Titel
Stanley
(spr. stännli), 1) Arthur Penrhyn, engl. Gelehrter, Sohn des Bischofs S. von Norwich [* 2] und Vetter des Lords S. of Alderley, geb. studierte Theologie in Oxford, [* 3] wo er für sein Gedicht »The gipsies« einen Preis errang, wirkte dann von 1840 ab als Fellow am University College daselbst und wurde 1851 zum Kanonikus von Canterbury, 1858 zum Professor der Kirchengeschichte in Oxford erwählt. Daneben war er Kaplan des Bischofs von London [* 4] und seit 1863 Dechant von Westminster. Vertreter einer milden Aufklärung innerhalb des Christentums, beteiligte er sich 1872 mit Lebhaftigkeit am Altkatholikenkongreß in Köln [* 5] und wurde 1875 zum Lord-Rektor der Universität St. Andrews erhoben. Seine litterarische Thätigkeit hatte er mit der Biographie seines Jugendlehrers Th. Arnold (1844, 13. Aufl. 1882; deutsch, Potsd. 1846) begonnen. Es folgten: »Sermons and essays on the apostolical age« (1846, 3. Aufl. 1874);
»Historical memorials of Canterbury« (1854, 10. Aufl. 1883);
»Sinai and Palestine«, die Frucht einer Reise nach dem Orient (1856, 4. Aufl. 1883);
»Lectures on the history of the Eastern Church« (1861, 5. Aufl. 1883) u. a. Nachdem er 1862 als Begleiter des Prinzen von Wales eine zweite Reise nach dem Orient gemacht, veröffentlichte er: »Scenes of the East« (1863);
»Lectures on history of the Jewish Church« (1862; 8. Aufl. 1884, 3 Bde.);
»Historical memorials of Westminster Abbey« (5. Aufl. 1882);
»Essays chiefly on questions of church and state from 1850-70« (1870, neue Aufl. 1884);
»The Athanasian creed« (1871);
»Lectures on the history of the Church of Scotland« (1872);
»Christian institutions« (4. Aufl. 1883) u. a. Vielfach Unwillen erregte S. 1880 durch seinen hartnäckig festgehaltenen Plan, dem Sohne Napoleons III. ein Denkmal in der Westminsterabtei setzen zu lassen, bis ihn endlich der Wille des Parlaments zum Nachgeben nötigte. Er starb in London.
Vgl. Grace Oliver, A. P. S. (3. Aufl., Lond. 1885).
2) Henry Morton (eigentlich James Rowland), berühmter Afrikareisender, geb. bei Denbigh in Wales als Sohn des Farmers John Rowland, kam im Alter von drei Jahren ins Armenhaus von St. Asaph, woselbst er bis zum 13. Jahr blieb und eine gute Erziehung erhielt. Er wollte sich anfangs dem Lehrfach widmen, wurde dann aber Schiffsjunge und kam als solcher nach New Orleans. Hier fand er bei einem Kaufmann, Namens S., Beschäftigung, ward von demselben adoptiert und nahm dessen Namen an. Nach dem Tod seines Wohlthäters trat er 1861 beim Ausbruch des Kriegs in die Armee der Konföderierten, wurde aber gefangen genommen und der Marine der Vereinigten Staaten [* 6] zugeteilt, in welcher er es bis zum Fähnrich brachte.
Nach dem Frieden bereiste er 1865 die Türkei [* 7] und Kleinasien und begleitete 1867-68 als Korrespondent des »New York Herald« die englische Armee nach Abessinien. Seinen Weltruf verdankte S. seinem kühnen Zug zur Auffindung Livingstones, während die Feststellung des Lualaba und Congostroms ihn zum ersten Afrikareisenden aller Nationen der Jetztzeit stempelte. Im Auftrag von J. G. Bennett (s. d.), dem Besitzer des »New York Herald«, war S. nämlich im Okt. 1869 ausgeschickt worden, um den ganz verschollenen Livingstone aufzusuchen und ihm Hilfe zu bringen. Nachdem er zuvor als Berichterstatter des »Herald« der ¶
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Einweihung des Suezkanals beigewohnt, dann einen Abstecher nach Persien [* 9] und Indien gemacht hatte, langte er im Januar 1871 in Sansibar [* 10] an, von wo er mit etwa 200 Mann (darunter 3 Weiße), vorzüglich ausgerüstet und aufs beste bewaffnet, einige Wochen später seinen Marsch ins Innere von Afrika [* 11] antrat. Nach vielen zu überwindenden Schwierigkeiten war er endlich am Ziel: 10. Nov. hielt er seinen feierlichen Einzug in Udschidschi am Tanganjikasee, wo er in der That den tot geglaubten Livingstone fand.
Daß S. in Großbritannien [* 12] eine starke Anfeindung erfuhr, daß man seinen ganzen Bericht für eine Unwahrheit erklärte, daß später aber sich alles dies als bloße Verleumdung herausstellte, trug nur dazu bei, dem verdienten Manne noch größere Berühmtheit zu verschaffen. Nachdem er mit Livingstone sich noch der Erforschung des Tanganjika gewidmet, trat er im März 1872 seine Rückreise nach Sansibar und Europa [* 13] an. Über seine Erlebnisse und die Resultate seiner Expedition, die dem Besitzer des »New York Herald« gegen 10,000 Pfd. Sterl. gekostet hatte, berichtete er in dem Werk »How I found Livingstone« (Lond. 1872; deutsch, 2. Aufl., Leipz. 1885), worin er außer seinen eignen auch Livingstones Beobachtungen in dem See- und Flußsystem im SW. und W. des Tanganjikasees brachte.
Darauf wohnte er 1873 bis 1874 dem Feldzug der Engländer gegen den König der Aschanti bei und berichtete darüber wie über den abessinischen Feldzug in »Coomassie and Magdala« (Lond. 1874). In noch großartigerer Weise nahm S. sodann seine Forschungen 1874 wieder auf und zwar zuerst auf Kosten des »New York Herald« und des Londoner »Daily Telegraph«. [* 14] Mit mehr als 300 Soldaten und Trägern verließ er im November 1874 Bagamoyo, erreichte das südliche Ufer des Ukerewe oder Victoria Nyanza [* 15] und umfuhr den ganzen See. Da S. nicht wußte, daß der Schwestersee des Ukerewe, der 1864 von Baker entdeckte Mwutan oder Albert Nyanza, bereits von dem Italiener Gessi bis zu seinem Südende befahren war, so versuchte er, diesen See zu erreichen.
Vom Ukerewe sich westlich wendend, entdeckte er im Januar 1876 zunächst das 5000 m hohe, schneebedeckte Gambaragaragebirge. Unter 30° 20' östl. L. v. Gr. und dem Äquator stieß er alsdann auf einen großen Golf, den er Beatricegolf nannte und für einen Teil des Mwutan ansah. Nach spätern Aufnahmen des ägyptischen Obersten Mason Bei muß jedoch angenommen werden, daß S. hier einen neuen großen, noch unbenannten See entdeckt hat. Nun sich südlich wendend, erforschte er den Hauptzufluß des Ukerewe, den Kagera oder Kitangule, welchen er als einen bedeutenden, 20-40 m tiefen Strom schildert, und der aus einem gleichfalls von S. entdeckten See, dem Akanjaru oder Alexandrasee (zwischen 2-3° südl. Br. und 31° östl. L. v. Gr.), entspringt. S. wandte sich nun der Lösung des größten noch vorhandenen afrikanischen Problems zu. Er wollte zu ergründen suchen, wohin die ungeheuern Wassermassen der Seen und Ströme, die westlich vom Tanganjikasee liegen, sich ergössen, und ob dieselben, wie theoretisch bereits Behm nachgewiesen, den obern Lauf des Congo darstellten, von dem man nur die Mündung kannte. Am war S. wieder in Udschidschi am Ostufer des Tanganjikasees, machte auf demselben sein tragbares Boot flott und umfuhr in 51 Tagen zum erstenmal vollständig dieses große Wasserbecken.
Auch den nach W. führenden »Abfluß« des Tanganjika, den von Cameron entdeckten Lukuga, fand S. wieder auf und fuhr denselben eine Strecke weit abwärts. Nach seinen Schilderungen ist der Lukuga jedoch nur ein sumpfiger Arm des Tanganjika, welcher bloß bei Hochwasser einen gelegentlichen Abfluß nach W. ausmacht. Nach Vollbringung dieser Aufgabe drang S. nach W. vor und erreichte unter großen Gefahren Nyangwe, den äußersten von Livingstone und Cameron erreichten Ort am obern Lualaba-Congo.
Nachdem er seine zusammengeschmolzene Expedition wieder auf 200 Bewaffnete gebracht hatte, verließ er mit 18 Kanoes Nyangwe, um eine der gefahrvollsten und merkwürdigsten Reisen anzutreten, von welcher die Geschichte aller Zeiten berichtet. Sowohl in seinem obern Lauf bis zum Äquator als in seinem untern zeigt der Lualaba-Congo zahlreiche bedeutende Wasserfälle, die zum großen Teil umgangen werden mußten, was meist unter Kämpfen mit den Eingebornen geschah.
Einzelne Katarakte wurden durchschifft, doch verlor S. hierbei seinen treuen Diener Kalulu und seinen letzten weißen Gefährten, Francis Pocock. Drei Vierteljahre hatte diese gefahrvolle, abenteuerliche Reise gedauert, als S. mit seiner zusammengeschmolzenen Schar, dem Hungertod nahe, in Boma an der Congomündung in den Bereich portugiesischer Herrschaft gelangte. Aber die Anstrengungen waren des Resultats wert. Der bisher unbekannte Riesenlauf des Congo konnte in die Karte eingetragen werden (s. Congo). S. stellte die ganze Länge des Stroms, für welchen er den nicht acceptierten Namen »Livingstone« vorschlug, auf 630 Meilen fest, von denen der 225 Meilen lange, oft seeartig erweiterte mittlere Teil für die größten Schiffe [* 16] fahrbar ist, so daß hier dem Handel ein neues, ungeheuer großes Gebiet durch den kühnen Reisenden eröffnet wurde.
Die Identität des Congo mit dem Lualaba war somit festgestellt und damit eine Wasserstraße ins Innere von Afrika von mehr als 4000 km Länge eröffnet, die nur an 2-3 Stellen von Katarakten unterbrochen wird. Bereits vier Monate nach seiner Rückkehr veröffentlichte er seinen Reisebericht »Through the dark continent« (Lond. 1878),
der mehrmals aufgelegt wurde, ebenso wie die zu gleicher Zeit erschienene deutsche Übersetzung »Durch
den dunkeln Weltteil« (2. Aufl., Leipz. 1881, 2 Bde.).
Der großartige Erfolg Stanleys
führte nach der Begegnung König Leopolds II. von Belgien
[* 17] mit dem Entdecker in Brüssel
[* 18] zur
Gründung des Comité d'études du Haut-Congo, das es sich zur Aufgabe stellte, Zentralafrika dem Handel zu eröffnen. S. wurde
mit der Leitung des Unternehmens betraut, er legte nicht allein längs des Congo, auch in dem später
an Frankreich abgetretenen Gebiet des Kuilu eine Reihe von Stationen an bis zu den Stanley
fällen am obern Congo, entdeckte, den
Kwa aufwärts fahrend, den großen See, welchem er den Namen Leopolds II. gab, und war mit kurzer Unterbrechung, als ihn seine
geschwächte Gesundheit zur Reise nach Europa nötigte, bis 1884 unermüdlich im Congogebiet thätig. In
diesem Jahr kehrte er endgültig nach Europa zurück, nahm als technischer Kommissar des Bevollmächtigten der amerikanischen
Union an der Congokonferenz in Berlin
[* 19] teil und veranlaßte in England die Bildung einer Gesellschaft zur Erbauung einer Eisenbahn
von der Congomündung bis zum Stanley Pool. Zu gleicher Zeit publizierte er »The Congo and the foundation
of its free state«, deutsch unter dem Titel: »Der Congo und die Gründung des Congostaats« (Leipz. 1885, 2 Bde.).
Als Ende 1886 die ägyptische Regierung in Gemeinschaft mit einigen englischen Kapitalisten eine Expedition zum Entsatz
Emin Beis auszusenden beschloß,
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übernahm S. bereitwilligst die Führung dieses schwierigen und gefahrvollen Unternehmens, traf von New York in
London ein, das er verließ, um sich nach Sansibar zu begeben, von wo er mit den dort von ihm angeworbenen Leuten
um das Kap zum Congo fuhr. Dort traf er 18. März ein. Seine Begleitung bestand aus 9 Europäern, 13 Somal, 61 Sudanesen
und 620 Sansibariten. Außerdem schloß sich der arabische Sklavenhändler Tippu Tip, welchen S. durch dessen Ernennung zum
Gouverneur vom obern Congo mit einem Jahresgehalt gewonnen hatte, mit 40 Mann an; weitere Mannschaften vom Tanganjika und von
Kassongo bei Nyangwe sollten bei den Stanley
fällen zu Tippu Tip stoßen.
Da am Congo großer Mangel an Nahrungsmitteln herrschte, war die Verproviantierung der großen Kolonne sehr schwierig, doch konnte sich S. 29. April von Stanley Pool auf vier Dampfern und mehreren großen Booten endlich einschiffen. Am 28. Mai erreichte er die Mündung des Aruwimi, wo er ein festes Lager [* 21] errichtete, und bereits 2. Juni brach er mit 5 Europäern und 580 Mann nach O. auf. Am 20. Juni befand er sich an den Jambujafällen des Aruwimi, wo er ein festes Lager zum Schutz der unter Major Barttelot zurückbleibenden 100 Mann starken Besatzung errichtete.
Von hier brach er 28. Juni mit 389 Mann auf, am linken Ufer des Flusses aufwärts ziehend. Der Name des Aruwimi ändert sich wiederholt, 140 km
von Jambuja heißt er Lubali, dann Nevoa, nach seinem Zusammenfluß mit dem Nepoko heißt er No-Welle, 350 km vom Congo aber
Ituri. Trotz der Feindseligkeiten der Eingebornen ging der Marsch ohne Schwierigkeit vor sich, bis man Anfang August ein Urwaldgebiet
erreichte, wo der Expedition furchtbare Leiden
[* 22] harrten. Die Eingebornen widersetzten sich dem Vordringen Stanleys
und erschossen 5 Mann
mit vergifteten Pfeilen, auch Leutnant Stairs wurde schwer verwundet.
Um den arabischen Sklavenjägern auszuweichen, hielt sich S. auf der Congostraße, stieß 31. Aug. aber doch auf eine Abteilung des Sklavenhändlers Ugarrowa, zu dem 26 Leute desertierten. Auch mußte S. 56 Invalide im Lager Ugarrowas zurücklassen. Mit 273 zog er weiter, schreckliche Leiden ausstehend in dem durch Sklavenjäger verwüsteten Land, so daß ein mitgebrachtes Boot mit 70 Warenladungen unter dem Wundarzt Parke und dem Kapitän Nelson, beide marschunfähig und verwundet, bei dem Sklavenhändler Kilonga-Longa zurückgelassen werden mußte.
Endlich wurde Ibwiri erreicht, wo an Stelle des bisherigen dichten, dumpfen Waldes weite fruchtbare Ebenen traten und Lebensmittel
im Überfluß waren. Zwar widersetzte sich der mächtige Häuptling Mogamboni Stanleys
Vordringen, doch
wurden alle Angriffe zurückgeschlagen. Am 14. Nov. erreichte S. den Albert Nyanza bei Kawalli, wo er ein verschanztes Lager errichtete,
und da keine Nachricht von Emin Pascha eingelaufen war, marschierte S. die 200 km zu Kilonga-Longa zurück, um das Boot zu holen.
Am traf S. endlich mit Emin und Casati zusammen, die ihn in dem Dampfer Khediv aufgesucht hatten.
Emin blieb 26 Tage bei S., ohne sich bewegen zu lassen, nach Europa zurückzukehren. Darauf trat S. 16. Juni mit 111 Sansibariten und 101 ihm von Emin überlassenen Trägern seinen Rückmarsch an, fand indes von den zurückgelassenen 257 Mann nur noch 71 bei Bunalaya vor und schlug darauf einen kürzern Weg ein, um nach Fort Bodo bei Ibwiri, wo er seine Europäer gelassen zurückzukehren.
Vgl. Rowlands, Henry M. S., record of his life (Lond. 1872);
Volz, Stanleys
Reise durch den dunkeln
Weltteil, für weitere Kreise
[* 23] bearbeitet (3. Aufl., Leipz. 1885).
3) Frederik Arthur, Lord, engl. Staatsmann, jüngerer Bruder des Lords Derby, geb. widmete sich der militärischen Laufbahn und avancierte zum Kapitän bei den Gardegrenadieren, trat aber dann zur Reserve über und wurde erst zum Major, dann zum Obersten eines Milizregiments ernannt. Seit 1865 gehörte er für Preston dem Unterhaus an, wo er sich, den Traditionen seiner Familie gemäß, der konservativen Partei anschloß. 1868 war er auf kurze Zeit jüngerer Lord der Admiralität, mußte aber im Dezember d. J. mit Disraeli zurücktreten. 1878-80 war S. Kriegsminister und leitete die Vollendung der Rüstungen [* 24] gegen Rußland und die Okkupation Cyperns. Unter Salisbury war er im Juni 1885 bis Januar 1886 Staatssekretär für die Kolonien und seit August 1886 Handelsminister. Unter dem Titel Lord S. of Preston wurde er 1887 in den Peersstand erhoben.