Steingut
2 Seiten, 946 Wörter, 6'657 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Steingut,
Steingut,
seltner Fayence, wird bei uns diejenige Klasse von Thonwaren genannt, welche die Lücke zwischen gemeiner Töpferware und Porzellan ausfüllt oder sich an letzteres unterhalb anschließt. Die Thone, welche zum S. dienen sollen, müssen fett und plastisch sein und sich im Feuer weißbrennen, wenn sie auch ¶
von Natur durch organische Substanzen blau oder anders gefärbt wären. Selten wohl kommt eine Thonart vor, die für sich allein allen Anforderungen entspräche, vielmehr sind die in den Fabriken verarbeiteten Massen in der Regel Gemische mehrerer Thonsorten oder andrer Substanzen, wie Mergel oder Quarz, gemahlener Feuerstein u. dgl., um eine bildsame und doch das Brennen aushaltende Masse zu gewinnen, da zu fetter Thon beim Trocknen und Brennen jedenfalls reißen würde.
Die Vorbereitung der Zuthaten durch Schlemmen, resp. Mahlen, Vereinigung derselben in Form
von Brühen, Kneten der Masse auf Thonmühlen, Durchziehen durch Filterpressen etc. und Ausarbeitung
derselben auf der Drehscheibe, durch Eindrücken in oder Überschlagen über Gipsformen etc.
kommt ganz mit der Fabrikation des Porzellans (s. d.) überein, geht aber beim S. leichter von statten, da dessen
Masse viel formbarer ist als Porzellanteig. Allerdings gibt es auch, weil dieser Artikel mit dem Porzellan konkurriert, sehr
schwer schmelzbare Massen, aus denen Gegenstände erzeugt werden von größter Festigkeit und dünneres
Knochensteingut
, welche beinahe durchsichtig sind.
Die Steingut
waren sind ebenso wie Porzellan, in Kapseln eingesetzt, zweimal gebrannt, aber bei lange nicht so hoch gesteigerter
Goldschmelzhitze. Zwischen den ersten Brand, das Verglühen, und den Glasurbrand oder Glattbrand, auch Rauhbrand, fällt
die Dekoration derjenigen Ware, deren Verzierungen also unter der Glasur liegen, so weit sie nicht Vergoldungen
oder Metalllüster oder reichere Dekorationen sind, welche nach der Glasur aufgesetzt und besonders in Muffeln eingebrannt
werden. Sehr häufig ist die Rauhmalerei oder Unterglasurmalerei angewendet und da werden einfarbige Zeichnungen durch Überdruck
auf die Geschirre gebracht, die sehr wenig Kosten machen, aber doch sehr hübscher Effekte fähig sind.
Die Farbstoffe sind wie bei Porzellan und Glas: Chromoxyd zu grün, Kobaltoxyd zu blau, Gemische von Kobalt-, Mangan- und Kupferoxyd zu schwarz etc. Violette Töne werden mittels Pink colour (s. d.) erzeugt. Diese feinst gepulverten Farbenkörper werden mit Druckfirnis gemischt und hiermit die Ornamente, welche sehr tief in Kupferplatten ausgeführt sind, von diesen auf dünnes präpariertes Papier gedruckt. Die Präparatur besteht aus einer aufgetrockneten und wieder aufweichbaren Schicht einer schleimigen Masse, Flohsamenschleim u. dgl., auf welcher also, und nicht auf dem Papiere selbst, der Druck steht. Aus diesen gedruckten Blättern schneidet man die [* 3] Figuren passend aus und klebt sie auf das matte Geschirr unter Andrücken und Anreiben fest. Nach dem Antrocknen des Firnisses netzt man das Papier mit Wasser und reibt es ab, oder stellt gleich die Geschirre in Wasser, bis die Papiere von selbst abfallen.
Da die Kupferplatten durch die mineralhaltigen Farben sehr rasch abgenutzt werden, so faßt man die Sache auch noch anders an: man druckt - auf feuchte Gelatineblätter - mit bloßem Firnis, trägt diese Drucke auf die Geschirre und überstäubt sie nun erst mit den feingepulverten Farben, welche von den leeren Stellen durch Abblasen oder Wischen leicht zu entfernen sind. Was mit dem Pinsel für die Dekorierung des S. geschieht, beschränkt sich auf Reifen und einfache immer wiederkehrende Ornamente. Hervorragende Firmen verstehen es jedoch, sich eine Anzahl von Begußfarben zu versetzen und erhalten auf dem rauhen Scherben einen einfarbigen Untergrund, der in der mannigfaltigsten Weise durch Aussparen, Reservage, oder Aufmalen auf der Glasur zu künstlerischen Arbeiten verwendet wird.
Das Glasieren erfolgt in derselben Weise wie bei andern Thonwaren durch Eintauchen in eine Glasurbrühe (s. Porzellan), Trocknen und Brennen. Dem eigentlichen Brennen zur Glasur geht aber bei dekorierten Sachen eine leichtere Erhitzung in kleinen Öfen vorher zur Zerstörung des Firnisses, welcher die Glasur abstoßen würde. Die Glasuren des S. sind immer stark bleihaltig und bestehen aus einem Glase, das vorher aus Kieselpulver, Soda, Borax und Bleiweiß oder Mennige erschmolzen, gestampft und mit Wasser fein gemahlen wird. Es bildet sich also beim Einbrennen eine dünne durchsichtige Glashaut, welche die Grundfarbe sehen läßt, und da diese in der Regel etwas gelblich ist, so versteckt man dies dadurch, daß man die Glasur mit ein wenig Smalte anbläut. -
Die Steingut
waren sind je nach ihrer Masse und der angewandten Temperaturgrade mehr oder weniger hart und klingend, doch
niemals in dem Grade wie Porzellan, dessen Durchscheinbarkeit ihnen ebenfalls abgeht. Ein Fehler der Ware
ist, daß die weiche Glasur mit der Zeit gewöhnlich eine Menge feiner Risse und dadurch ein schlechtes Ansehen bekommt.
Die Steingut
waren werden in großer Menge erzeugt, sind sehr wohlfeil und müssen es sein, da ihnen das ordinäre Porzellan
viel Konkurrenz macht. Steinzeug (s. unten) bildet eine andre, mit dieser nicht zu verwechselnde Warengattung.
- Statistisches und Zoll s. Thonwaren.
Steingut,
vergl. Ägyptian und Delfter Ware. ^[= Tafelgeschirr aus Fayence in naturgetreuer Nachahmung von Küchengewächsen, Hühnern u. s. ...]
Im Illustrierte Kunstgeschichte
Steingut:
Fayence, Halbporzellan.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Steingut,
eine Gattung der dichten Thonwaren (s. d.) mit nicht verglastem Scherben, welcher sich von dem des Porzellans dadurch unterscheidet, daß er nicht durchscheinend ist. Die Masse besteht aus plastischem Thon, Quarz- und Feldspatpulver, sie läßt sich leichter formen als Porzellanmasse und bedarf zum Garbrennen einer niedrigern Temperatur als diese. Die Glasur ist meist bleiisch und wird dann bei Rotglut im besondern Glasurbrande aufgebrannt; dies gestattet, bei der Verzierung des S. mannigfachere und lebhaftere Farben zu erzielen ¶
als bei der Porzellanmalerei. Die leichtere Herstellbarkeit des S. macht dieses zu einem wohlfeilen Ersatzmaterial für Porzellan, zumal für hauswirtschaftliche Zwecke, und hat ihm große wirtschaftliche Bedeutung gegeben. Es wurde zuerst in England in großem Umfange hergestellt, wird aber seit geraumer Zeit auch in Deutschland [* 6] in einer Anzahl sehr namhafter Fabriken gefertigt. Unglasiertes weißes S. wird nach seinem Erfinder Wedgwood genannt; ähnliche aber gefärbte Waren sind: Bamboo (strohgelb), Egyptian (schwarz), Basaltgut (sehr politurfähig) und Jaspisgut (weiß). Man bezeichnet übrigens mit S. auch die Thonwaren mit porösen Scherben und unterscheidet davon obige Ware als englisches S.