«Istrien und Dalmatien» (ebd. 1845),
«Erinnerungen an Rom» (Lpz. 1848). -
Vgl. L. Curtze, Briefe von S. an seine Braut Charlotte (2 Bde., Lpz.
1859);
Kurzer Briefwechsel zwischen Fr. Jacobs und Heinrich S. (ebd. 1863);
ferner S.' Selbstbiographie (Gotha 1865).