Stanze
(ital.), eigentlich Wohnung, Zimmer; dann s. v. w. Reimgebäude, Strophe; insbesondere das auch Oktave (ital. Ottava rima) genannte epische Versmaß der Italiener, eine aus acht fünffüßigen Iamben bestehende Strophe, in welcher die Verse so verschlungen sind, daß der 1., 3. und 5., dann der 2., 4. und 6., endlich der 7. und 8. aufeinander reimen und zwar ursprünglich nur mit weiblichem Reim, während in neuerer Zeit männlicher mit weiblichem Reim wechselt.
Die Strophe findet sich bei den Italienern in allen größern epischen Gedichten (Ariosts »Rasender Roland«, Tassos »Befreites Jerusalem«) angewendet; auch Camoens hat seine »Lusiaden«, Byron seinen »Don Juan« in dieser Form gedichtet sowie von neuern deutschen Dichtern E. Schulze seine »Bezauberte Rose«, Lingg seine »Völkerwanderung«. Indessen eignet sich die S. im Deutschen mehr zu Widmungsgedichten (z. B. in Goethes »Faust«),
zu Prologen, gedankenreichen Apostrophen u. dgl. als zu größern epischen Gedichten, wo sie leicht monoton wird und ermüdend wirkt. Diese Erkenntnis regte Wieland (im »Oberon«) zu einer freiern Behandlung derselben an, indem er die Zahl der Versfüße beliebig zwischen vier, fünf und sechs schwanken, die Reime aber ein- oder zweimal wiederkehren ließ und dabei willkürlich verband. Außer Wieland hat diese freiere Form, welche einen großen malerischen Reichtum zu entfalten gestattet, auch Schiller bei seiner Übersetzung des Vergil angewendet. Eine andre Abart der S. ist die Spenserstanze, die Spenser in seiner »Feenkönigin« und nach ihm Lord Byron in seinem »Childe Harold« zur Anwendung brachte. Sie ist neunzeilig, die Reimpaarung derartig, daß zuerst zwei Zeilen: die 1. und 3., dann vier: die 2., 4., 5. und 7., und zuletzt drei: die 6., 8. und 9., aufeinander reimen, und um dem Ganzen einen wuchtigen Abschluß zu geben, hat der letzte Vers stets einen Fuß mehr. - In der Kunstgeschichte heißen Stanzen (»Zimmer«) vorzugsweise die von Raffael und seinen Schülern ausgemalten Räume des Vatikans in Rom.