Titel
Steinkohle
,
Schwarzkohle, eine natürliche, in der Erde sich vorfindende
Kohle (s. d.) mit einem Kohlenstoffgehalt
von 70 bis 85 Proz. und schwarzem
Strich. Sie findet sich in sämtlichen Formationen, die älter sind
als die Kreide,
[* 3] namentlich aber in der nach ihr benannten
Steinkohlenformation (s. d.) in Gestalt von Flözen zwischen Sandsteinen
und Schieferthonen eingelagert. Diese Steinkohle
nflöze zeigen eine Mächtigkeit von einigen Centimetern bis zu 10 und 15 m.
Die S. entstand durch langsame Verkohlung von massenhaft angehäuften Pflanzenresten und bildet in dieser
Beziehung das nächsthöhere Verkohlungsstadium als die
Braunkohle (s. d.) und die Vorstufe zum
Anthracit (s. d.). Näheres
über die Zusammensetzung einiger Steinkohle
nsorten s. Heizmaterialien. Die
Pflanzen, welche das Material für die S. geliefert
haben, sind je nach der Formation durchaus verschieden und zwar in der Wealden- und in der Keuperformation
Koniferen
[* 4] und
Cycadeen,
[* 5] in der
Steinkohlenformation Lepidodendren, Sigillarien, Calamiten und
Farne,
[* 6] in der
Devon- und Silurformation
Seetange.
Die S. bilden das wichtigste aller Heizmaterialien und dienen außerdem als Rohstoff der Leuchtgasbereitung (s. Gasbeleuchtung), wofür besonders die sog. Gaskohlen (s. d.) geeignet sind. Durch Aufbereitung trennt man die Gangart von Kohle und erhöht dadurch ihren Heizwert. Das dabei abgesonderte Kohlenklein wird vorteilhaft zu Preßkohlen (s. d.) verarbeitet oder auch direkt in Staubfeuerungen verbrannt. Für gewisse Zwecke verwandelt man die S. in Koks (s. d.). Nach dem Verhalten beim Erhitzen und der Ausbeute und Beschaffenheit der sich bildenden Koks unterscheidet man 1) Backkohlen, deren Pulver, in einem Tiegel erhitzt, schmilzt und zu einer glatten metallglänzenden, gleichförmigen Masse sich vereinigt;
2) Sinterkohlen, deren Pulver in eine feste Masse sich verwandelt, ohne eigentlich zu schmelzen;
3) Sandkohlen, wenn das Pulver beim Erhitzen keinen Zusammenhang erhält. Man unterscheidet ferner magere S., die bei trockner Destillation [* 7] wenig Gas geben und nicht schmelzen. Fettkohlen, die viel kohlenstoffreiches Gas und flüssiges Destillat liefern und schmelzen; Flammkohlen, aus denen man ebenfalls viel aber kohlenstoffarmes Gas gewinnt. An diese Kohlenarten schließen sich die Anthracite an, die beim Erhitzen kein Gas entwickeln, unverändert bleiben und als von der Natur dargestellte Koks betrachtet werden können. Die Backkohle ist besonders als Schmiedekohle und zur Koksfabrikation geeignet, während die gasreichen Sand- und Sinterkohlen zu Flammofenfeuerungen dienen.
Das spec. Gewicht der Kohlen schwankt zwischen 1,16 und 1,64 um den mittlern Wert von 1,32. Beim Lagern an der Luft verliert die S. an Gewicht und an Heizwert; bei zwölfmonatigem Lagern im Freien kann die Einbuße an Gewicht bis 1,5 Proz. und an Heizwert bis zu 6 Proz. betragen. Die Zersetzung oder Verwitterung geht am lebhaftesten bei ¶
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Temperaturerhöhung vor sich, also wenn die Kohlen auf großen Haufen liegen. Die Erwärmung erfolgt sehr rasch bei schwefelkieshaltigem Grubenklein und kann sich nach und nach bis zur Entzündung steigern.
Für England und die Jahre 1869 und 1887 berechnet Pric-Williams folgende Prozentsätze der Verwendungsarten:
Verwendungsarten | 1869 | 1887 |
---|---|---|
Roheisenerzeugung | 15,21 | 9,44 |
Verarbeitung von Roheisen | 15,00 | 7,02 |
Metallindustrie | 0,80 | 0,80 |
Bergbaubetrieb | 6,72 | 6,72 |
Dampfschiffahrt | 3,05 | 8,24 |
Eisenbahnbetrieb | 1,89 | 3,98 |
Gaserzeugung | 5,87 | 5,87 |
Wasserwerke u.s.w. | 1,40 | 5,87 |
Verschiedene Industrien | 23,58 | 23,58 |
Haushaltungen | 17,20 | 17,44 |
Armee | 0,18 | 0,18 |
Ausfuhr | 9,10 | 15,09 |
Diese Tabelle zeigt den bedeutenden Mehrbedarf des Verkehrswesens, sowie die erheblichen Fortschritte, welche in den Methoden der Eisenerzeugung bezüglich Kohlenersparnis gemacht worden sind.
Die Kohlenausbeute aller Länder der Erde betrug (zum Teil mit Einschluß der Braunkohlen) in Millionen Tonnen:
Jahre | Produktion | Jahre | Produktion | Jahre | Produktion |
---|---|---|---|---|---|
1860 | 136 | 1881 | 365 | 1889 | 485,4 |
1866 | 185 | 1882 | 383,9 | 1890 | 514,1 |
1872 | 260 | 1883 | 409,5 | 1891 | 525,3 |
1875 | 233 | 1884 | 409,4 | 1892 | 530,4 |
1877 | 294 | 1885 | 407,4 | 1893 | 550,6 |
1878 | 293 | 1886 | 407,0 | 1894 | 560,0 |
1879 | 312 | 1887 | 433,5 | 1895 | 573,5 |
1880 | 345 | 1888 | 469,6 | 1896 | 590,0 |
Davon entfielen 1895 auf Europa [* 9] 357, auf die Vereinigten Staaten [* 10] von Amerika [* 11] 196, auf Großbritannien [* 12] 190, Deutschland [* 13] 79 (Wert 538,9 Mill. M.), Frankreich 27, Belgien [* 14] 20,5, Österreich-Ungarn [* 15] 11, Rußland 10 Mill. t. - Ausgeführt wurden 1895 aus Großbritannien 33 111 660 t Wert über 308 Mill. M.), aus Deutschland 5 117 356 t S. und 461 779 t Koks (143,8 Mill. M.). Die andern Länder, zur Zeit auch noch Nordamerika, [* 16] haben eine namhafte Ausfuhr von S. nicht aufzuweisen, die meisten derselben sind sogar auf die Einfuhr angewiesen. - Der jährliche Kohlenverbrauch (einschließlich Braunkohlen) in Kilogramm pro Kopf der Bevölkerung [* 17] betrug:
Länder | 1865 | 1888 | 1890 | 1893 | 1895 |
---|---|---|---|---|---|
Großbritannien | 3092 | 3959 | 4124 | 4204 | 4302 |
Belgien | 1577 | 2458 | 2653 | 2798 | 2811 |
Vereinigte Staaten von Amerika | 598 | 2131 | 2274 | 2563 | 2824 |
Deutschland | 730 | 1696 | 1837 | 2004 | 2217 |
Frankreich | 470 | 851 | 954 | 1007 | 1124 |
Österreich-Ungarn | 139 | 536 | 591 | 650 | 683 |
Rußland | 15 | 71 | 80 | 114 | 184 |
In England waren 1883: 471000 Personen bei dem Steinkohle
nbergbau beschäftigt, 1893 dagegen, ohne daß eine dem entsprechende
Mehrförderung stattfand, 640000 Personen, teils weil die Arbeitszeit verkürzt worden war, teils weil
die wachsende Tiefe der Bergwerke sowohl mehr Maschinerie als auch mehr Arbeitskräfte verlangte. 1883 förderte ein Bergmann
347, 1893 nur 256 t. In Deutschland berechnet man die Förderung eines Kohlenbergmanns durchschnittlich mit 258, in Frankreich
mit
198, in Belgien 166, Österreich-Ungarn 201, in den Vereinigten Staaten mit 492 t Jahresleistung.
Nach Schätzungen betragen die noch vorhandenen Steinkohle
nvorrate in mitteleurop. Staaten:
Gebiete | Mill. Tonnen | Gebiete | Mill. Tonnen | |
---|---|---|---|---|
Ruhrgebiet | 60000 | Übriges Deutschland | 400 | |
Saargebiet | 45000 | Ganz Deutschland | 158600 | |
Aachen | 1800 | England | 110000 | |
Oberschlesien | 50000 | Frankreich | 18000 | |
Niederschlesien 1000 | Österreich-Ungarn | 17000 | ||
Königreich Sachsen | 400 | Belgien | 15000 |
Der voraussichtliche Kohlenvorrat der Vereinigten Staaten von Amerika, mit Ausnahme desjenigen der Rocky-Mountains, soll nach einer Berechnung des Generals J. Wistar in Philadelphia [* 18] noch 684 Milliarden Tonnen bergen.
Die Erschöpfung der Vorräte wird sich nach Nasse zunächst in Frankreich, Österreich-Ungarn und Belgien bemerkbar machen und zwar nach spätestens 500 Jahren, alsdann in Großbritannien und zuletzt in Deutschland, hier nach etwa 800-1000 Jahren. Wenn man die Kohle als Träger [* 19] motorischer Kraft [* 20] betrachtet, so hat das Abnehmen der Kohlenvorräte nach dem heutigen Stand der Technik nichts Beunruhigendes, da man mittels elektrischer Kraftübertragung die ganze Erde mit Kraft versorgen kann, die aus den natürlichen Wasserkräften stammt. Allein die im Niagarafall täglich fast unbenutzt vorüberfließende Arbeit ersetzt die Arbeit, die in den täglich geförderten Kohlen der ganzen Erde enthalten ist.
Litteratur. Voigt, Versuch einer Geschichte der S. (Weim. 1802-5);
Geinitz, Fleck und E. Hartig, Die S. Deutschlands [* 21] und anderer Länder Europas (2 Bde., Münch. 1865);
Pechar, Kohle und Eisen [* 22] (2. Aufl., Berl. 1880);
Frantz, Deutschlands, namentlich Oberschlesiens S. (Beuthen [* 23] 1876);
Lange, Der Abbau der Steinkohle
nflöze (Saarbr. 1884);
Demanet, Der Betrieb der Steinkohle
nbergwerke (deutsch
von Leypold, Braunschw. 1885);
Muck, Die Chemie der S. (2. Aufl., Lpz. 1891);
Nasse, Die Kohlenvorräte der europ. Staaten, insbesondere Deutschlands, und deren Erschöpfung (Berl. 1893);
Lemberg,
[* 24] Die Steinkohle
nzechen des niederrhein.-westfäl.
Industriebezirks (4. Aufl., Dortm. 1897).