Stereoskop
[* 2] (grch.), eine optische Vorrichtung, die zwei nebeneinander liegende, für
beide
Augen richtig perspektivisch entworfene Zeichnungen eines Objekts als ein einziges, aber nicht planes, sondern körperliches
Bild des Objekts erscheinen läßt. Geübte
Augen sehen ein Paar stereoskopisch
richtige
Bilder, in der richtigen Entfernung
betrachtet, auch ohne S. körperlich. Wenn man eine auf dem Tische stehende Pyramide von oben her mit
beiden
Augen betrachtet, so werden die in beiden
Augen auf beiden Netzhäuten entstehenden
Bilder nicht gleich sein. Die
Spitze der
Pyramide, mit dem rechten
Auge
[* 3] betrachtet, wird mehr nach dem linken Rande der Pyramidenbasis zu gelegen erscheinen,
und
¶
mehr
umgekehrt, mit dem linken Auge betrachtet, mehr nach dem rechten Rande zu. Denkt man sich, während Pyramide und Kopf unverrückt bleiben, zwischen beide eine Glastafel geschoben, und zeichnet man auf dieser, während man das linke Auge geschlossen hält, die Konturen der Pyramide, wie sie dem rechten Auge erscheinen, und darauf bei geschlossenem rechtem Auge die Konturen, wie sie dem linken Auge erscheinen, so erhält man auf der Platte zweierlei verschiedene perspektivische Zeichnungen der Pyramide.
Nimmt man bei unverrückter Lage der Glastafel und der Augen die Pyramide weg, so wird man trotzdem immer noch die Pyramide
körperlich erhaben auf dem Tische zu sehen meinen, denn die beiden Zeichnungen machen für die beiden
Augen denselben Eindruck wie vorhin die Konturen der Pyramide selbst. Diese stereoskop
ische Wirkung wird durch das S. unterstützt.
Wheatstone, von dem auch der Name S. herrührt, stellte 1832 sein Spiegelstereoskop
her. Vor den beiden Augen befinden sich
zwei Spiegel
[* 5] mit den spiegelnden Flächen schräg nach auswärts gerichtet.
Rechts und links von den beiden Spiegeln befinden sich die beiden (hier nicht auf demselben Blatte befindlichen) stereoskop
ischen
Bilder, so daß jedes in dem ihm gegenüber liegenden Spiegel gespiegelt erscheint, und zwar ist die Stellung der beiden Spiegel
eine solche, daß die beiden Bilder in der deutlichen Sehweite sich zu decken scheinen und dann natürlich
den Eindruck eines dort befindlichen körperlichen Objekts machen. Einfacher und praktischer ist das von Brewster 1843 konstruierte
S., das seit 1850 bekannter wurde und jetzt allgemein benutzt wird.
Für das rechte Auge ist durch eine Blendung das linke Bild verdeckt und umgekehrt. Die Vereinigung der beiden
Bilder und ihre Verlegung in die deutliche Sehweite wird durch Linsen erleichtert, die etwas schräg nach innen gestellt
sind. Die Anfertigung der stereoskop
ischen Bilder kann nur in den seltensten Fällen durch geometr. Konstruktion und Zeichnung
erfolgen, z. B. bei Darstellung von geometr. Körpern, Krystallgestalten u. s. w.
Für Porträte,
[* 6] Statuen, Architekturobjekte, Landschaften u. dgl. benutzt man, wie 1844 zuerst Moser in Königsberg
[* 7] gezeigt
hat, mit großem Vorteil die Photographie, indem man den Gegenstand mit einer Stereoskop
camera (s. Tafel: Photographie II,
[* 4]
Fig.
7) aufnimmt.
Ducos du Hauron brachte 1894 eine neue Darstellungsweise stereoskop
ischer Bilder in die Öffentlichkeit
(s. Anaglyphe). 1859 hat Dove in Berlin
[* 8] gezeigt, wie man durch die stereoskop
ische Betrachtung die Identität oder Nichtidentität
des Drucks zweier scheinbar gleicher typographischer Erzeugnisse nachweisen kann. Das ist besonders für die Entdeckung und
Konstatierung der Unechtheit bei Wertpapieren von Wichtigkeit. Zwei von demselben Satze oder derselben Platte
abgezogene Drucke zeigen unter dem S. nichts besonders Auffallendes.
Legt man dagegen zwei für das bloße Auge ganz gleich scheinende Drucke, die aber von verschiedenen Sätzen oder Platten stammen,
unter das S., so scheinen die Buchstaben, Worte, Silben u. s. w. nicht mehr alle auf dem Papier, sondern ganz unregelmäßig
in oft mehrere Zoll großer Entfernung teils vor, teils hinter dem Papier zu liegen. Das rührt von kleinen
Verschiedenheiten in den Entfernungen der betreffenden Buchstaben auf beiden Blättern her, die ebenso wirken wie die kleinen
Verschiedenheiten der Zeichnung auf zwei stereoskop
ischen Bildern. -
Vgl. Dove, Optische Studien (Berl. 1859);
ders., Anwendung des S., um falsches vom echten Papiergeld zu unterscheiden (ebd. 1859);
Ruete, Das S. (2. Aufl., Lpz. 1867);
Steinhauser, über die geometr. Konstruktion der Stereoskop
bilder (Graz
[* 9] 1870);
Stolze, Die Stereoskopie
und das S.
in Theorie und Praxis (Halle
[* 10] 1894).