Sternschnuppen
,
diejenigen Meteore (s. d.), die einem fortschießenden oder herabfallenden Stern ähnlich sehen. In Gestalt eines mehr oder weniger hellen Sterns erscheint plötzlich ein Lichtpunkt am Himmel, [* 2] der sich über einen Teil desselben in nahezu geradliniger Bahn fortbewegt und dann entweder plötzlich verschwindet oder allmählich beim Verschwinden an Helligkeit abnimmt. Bisweilen bleibt auf der Bahn ein mehrere Sekunden andauernder Lichtstreifen sichtbar.
Einzelne, dann als Feuerkugeln (s. d.) bezeichnete S. sind von außerordentlicher Helligkeit und Größe. In beträchtlicher Anzahl sind S. auch auf die Erde herabgefallen und als metallische oder steinige Massen, Aerolithen oder Meteorsteine [* 3] (s. d.) genannt, aufgefunden worden. Die Höhe, in der S. sichtbar werden, ist durch gleichzeitige Beobachtungen an zwei verschiedenen Orten (zuerst von Benzenberg und Brandes angestellt) zu durchschnittlich 100-120 km bestimmt worden; größere Höhen als 160 km dürften kaum vorkommen.
Die Geschwindigkeit ihrer Bewegung beträgt zwischen 20 und 70 km in der Sekunde. Soweit eine Untersuchung ihres Spektrums möglich war, ergab sich dasselbe im allgemeinen als ein kontinuierliches, von hellen Linien durchsetztes, was auf die gleichzeitige Anwesenheit glühender Gase und [* 4] glühender fester oder flüssiger Körper hinweist. Vereinzelte oder sporadische S. kann man in jeder Nacht sehen und zwar werden deren am nämlichen Orte durchschnittlich fünf in der Stunde gesehen; indessen ist die Häufigkeit dieser nach Tages- und Jahreszeit verschieden.
Schwache S. erscheinen am häufigsten; ganz schwache teleskopische, d. h. nur im Fernrohr [* 5] wahrnehmbare S. sind wahrscheinlich in außerordentlicher Menge vorhanden. In gewissen Zeiten nehmen die S. außerordentlich an Häufigkeit zu und treten in förmlichen Schwärmen auf, so daß in wenigen Stunden deren viele Tausende gezählt werden können; so z. B. sind in der Nacht vom 12. zum an einem Orte wenigstens 240000 gesehen worden. Zeichnet man die Bahnen solcher gleichzeitig gesehener S. in eine Karte ein und [* 6] verlängert dieselben nach rückwärts, so ergiebt sich, daß sich alle nahezu in einem und demselben Punkt kreuzen.
Man bezeichnet diesen als Radiationspunkt oder Radiant. Die
Lage dieser Radianten am Himmel ist unabhängig von der Rotation
der Erde und vom Beobachtungsorte. Das Auftreten derselben beweist, daß die bei einem solchen großen Sternschnu
ppenfall
oder Meteorschauer beobachteten Objekte einen gemeinsamen Ursprung haben müssen und sämtlich einem
Schwarm angehören, dessen einzelne
Teile sich parallel miteinander in gemeinsamer
Richtung bewegen. Des weitern hat man festgestellt,
daß einzelne dieser großen Meteorschauer periodisch wiederkehren.
Zuerst wurde eine solche
Periode und zwar von 33¼ Jahren für den bereits erwähnten großen Sternschnu
ppenfall von 1833 nachgewiesen.
Als es dann thatsächlich gelang, die
Bahnen dieser periodisch wiederkehrenden Meteorschwärme zu bestimmen, zeigte es sich,
daß diese identisch waren mit denen bekannter periodischer
Kometen;
[* 7] so der Novemberschwarm von 1866 (derselbe, der auch den
großen Meteorschauer 1833 verursachte) mit der
Bahn eines von
Tempel
[* 8] entdeckten
Kometen und der Novemberschwarm
von 1872 mit der des Bielaschen
Kometen. Zugleich ergab sich, daß reichlichere Sternschnu
ppenfälle jedes Jahr zu der Zeit
beobachtet werden, wenn die Erde die
Bahnen solcher
Schwärme kreuzt, daß also S. längs der ganzen
Bahn verteilt und nicht
nur immer in einem Punkte derselben angehäuft sein müssen.
Die älteste Ansicht, daß die S. Erzeugnisse der Erdatmosphäre seien, ist längst widerlegt; ebenso die Ansicht, daß die S. von Mondvulkanen ausgeworfene Körper seien. Der kosmische Ursprung der S. wurde zuerst von Chladni fest behauptet.
Um die Erklärung der Natur der S. und ihren Zusammenhang mit den Kometen haben sich namentlich H. A. Newton in New-Haven und Schiaparelli in Mailand [* 9] verdient gemacht. Die gegenwärtig allgemeine Ansicht über die S. ist die folgende: Über unser ganzes Sonnensystem zerstreut finden sich unzählige kleine, als Meteoroiden bezeichnete Körperchen, die wir aber wegen ihrer Kleinheit und da sie an sich dunkel sind, nicht wahrnehmen können. Infolge der allgemeinen Anziehung bewegen sie sich in Kegelschnitten um die Sonne. [* 10]
Die Bewegung ist wie bei den Kometen teils rechtläufig, teils rückläufig. Auf ihrem Laufe um die Sonne begegnet die Erde fortwährend diesen Körperchen. Beim Eindringen in die Atmosphäre der Erde erhitzen sich dieselben infolge des Widerstandes, den ihnen die Atmosphäre bietet, kommen ins Leuchten und erscheinen uns dann als S. Ein Teil derselben, namentlich die kleinsten, verbrennt dabei vollständig, andere zerplatzen und fallen als Meteorsteine zur Erde; ein dritter und vielleicht der weitaus größte Teil kreuzt nur die Erde und setzt jenseit derselben ¶
[* 11] ^[Abb. 2. Heliometer [* 12] und Beobachtungsstuhl.] ¶
[* 13] ^[Abb. 2. Refraktor.] ¶
mehr
seine Bahn weiter fort. Außer unzähligen vereinzelten Meteoroiden, die meist in langgestreckten Ellipsen die Sonne umkreisen, kommen aber auch vielfach Meteorschwärme oder Meteorringe vor, d. h. unzählige Meteoroiden bewegen sich in einer gemeinsamen Bahn. Die Bahn ist dann in ihrem ganzen Umfang mit Meteoroiden besetzt, an den einzelnen Stellen mehr oder weniger dicht. An einer Stelle aber findet gewöhnlich eine ganz besonders starke Anhäufung derselben statt, eine dichte Wolke von Meteoroiden.
Befindet sich diese gerade im Kreuzungspunkt ihrer Bahn mit der Erdbahn und die Erde gleichzeitig auch an dieser Stelle, was
immer nach Ablauf
[* 15] einer gewissen Periode eintreten muß, so findet ein ganz besonders starker Sternschnu
ppenfall
statt; immer aber wird bei der jährlichen Wiederkehr der Erde zu dieser Stelle, auch wenn nicht gerade diese Meteorwolke
dieselbe passiert, die Häufigkeit der S. größer sein als gewöhnlich. Derartige Meteorschwärme verdanken ihre Entstehung
meist Kometen, die einen Teil ihrer ursprünglichen Masse längs ihrer Bahn zerstreut oder sich auch bereits
gänzlich aufgelöst haben. Entgegen dieser Anschauung ist von anderer Seite auch die Ansicht ausgesprochen worden, daß die
Kometen sich erst aus der Verdichtung von Meteorschwärmen bildeten. Welches auch die richtige Ansicht sein mag, möglichenfalls
können es auch beide zugleich sein, so ist doch ein inniger Zusammenhang zwischen Kometen und S. jedenfalls
als sicher anzunehmen.
Reichlichere Sternschnu
ppenfälle, veranlaßt durch das Kreuzen der Erde mit bekannten Meteorschwärmen, finden jedes Jahr
zu folgenden Zeitpunkten statt, denen der zugehörige Radiant, d. h. die Gegend des Himmels,
aus der die S. zu kommen scheinen, beigefügt ist: 2. bis 3. Jan., Hercules;
8. bis 12. Aug., Perseus [* 16] (Laurentiusschwarm oder Perseïden);
15. bis 23. Okt., Orion und Stier;
12. bis 14. Nov., Löwe (Novemberschwarm oder Leoniden);
Die Perseïden treten beinahe jedes Jahr in gleicher Häufigkeit auf, während die Leoniden alle 33 Jahre
Veranlassung zu den ganz besonders starken Sternschnu
ppenfällen geben.
Vgl. Schiaparelli, Entwurf einer astron.
Theorie der S. (deutsch von Boguslawski, Stett. 1871); Boguslawski, Die S. und ihre Beziehungen zu den Kometen (Berl. 1874).