Staubgefäße
(Stamina, Staubblätter), die den
Blütenstaub erzeugenden Teile der
Blüte
[* 2] bei allen phanerogamen
Pflanzen,
bilden zusammen in einer
Blüte den männlichen Geschlechtsapparat
(Andröceum) derselben und entstehen wie die übrigen Blattgebilde
der
Blüte als seitliche
Höcker unterhalb des im Wachstum befindlichen
Scheitels der jungen Blütenanlage.
Von besonderer Wichtigkeit ist außer der Zahl die Verzweigung und die
Verwachsung der S. Verzweigte S. entstehen dadurch,
daß an der jungen Staubblattanlage neue
Höcker auftreten, die zu einem
Büschel von Staubgefäßen
auswachsen, während das
gemeinsame Fußstück sehr kurz bleibt; es tritt dies z. B. bei den Staubblättern von
Hypericum ein,
die in
Gruppen von drei oder fünf in jeder
Blüte zusammenstehen, aber durch Verzweigung aus drei oder fünf ursprünglich
einfachen Staubblattanlagen hervorgegangen sind.
Die
Spaltung
(Chorise, dédoublement) der Staubblätter ist eine sehr früh eintretende
Teilung einer Staubblattanlage in zwei
später völlig getrennte Staubblätter, wie bei den Staubgefäßen
der
Kruciferen.
[* 3] Verwachsene Staubblätter
entstehen durch seitliche Verschmelzung von Staubblattanlagen, wie z. B. beim
Kürbis.
[* 4] Die S. bestehen in der
Regel aus einem
stielförmigen
Träger,
[* 5] dem
Staubfaden
(Filament), und einem durch eine
Furche in zwei Längshälften geteilten angeschwollenen
Teil, dem
Staubbeutel
(Anthere).
Wenn sämtliche Staubfäden der Blüte in ein einziges Bündel vereinigt sind, so nennt man die S. einbrüderig (stamina monadelpha). So sind z. B. in der männlichen Blüte des Kürbisses die S. in eine im Mittelpunkt stehende Säule vereinigt. In den Zwitterblüten dagegen bilden die einbrüderigen S. eine Röhre um den in der Mitte stehenden Stempel [* 1] (Fig. 1). Sind sie in zwei oder mehrere Partien vereinigt, so werden sie zweibrüderig (s. diadelpha) und vielbrüderig (s. polyadelpha) genannt.
Ersteres ist z. B. bei den
Fumariaceen, letzteres bei den Hypericineen
Regel, wo die
S. in drei Bündel vereinigt sind
[* 1]
(Fig.
2). Einen besondern
Fall von Zweibrüderigkeit bieten viele Schmetterlingsblütler, indem hier von den zehn vorhandenen Staubgefäßen
neun zu einer gespaltenen
Röhre verbunden sind, während das 10. Staubgefäß
vor der
Spalte der
Röhre
frei steht
[* 1]
(Fig. 3). Bei manchen
Pflanzen haben die Staubfäden verschiedene
Länge; wo zwei
Kreise
[* 6] von Staubgefäßen
vorkommen,
sind häufig die des einen kürzer als die des andern. Bei den
Kreuzblütlern finden sich sechs S.; von
diesen sind vier die längern, zwei andre, welche einem äußern
Kreis
[* 7] angehören und links und rechts stehen, sind kürzer
(viermächtige
S., s. tetradynama). Bei vielen
Lippenblütlern und
Skrofularineen gibt es zwei lange und zwei kurze, sogen.
zweimächtige
S. (s.
didynama). - Der
Staubbeutel ist ein meist aus zwei
Fächern (thecae) bestehendes Gebilde,
in dessen Innenraum der
Blütenstaub
(Pollen) enthalten ist.
[* 1]
Fig. 4 versinnlicht den
Durchschnitt durch einen jungen
Staubbeutel;
der Teil, welcher die beiden
Fächer
[* 8] verknüpft, heißt Zwi-
[* 1]
^[Abb.: Fig. 1. Einfache Staubgefäß
röhre der Malve.
Fig. 2. Vielbrüderige Staubgefäße.
Fig. 3.
Zweibrüderige Staubgefäße
einer
Schmetterlingsblüte.
Fig. 4. Durchschnitt eines Staubbeutels] ¶
mehr
schenband oder Konnektiv (connectivum). Jedes Fach besteht aus zwei durch eine Scheidewand getrennten, nebeneinander liegenden Pollensäcken. Später wird diese Scheidewand aufgelöst, und jedes Fach stellt dann eine einfache Höhlung dar. Über den Blütenstaub s. Pollen und Geschlechtsorgane der Pflanzen. Der Staubfaden ist entweder an das untere Ende des Konnektivs angesetzt (basifix), oder er geht an einem höhern Punkt in dasselbe über (dorsifix). Das Konnektiv ist entweder gleichmäßig schmal, so daß die beiden Fächer der Länge nach parallel nebeneinander stehen, wobei es sich in irgend einer Form als sogen. Konnektivfortsatz über die Antheren fortsetzen kann, z. B. bei der Gattung Paris [* 10] (Fig. 5), oder das Konnektiv ist zwischen den Fächern in der Breite [* 11] ausgedehnt, so daß die letztern voneinander entfernt werden, bald nur mäßig, und dann unten oft weit stärker als oben, so daß die Fächer mehr und mehr in eine Linie zu liegen kommen, bald sehr beträchtlich, so daß es einen Querbalken bildet, an dessen Enden die Fächer sitzen (z. B. bei Salvia, [* 9] Fig. 6), oder auch wie eine Spaltung des Staubfadens erscheint, deren beide Äste je ein Staubbeutelfach tragen, wie z. B. bei der Hainbuche, bei der Haselnuß, bei den Malven.
Eine Eigentümlichkeit zeigen die Staubbeutel der Kürbisgewächse, insofern hier die beiden Fächer unregelmäßig gewunden sind [* 9] (Fig. 7). Auch die Staubbeutel können untereinander in eine Röhre vereinigt sein, während ihre Staubfäden frei sind, wie bei den Kompositen, [* 12] die aus diesem Grund auch Synantheren, d. h. Verwachsenbeutelige, genannt werden [* 9] (Fig. 8a und b). Behufs Ausstreuung des Blütenstaubes öffnen sich die beiden Antherenfächer zur Blütezeit in bestimmter Weise, gewöhnlich so, daß die Wand jedes Faches eine Längsspalte bekommt; selten treten Querspalten auf, wie z. B. bei der Tanne. [* 13]
Danach unterscheidet man die Staubbeutel als antherae longitudinaliter und transverse dehiscentes. Diese Spalten liegen meist an der dem Mittelpunkt der Blüte zugekehrten Seite des Staubbeutels (antherae introrsae), bisweilen aber auch dem Umfang der Blüte zugewendet (a. extrorsae), wie bei den Schwertlilien, oder auch an der Seite, z. B. bei Ranunculus. Eine andre Art des Öffnens ist die mittels Klappen (a. valvatim dehiscentes), indem eine gewisse Stelle der Antherenwand als Deckel sich von untenher abhebt, wie z. B. bei Berberis.
Oder endlich jedes Fach öffnet sich mittels eines meist an der Spitze liegenden Loches (a. porose dehiscentes), wie bei der Kartoffel. Das Öffnen der mit Spalten aufspringenden Staubbeutel wird ermöglicht durch den Bau der Antherenwand. Diese besteht nämlich aus zwei Zellenschichten: einer kleinzelligen Epidermis [* 14] und einer unter derselben liegenden Schicht weiterer Zellen. Letztere sind an ihrer nach innen gekehrten Wand mit ring- oder netzförmigen Verdickungsschichten ausgestattet, welche wegen ihrer relativen Starrheit dieser Zellwand keine erhebliche Zusammenziehung beim Austrocknen gestatten.
Dagegen ist die an die Epidermis stoßende Zellwand nicht verdickt; sie zieht sich wie die Epidermis bei Wasserverlust stark zusammen. Da somit also beide Seiten der Antherenwand beim Austrocknen verschiedene Dimensionen annehmen, so muß dieselbe sich krumm werfen dergestalt, daß die stärker sich zusammenziehende Seite, d. h. die äußere, konkav wird, und somit gehen die Wände auseinander. Die Spalte ist schon vorher angelegt, indem in der Ausdehnung, [* 15] in welcher sie entstehen soll, eine Partie von Zellen zu Grunde geht, so daß dort das Durchreißen der Wand den geringsten Widerstand findet. Die Ursache des Öffnens der Antheren ist also das Austrocknen ihrer Wand; daher öffnen sie sich beim Befeuchtetsein nicht und können durch Benetzen mit Wasser wieder zum Schließen gebracht werden. Trocknes Wetter [* 16] ist daher der Befruchtung der [* 17] Blüten und somit der Samenbildung entschieden günstiger als nasses. - Bisweilen werden gewisse Staubblätter regelmäßig unvollständig ausgebildet, indem sie keinen Blütenstaub enthalten.
Derartige Staminodien können in verschiedenen Formen auftreten, bei den Skrofularineen ist von fünf Staubgefäßen
eins bisweilen
als bloßer Faden
[* 18] oder als Schüppchen ausgebildet. Bei den Laurineen nimmt oft ein ganzer Kreis von Staubblättern
die Form von Staminodien in Gestalt drüsenartiger Gebilde an. Bei der Parnassia palustris folgt auf den einfachen Kreis der
S. ein andrer von Staminodien, welche hier als Nektarien (s. d.) ausgebildet sind, indem sie schuppenförmige Blätter mit langen
Wimpern darstellen, deren jede mit einer kopfförmigen, honigtropfenähnlichen Drüse endigt. Vgl. auch
den Art. Blüte.
^[Abb.: Fig. 5. Staubgefäß mit Konnektivfortsatz.]
[* 9] ^[Abb.: Fig. 6. Staubgefäß mit balkenartigem Konnektiv.]
[* 9] ^[Abb.: Fig. 7. Staubgefäß mit unregelmäßig gewundenen Fächern.]
[* 9] ^[Abb.: Fig. 8. Verwachsener Staubbeutel. a Antherenröhre, durch welche der Griffel mit zwei Narben hindurchgeht. b Antherenröhre geöffnet und von innen gesehen.]