Stammheim
(Kt. Zürich,
Bez. Andelfingen).
448 und 447 m. Reformierte Kirchgemeinde mit den beiden politischen Gemeinden
Ober Stammheim und
Unter Stammheim.
Station Stammheim
der Linie
Winterthur-Etzwilen-Singen. Postwagen
Frauenfeld-Ober
Stammheim-Unter Stammheim.
Gemeinde
Ober Stammheim, mit
Wilen: 156
Häuser, 818 Ew. (wovon 16 Katholiken); Dorf, (am S.-Fuss des
Stammheimerbergs gelegen): 140
Häuser, 756 Ew.
Postbureau, Telegraph, Telephon. Acker- und Weinbau, Viehzucht. - Gemeinde
Unter Stammheim, mit dem am W.-Fuss des
Stammheimerbergs
und 1 km nw.
Ober Stammheim gelegenen Pfarrdorf
Unter Stammheim: 136
Häuser, 645 Ew. (wovon 21 Katholiken).
Postbureau, Telephon. Acker- und Weinbau, Viehzucht. - Am Blutbüchel und in
Ober Stammheim Urnengräber aus der Bronzeperiode.
Einzelfunde aus römischer Zeit. Alemannische Ansiedelung; 761: Stamhaim. Beim Sekundarschulhaus und in Ober Stammheim alemannische Gräber. Die Hoheitsrechte besassen die Herzoge von Schwaben. Die Klöster Rheinau und St. Gallen hatten in der Gemeinde Besitzungen und allerlei Einkünfte; dem letztern gehörte überdies die Kollatur. Nach Aufhebung des Stiftes traf die Regierung von St. Gallen 1808 mit Zürich eine Uebereinkunft, wonach alle Rechte an diesen Kanton übergingen.
Ober Stammheim und
Waltalingen besassen vor der Reformation eigene
Kapellen und waren Filialen von Stammheim.
1828 wurden
die hierher kirchgenössigen thurgauischen Gemeinden
Nussbaumen und
Uerschhausen abgelöst. Nach Ekkehards
Casus Sancti
Galli
wurde von den königl. Kammerboten Erchanger und Berchtold im Anfang des 10. Jahrhunderts auf dem
Schlossberg zwischen Ober
und
Unter Stammheim, der Fiskalgut war, eine Burg erbaut. Als König Konrad I. die Fiskalleute von Stammheim
an St. Gallen
schenkte, entstand ein Streit, in welchem die genannten Kammerboten den
Bischof Salomon von Konstanz gefangen nahmen.
Nach dem Untergang der Kammerboten schenkte der König die Burg dem Kloster St. Gallen, das sie abtragen liess. Noch 1517 sollen Steine derselben für den Neubau der Kirche zu Stammheim verwendet worden sein. Die niedere Gerichtsbarkeit kam im Laufe der Zeit an die Edlen von Klingenberg, dann aber 1464 an die Stadt Zürich, welche daraus und aus den Nebengemeinden St. Anna und Wilen, sowie der 1581 erworbenen Herrschaft Steinegg eine besondere Obervogtei machte, die einem zürcherischen Obervogt auf ¶
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Schloss Steinegg im Thurgau unterstellt war. Die hohe Gerichtsbarkeit übte die Landgrafschaft und spätere eidgenössische Vogtei Thurgau bis 1798 aus. Als die Reformation aufkam, war Stammheim dem neuen Glauben leidenschaftlich zugetan. Der Untervogt Hans Wirth daselbst und seine beiden Söhne, die Geistlichen Adrian und Johannes Wirth, sowie der Untervogt Rüttimann in Nussbaumen wurden die Häupter einer eifrigen Reformpartei, die Bilder und Kruzifixe beseitigte.
Der damalige thurgauische Landvogt, schon als Schwyzer ein Feind der Reformation, ging im Auftrag der katholischen Orte gegen die Vertreter der neuen Lehre vor. Pfarrer Oechslin auf Burg bei Stein wurde von ihm gefangen gesetzt. Die Reformierten von Stein, Stammheim und Umgebung versuchten diesen zu befreien, und als es ihnen misslang, stürmten sie die Karthause Ittingen und steckten sie in Brand (1524). Auf Verlangen der katholischen Stände musste Zürich den Hans Wirth und seine Söhne, sowie Rüttimann ausliefern. Obwohl sie nachgewiesenermassen zur Ruhe gemahnt hatten, wurden sie mit Ausnahme von Adrian Wirth zu Baden als Ketzer zum Tode verurteilt. Vergl. Kradolfer, J. J. Geschichte der Kirchgemeinde Stammheim. 1866. - Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft Zürich. 62 und 63. - Durrer, Bob. Der mittelalterliche Wandschmuck der Kapelle zu Waltalingen bei Stammheim. 1899. - Durrer, Rob., und Rud. Wegeli. Zwei schweizerische Bilderzyklen aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts. Zürich 1900.