Stereotypie
(griech.), das
Verfahren, von aus beweglichen
Lettern gesetzten Druckseiten vertiefte
Formen abzunehmen und vermittelst derselben erhöhte, den Satzseiten genau entsprechende Druckplatten zu gewinnen. Die
S. bietet sehr große Vorteile dar; ohne sie würde die
Schnellpresse
[* 2] bei weitem nicht ihren jetzigen hohen Wert erlangt haben,
und das Zeitungswesen hätte nicht annähernd seine gegenwärtige
Entwickelung gewinnen können. Die S.
ermöglicht jederzeit den
Druck neuer
Auflagen von den durch sie erzeugten
Platten; das Papierstereotypi
everfahren bietet sogar
die Möglichkeit der
Aufbewahrung billiger
Matrizen, aus denen bei
Bedarf
Platten gegossen werden können, reduziert somit ganz
außerordentlich die Anlagekosten für
Druckwerke.
Als erste Erzeugnisse der S. können betrachtet werden die Reproduktionen von Holzschnitten in einem 1483 zu Ulm [* 3] von Konrad Dinkmut gedruckten Buch: »Der Seele Wurzgarten«. Van der Mey und Johann Müller zu Leiden [* 4] (1700-1716), Ged in Edinburg [* 5] (1725-49), Valeyre in Paris [* 6] (1735), Alexander Tilloch und Foulis zu Glasgow [* 7] (um 1775), F. J. Joseph Hoffmann zu Schlettstadt [* 8] im Elsaß (1783), der eine Anzahl experimentierender Nachfolger (unter andern Carez in Toul) [* 9] erhielt, sind nacheinander als Erfinder der S. bezeichnet worden; zu dauernder Verbreitung aber wurde das Verfahren erst gebracht durch Earl Stanhope (s. d. 2) in London [* 10] (1800) sowie um dieselbe Zeit durch Pierre und Firmin Didot und Herhan in Paris. Zu ihrer heutigen großen Bedeutung gelangte die S. durch die Erfindung von Genoux (1829), welcher die Matrize aus Lagen von Seidenpapier mit einem dazwischengestrichenen Gemisch von Kleister und Schlämmkreide etc. bildete.
Bei dem Stanhopeschen oder Gipsverfahren wird die Satzform in einem eisernen Rahmen festgeschlossen (eingespannt) und leicht geölt, worauf der Gips [* 11] als dünnflüssiger Brei über den Typensatz gegossen und mit Bürste oder Pinsel gehörig eingearbeitet wird. Die Gipsmatrize erstarrt in 15-20 Minuten; sie wird dann abgehoben und in einen Trockenofen gebracht. Der Guß geschieht in sargähnlichen eisernen verschließbaren Pfannen. Auf den Boden der Pfanne wird zuerst eine abgedrehte Eisenplatte gelegt, hierauf die erhitzte Gipsform mit der Bildfläche nach unten und nun der ebenfalls abgedrehte Pfannendeckel, welcher an allen vier Ecken abgestumpft ist, um dem Metall den Einlauf zu gestatten.
Das Ganze wird durch einen Bügel geschlossen und mittels eines Krans in den mit flüssigem Metall versehenen Schmelzkessel versenkt; nach erfolgtem Guß wird die Pfanne aufgewunden und auf ein mit nassem Kies angefülltes Kühlfaß abgesetzt. Nach dem völligen Erstarren des Metalls wird die Stereotypplatte gerichtet, auf der Rückseite abgeebnet und an den Rändern bestoßen. Bei dem von Daulé in Paris um 1830 erfundenen Flaschenguß bleibt die Gipsmater in dem nach innen mit einem Vorstoß versehenen Rahmen, welcher hinlänglich groß ist, um noch Raum für einen Nachdruck gebenden Anguß zu gewähren. Nach dem Trocknen bringt man diesen Matrizenrahmen in die Gießflasche, die aus zwei abgeebneten Eisenplatten besteht, von denen die der Bildfläche zugekehrte mit Papier beklebt ist, um das Metall beim Eingießen weniger abzuschrecken. Beide Platten sind unten durch ein Scharnier verbunden und während des Gusses durch einen Schraubenbügel zusammengehalten.
Bei dem Papierstereotypi
everfahren wird die
Matrize aus
Seiden- und Schreibpapier angefertigt; zwischen die einzelnen
Bogen
[* 12] kommen dünne, gleichmäßig ausgestrichene
Schichten eines Breies, der aus gekochter, mit
Schlämmkreide oder
Magnesia, wohl
auch mit
Asbest oder
China
[* 13]
Clay, versetzter Weizenstärke besteht. Auf die mit einem zarten
Pinsel oder auch
mittels einer mit
Flanell bezogenen
Walze leicht geölte Form wird dann das Matrizenpapier gelegt und entweder mit einer
Bürste
gleichmäßig in den Schriftsatz eingeklopft, oder die Form wird mit der
Matrize unter eine feststehende
Walze geschoben, mit
Filzen bedeckt und unter derselben durchgedreht; sodann schiebt man dieselbe mit der darauf befindlichen Papiermatrize
in eine erhitzte Trockenpresse und bedeckt sie reichlich mit
Filz und Fließpapier zum Aufsaugen der
Feuchtigkeit; schon nach
6-8
Minuten ist die
Matrize trocken und kann abgenommen werden.
Nachdem sie beschnitten, in größern, beim Druck weiß bleibenden Stellen durch Hinterkleben von Pappstückchen oder auch durch Ausfüllen mit einer aus in dünner Gummiarabikumlösung verrührter Schlämmkreide erzeugten, leicht trocknenden Masse verstärkt und ein Eingußstreifen angeklebt worden, kommt sie mit dem Gesicht [* 14] nach oben in das Gießinstrument, das dem beim Dauléschen Verfahren gebräuchlichen sehr ähnlich ist; ein verstellbarer eiserner Rahmen, Gießwinkel genannt, hält sie glatt und gibt das Maß ab für ihre Dicke, und der Guß kann erfolgen.
Das Abschneiden des Angusses, das Anhobeln von
Facetten an den Rändern der
Platten geschieht in Zeitungsdruckereien mit eigens
dafür hergerichteten
Maschinen, wodurch eine große Betriebsbeschleunigung ermöglicht wird, so daß z. B.
in der
Londoner
»Times« bei deren Morgenausgabe die letzte Druckplatte innerhalb 8
Minuten, vom Empfang der Satzform seitens
des Stereotypeurs ab gerechnet, fertig gestellt werden kann. Für den
Kleinbetrieb der Buchdruckereien hat man die S. durch
Konstruktion kleiner, kompendiöser Stereotypi
e-Einrichtungen nutzbar gemacht; diese ermöglichen die Herstellung von
Platten bis zu einer gegebenen
Größe schon nach kurzer Übung bei geringen Anlagekosten.
Vgl. außer den ältern Werken von Camus (Par. 1802) und Westreenen de Tiellandt (Haag [* 15] 1833): H. Meyer, Handbuch der S. (Braunschw. 1838);
Isermann, Anleitung zum Stereotypengießen (Lpz. 1869);
Archimowitz, Die Papierstereotypie (Karlsr. 1862);
Böck, Die Papierstereotypie (Leipz. 1885);
Kempe, Wegweiser durch die S. und Galvanoplastik [* 16] (das. 1888).