Titel
Standesherren
,
alle seit 1806 im ehemaligen Deutschen Reiche infolge der Mediatisierung aus der Reihe selbständiger Reichsstände in das Landesunterthanenverhältnis getretene Fürsten, Grafen und Herren, die aber von denjenigen S. zu unterscheiden sind, die es schon vor 1806 in Osterreich, in der Lausitz, in Sachsen [* 2] und Schlesien [* 3] gab. Unter letztern versteht man Besitzer größerer Herrschaften, mit denen gewisse Regierungsrechte, adlige Vasallen, Jurisdiktion in zweiter Instanz u. s. w. verknüpft waren. Um den ehemals reichsunmittelbaren mediatisierten Häusern einen in allen Bundesstaaten gleichförmigen Rechtszustand zu verschaffen, bestimmte die Deutsche [* 4] Bundesakte (Art. 14): 1) daß alle vormals reichsunmittelbaren fürstl. und gräfl.
Häuser zum hohen Adel in Deutschland [* 5] zu rechnen seien und ihnen das Recht der Ebenbürtigkeit (s. d.) verbleibe;
2) daß die Häupter dieser Häuser die ersten S. in den Staaten, zu welchen sie gehören, wären;
3) daß ihnen überhaupt in Rücksicht ihrer Personen, Familien und Besitzungen alle diejenigen Rechte und Vorzüge (insbesondere Autonomie) zugesichert blieben, welche aus ihrem Eigentum und dessen ungestörtem Genuß herrührten und nicht zu der Staatsgewalt und den höhern Regierungsrechten gehörten. Außerdem haben fast alle deutschen Staaten, in denen S. vorhanden sind, jenes Verhältnis noch besonders geordnet, so Bayern [* 6] durch ein besonderes, mit der Kraft [* 7] von Verfassungsrecht ausgestattetes Edikt.
Infolge eines Präsidialantrags vereinigte sich 1825 die Bundesversammlung, den mediatisierten, vormals reichsständischen Familien einen ihrer Ebenbürtigkeit mit den souveränen Häusern angemessenen Rang und Titel zu gewähren und den Fürsten das Prädikat «Durchlaucht» (Altesse) zu erteilen. Auch den Häuptern der vormals reichsständischen gräfl. Familien wurde 1829 auf ihr Gesuch vom Bundestag das Prädikat «Erlaucht» zuerkannt. Ebenso wurde das Prädikat «Durchlaucht», welches früher nur den Häuptern der mediatisierten fürstl.
Familien zu führen erlaubt war, 1833 allen Mitgliedern dieser Familien zugestanden. Die
Deutsche Reichsverfassung
von 1871 als solche läßt die
Rechte und Verhältnisse der S. (Mediatisierten, s. Mediat) allerdings unbeachtet; dagegen
sind nach §. 1 des
(Bundes-, jetzt Reichs-Gesetzes, betreffend die Verpflichtung zum Kriegsdienst, vom die Mitglieder
der standesher
rlichen Häuser von der Wehrpflicht ausgenommen, sowie nach §. 4 des Gesetzes, betreffend
die Quartierleistung für die bewaffnete Macht während des Friedenszustandes, vom die
Gebäude, welche zu solchen
Standesher
rschaften gehören, von der Einquartierung befreit. Ferner ist den S. in verschiedenen deutschen
Staaten durch die
Verfassung erbliche Mitgliedschaft in der Ersten Kammer eingeräumt. Auch gilt nach einem Reichsgerichtserkenntnis
von 1881 die
Ehe zwischen einem
S. und einer dem
Bürgerstande angehörigen Frau als eine
Mißheirat (s. d.).
Endlich hat das
Einführungsgesetz zum neuen
Bürgerl.
Gesetzb. Art. 58 und 218 in Ansehung der Familienverhältnisse und der
Güter der standesher
rlichen und der ihnen landesrechtlich
bis gleichgestellten Häuser die Vorschriften der Landesgesetze und nach Maßgabe dieser diejenigen
der Hausverfassungen unberührt gelassen. Die Reste der Gerichtsbarkeit der S. sind durch §. 15 des in Kraft getretenen
Gerichtsverfassungsgesetzes vom beseitigt. Jedoch ist das landesgesetzlich den S. gewährte
Recht auf
Austräge
(s.
Austrägalgericht) durch §. 7 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz aufrecht erhalten worden. In
Preußen
[* 8] sind die standesher
rlichen Familien seit der Einkommensteuer unterworfen, indem sie auf
Grund des Gesetzes vom für
Aufgabe ihrer Personalsteuerfreiheit entschädigt wurden (s.
Steuerfreiheit).
Von den ursprünglichen standesher
rlichen Familien sind schon mehrere ausgestorben; ihre Zahl beträgt
noch gegen 100. Die besondern
Rechte der S. beruhen, wie ihr
Stand selbst, auf dem
Besitz einer ehemals reichsständischen Herrschaft.
Soweit diese
Rechte persönlicher Natur sind, galten sie für ganz
Deutschland; soweit sie dinglichen Charakter haben, können
sie nur in demjenigen deutschen
Lande, in welchem die früher reichsständischen Besitzungen liegen, zur
Anwendung kommen.
Reichs- und Landesrecht können die
Vorrechte der
S. und zwar auch ohne
Entschädigung beseitigen. -
Vgl. Hammann, Die deutschen S. und ihre Sonderrechte (Donaueschingen 1888);
Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1 (Lpz. 1895), §. 47; Georg Meyer, Deutsches Staatsrecht (4. Aufl., Lpz. 1895), §. 229. ¶