Stern
der
drei Könige (Stern der
Weisen), der
Stern, welcher nach dem
Bericht im 2.
Kapitel des
Matthäus-Evangeliums die
Weisen
(Magier) aus dem
Morgenland zum Geburtshaus Jesu nach
Bethlehem führte. Bei den
Juden hat von alters
her der
Glaube geherrscht, die Ankunft des
Messias werde durch einen
Stern von außergewöhnlicher Art bezeichnet werden, und
schon
Bileams
Weissagung
(4. Mos. 24, 17):. »Es wird ein
Stern aus
Jakob aufgehen«, ist auf denselben gedeutet worden.
Auch in der
Zeit nach Christo ist in rabbinischen
Schriften vielfach von dem
Stern des
Messias die
Rede.
In ganz bestimmter
Weise wird der
selbe aber, wie es scheint, zuerst auf eine Zusammenkunft der beiden
Planeten
[* 2]
Jupiter und
Saturn
im Zeichen der
Fische
[* 3] gedeutet von dem spanischen
Rabbi
Abarbanel (vgl.
Abravanel, Bd. 1), zu dessen Zeit (1463) wieder
eine solche Zusammenkunft stattfand. Einer ähnlichen
Ansicht huldigte auch
Kepler, welcher Ende 1603 eine solche Zusammenkunft
der beiden
Planeten beobachtete; der Umstand, daß im
Herbst 1604 in der
Nähe der immer noch nicht weit voneinander entfernten
zwei
Planeten am östlichen
Fuß des
Schlangenträgers unerwartet ein heller
Stern aufleuchtete (vgl.
»Temporäre Sterne«
im Art.
Fixsterne,
[* 4] Bd. 6, S. 324),
veranlaßte ihn, in seiner
Schrift
»De stella nova in pede Serpentarii«
(Prag
[* 5] 1606) die
Vermutung
auszusprechen, der Stern
der
Weisen habe aus einer Vereinigung des
Saturn,
Jupiter und irgend eines außerordentlichen
Sternes
bestanden. Mit
Hilfe der besten damals vorhandenen, noch sehr unvollkommenen Pruthenischen
Planetentafeln
(vgl.
Astronomie,
[* 6] Bd. 1, S. 977 f.)
fand
Kepler, daß 747 nach der
Erbauung
Roms eine drei
malige Zusammenkunft, im Juni,
August und
Dezember, stattgefunden habe und
zwar in der letzten Hälfte des Zeichens der
Fische, in der
Nähe des
Widderpunktes; im
Februar und März des nächsten
Jahres
sei zu
Jupiter und
Saturn noch der
Mars
[* 7] hinzugetreten, und die höchst seltene Vereinigung der drei
obern
Planeten, zu denen noch ein außerordentlicher
Stern hinzugekommen, habe die chaldäischen
Magier nach den
Regeln der
Astrologie
[* 8] auf eine Begebenheit von der größten Wichtigkeit aufmerksam machen müssen.
Kepler setzte daher die Geburt Christi an den Schluß des Jahres 748 nach der Erbauung Roms.
Vgl. seine Schriften: »De Jesu Christi servatoris nostri vero anno natalitio« (Frankf. 1606);
»Widerholter Außführlicher Teutscher Bericht, daß vnser Herr vnd Hailand Jesus Christus nit nuhr ein Jahr vor dem Anfang vnserer heutiges Tags gebreuchigen Jahrzahl geboren sey: wie Herr D. Helisaeus Röslinus ... fürgibt: auch nicht nur zwey Jahr, wie Scaliger vnd Calvisius Chronologi mit vielen alten Kirchen-Scribenten dafürhalten, sondern fünff gantzer Jahr« (Straßb. 1613);
»De vero anno quo aeternus Dei filius humanam naturam in utero benedictae virginis Mariae assumsit« (Frankf. 1614);
ferner: Pfaff, Das
Licht
[* 9] und die
Weltgegenden,
samt einer Abhandlung über
Planeten-Konjunktionen und den Stern
der drei
Weisen (Bamb. 1821);
Untersuchungen über das Geburtsjahr Christi (Kopenh. 1827).
Auf
Grund neuerer Tafeln von
Carlini und Bouvard hat
Encke gefunden, daß die drei
Konjunktionen des
Jupiter und
Saturn 747 nach
Erbauung
Roms 29. Mai, 1. Okt. und 5. Dez. im 21., 18. und 16.
Grade des Zeichens der
Fische stattfanden, und daß
in allen drei
Fällen der
Abstand der beiden
Planeten nur ungefähr einen
Grad betrug. Bei der ersten Zusammenkunft waren sie
vor Sonnenaufgang am Morgenhimmel, bei den beiden andern abends im
Süden sichtbar.
Mars kam erst am Anfang
des nächsten
Jahres in ihre
Nähe, stand aber als matter
Stern tief am Westhimmel, während die beiden andern in den
Strahlen
der Abendsonne verschwanden. Als alle drei
im April 748 auf der andern Seite der
Sonne
[* 10] erschienen, war die
Entfernung von
Jupiter
und
Saturn schon ziemlich groß, weshalb es nicht die Zusammenkunft aller drei
Planeten sein konnte,
¶
mehr
welche die Aufmerksamkeit erregte, wie Kepler meinte. Von dem gleichzeitigen Auftreten eines temporären Sternes oder eines
Kometen
[* 12] ist nichts bekannt. Ideler setzt deshalb die Geburt Christi auf das Ende des Jahres 747 (vgl. dessen »Lehrbuch der Chronologie«,
S. 428 u. f., Berl. 1831). Die
neuerdings wieder mehrfach aufgetauchte Meinung, daß der Stern
der Weisen ein temporärer, nach Verlauf
von etwas über 300 Jahren auf kurze Zeit aufleuchtender Stern und identisch mit dem 1572 in der Kassiopeia aufgetretenen sei,
ist schon beim Erscheinen dieses Sternes von Cardano ausgesprochen worden. Es soll auch in den Jahren 1264 und 945 ungefähr
an derselben Stelle des Himmels ein heller Stern sichtbar geworden sein; doch beruht diese Nachricht nur
auf dem Zeugnis des Pfälzer Mathematikus Ciprian Leovitius (1524-1574), der eine (unbekannte) handschriftliche Chronik als
Quelle
[* 13] angibt.
Entgegen diesen Deutungen hat Lauth die Behauptung aufgestellt, mit der Erscheinung des Sternes der Magier im O. sei der
Frühaufgang des Sirius (der Sothis) am ersten Tage des Monats Mesori im ägyptischen Wandeljahr (von 365 Tagen) gemeint. Der
Name dieses Monats bedeutet »Geburt des Horos«
[* 14] (s. Horos, Bd. 8), und es war dieser Monat dem jugendlichen Lichtgott der Ägypter
geweiht. Der Frühaufgang des Sirius an dem erwähnten Tage fand aber nach Ablauf
[* 15] einer Sothisperiode von 1460 Jahren
zuerst 5 v. Chr. und dann auch wieder in den drei
folgenden Jahren statt.
Indem nun Lauth die Geburt Christi in das Jahr 3 vor unsrer Ära versetzt und annimmt, daß der auf seine Herrschaft eifersüchtige Herodes durch die Magier von dem schon 2 Jahre früher beobachteten Erscheinen der Sothis am Morgenhimmel Kunde erhalten habe, findet er eine einfache Erklärung für die Angabe Matth. 2,16,. »daß derselbe alle bethlehemitischen Kinder töten ließ, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er mit Fleiß von den Weisen erlernet hatte«.
Vgl. Lauth, Unsre Zeitrechnung (Beilage zur »Allgemeinen Zeitung«, 1876, Nr. 46 u. 47).