
Stæfa
(Kt. Zürich,
Bez. Meilen).
409-625 m, Kirche in 442 m. Grösste Gemeinde am rechten Ufer des
Zürichsees, 20 km sö. Zürich
und 8 km
wnw.
Rapperswil. Sie umfasst mehr als 30 am Gehänge über dem
See zerstreut gelegene Siedelungsgruppen. Während man früher
ein Dorf «Stäfa»
nicht kannte, überträgt man nun seit einiger Zeit diesen
Namen auf
das Dorf Oetikon (Bahn- und Dampfschiffstation «Stäfa»
),
das mit seiner nähern Umgebung immer mehr zum Mittelpunkt
der Gemeinde wird. Stationen Stäfa
,
Uerikon und
Feldbach der rechtsufrigen Zürichseebahn
(Zürich-Meilen-Rapperswil),
von der in
Uerikon die Linie
Uerikon-Bauma abzweigt; Station
Mühlehölzli-Stäfa der elektrischen Strassenbahn
Meilen-Wetzikon.
Dampfschiffstationen Stäfa
,
Uerikon und
Schirmensee. Postbureau in Stäfa
und in
Uerikon; Telegraph und Telephon. Die politische
Gemeinde Stäfa
zerfällt in die drei Schulgemeinden
Kirchbühl,
Uelikon und
Uerikon, von denen umfassen
a)
Kirchbühl: Abern,
Binz,
Blatt, Dorf, Ober und Unter
Grund,
Grundhalden, Ober und Unter
Haslenbach,
Kapf,
Kehlhof,
Kerngerten,
Unter
Kessibühl, Dorf
Kirchbühl,
Kreuz,
Lanzelen, Laubisrüti,
Mies,
Oberhausen, Oetikon, Ober und
Unter Redlikon,
Ried, Schwiler,
Sternen,
Strick, Unter
Träubel und
Zehntentrotte; b)
Uelikon:
Bauertacker,
Beewies, Eichtlen,
Lattenberg,
Mutzmahlen,
Hinterer und Vorderer
Püntacker, Ober und
Unter Rain, Ober
Träubel und Dorf
Uelikon; c)
Uerikon: Brünishausen,
Fangen,
Gsteig,
Ranghausen,
Töbeli und Dorf
Uerikon.
Zusammen: 1086 Haushaltungen in 763
Häusern; 4228 Ew., wovon 3906 Reformierte und 318 Katholiken. Dorf Oetikon: 131
Häuser
und 847 Ew.; zusammen mit
Oberhausen: 204
Häuser und 1329 Ew. Kirchgemeinde. Hauptbeschäftigungen der
Bewohner sind Weinbau (über 150 ha
Rebberge; sehr gute Lagen am
Lattenberg und an der Sternenhalde), Obstbau und Viehzucht.
Rege industrielle Tätigkeit: zwei Seidenwebereien, eine Seidenfärberei, eine Treibriemen- und Schlauchfabrik, ferner je
eine Gerberei, Buchdruckerei (Verlag des Wochenblattes des Bezirks
Meilen) und Maschinenfabrik. Elektrizitätswerk.
Apotheke. Sitz des Notariatskreises Stäfa
-Hombrechtikon. Leihkasse, Sparkasse, Kinderheim, Altersasyl, Sekundarschule, Knabeninstitut.
Die Gemeinde zählt verschiedene schöne Aussichtspunkte. Sehenswürdigkeiten sind das Patriotendenkmal und das Goethehaus.

Im Obertilli ein Refugium aus der Eisenzeit. Der Kessibühl ist ein Grabhügel aus der Hallstattperiode. In Ober Redlikon Flachgräber aus der La Tènezeit. Einzelfunde aus römischer Zeit. 940: Steveia; 1027: Stevia. Der Name bedeutet wahrscheinlich wie Stäffis (Estavayer) «Ankerplatz, Schifflände» (stava mittelalterliche Latein. Pluralform von stadivum). 965 schenkte Kaiser Otto I. die vom Kloster Säckingen eingetauschte Ufenau mit den dazugehörigen Orten Pfäffikon, Uerikon und der Kirche von Meilen dem Kloster Einsiedeln.
Stæfelgletscher - Stæg

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Seite 45.675.
Otto II. bestätigte diese Schenkung und fügte ihr unter anderm auch Stäfa
hinzu (972). Das Kloster
besass auch den Zehnten und einen Teil der niedern Gerichtsbarkeit, die es bis 1798 ausübte. Der
Ort hatte seine Edeln. Von
1229-1320 werden
Herren von
Uerikon genannt als ritterliche Dienstleute der
Grafen von
Rapperswil und Meier des
Gotteshauses
Einsiedeln.
Drei derselben fielen 1314 in der Schlacht am
Morgarten. Sie scheinen Pannerherren von
Einsiedeln gewesen
zu sein, dessen Kastvogtei denen von
Rapperswil zustand. Auf der topographischen Karte ist das stattliche ehemalige Amtshaus
als «Burgstall» eingezeichnet; nach Zeller-Werdmüller
(Züricher Burgen) ist es vom Kloster
Einsiedeln im 15. Jahrhundert
wahrscheinlich an Stelle der
alten Burg, eines Wasserhauses, errichtet worden. Die Amtleute Wirz erhielten 1492 vom
Pfalzgrafen
¶
mehr

Dekan Albrecht von Bonstetten zu Einsiedeln einen Wappenbrief mit dem Wappen des alten Rittergeschlechtes, das von einem Pannerherrn
getragen wird. In Uelikon lässt sich kein Burgstall nachweisen; das von den Chronisten den angeblich hier ansässigen Edeln
zugeschriebene Wappen ist dasjenige der von Uelingen im Klettgau. Stäfa
kam als Lehen von Einsiedeln an
die nachmaligen Grafen von Rapperswil, die zur Zeit ihrer Verarmung ihren ganzen Besitz an Oesterreich verkauften (1354). So
kam der Ort an die Landvogtei Grüningen, die von 1374 an unter den Rittern Gessler stand.
Als 1408 die Brüder Hermann und Wilhelm Gessler die Landvogtei an Zürich
verkauften, gelangte Stäfa
mit Hombrechtikon
und Mönchaltorf in den Besitz dieser Stadt. 1450 wurde Stäfa
von der Herrschaft Grüningen abgetrennt und zu einer Obervogtei
gemacht, der man u. a. auch Oetwil, Hombrechtikon und Egg einverleibte. Die Kollatur gehörte dem Kloster Einsiedeln und ging
von diesem 1824 an Zürich
über, nachdem die Stadt 1816 den Zehnten vom Kloster losgekauft hatte.
Wenn auch Stäfa
im alten Zürichkrieg (1436-1450) nicht direkt materiellen Schaden litt, verlebte es doch wegen seiner vorgeschobenen
Lage unruhige Zeiten. Seit den Tagen des grossen Zürcher Bürgermeisters Waldmann hatten die Zürichseegemeinden dem Streben
der Obrigkeit nach Zentralisation und Ausbildung einer starken Staatsgewalt immer energischen Widerstand
entgegengesetzt. So auch Stäfa.
Am Ende des 18. Jahrhunderts besprach man hier während der revolutionären Vorgänge in
Frankreich in einer sog. Lesegesellschaft eifrig die politischen Missstände auf der Zürcher Landschaft.
Der junge Hafner Heinrich Neeracher verfasste unter dem Beistand von Freunden, wie Chirurg Pfenninger und anderen, ein
Memorial, in welchem er gleiche Stellung der Stadt- und Landbürger, allgemeine Erwerbsfreiheit, Loskäuflichkeit der Grundzinsen
etc. verlangte. Die Folge davon war, dass Neeracher und seine Mitarbeiter verbannt, andere Stäfner aber schwer gebüsst wurden
(«Memorialhandel» 1791-1794). Als man darauf in Küsnacht und Horgen die Waldmannischen Spruchbriefe und den Kappelerbrief
fand, in welchen Dokumenten von Rechten der Landschaft die Rede war, gelangte Stäfa
an die Regierung
in der Stadt, um diese Rechte zurückzuerhalten. Da verhängte Zürich
die Sperre über die Gemeinde und besetzte diese mit 1700 Mann
Militär.
Die Häupter der Aufständischen wurden nach Zürich
geführt, darunter der angesehene Säckelmeister Bodmer; ihr
Vermögen zog man ein; ausserdem wurden 250 Männer gefangen gesetzt oder mit Bussen oder Ehrenstrafen bedacht. Dieser «Stäfnerhandel»
(1795-1798) war eine der Bewegungen, welche die helvetische Revolution einleiteten, die auch den gemassregelten Stäfnern
Amnestie brachte. Im Bockenkrieg (1804) zeigten sich die Bewohner von Stäfa
zurückhaltend, während sie mit der übrigen
Seebevölkerung zur Zeit der Regeneration (1830 ff.) kräftig für die freiheitliche Gestaltung des Staatswesens eintraten
(Dr. Hegetschweiler u. a.). Von Stäfa
gebürtig waren die beiden Maler Kölla und der Antikenzeichner Joh. Pfenninger, mit
dem Dorfe engverknüpft Heinrich Meyer, der Herzoglich Weimarische Hofrat und Direktor der Zeichenakademie, ein bedeutender
Altertumsforscher und Kunstkenner, gewöhnlich Meyer von Stäfa
genannt.
Sein Freund Goethe besuchte Stäfa
auf einer seiner Schweizerreisen. Noch heute zeigt man dort das Goethehaus, die «alte
Krone», die im Jahr 1888 mit einer Gedenktafel geschmückt wurde. Goethe weilte
hier im Oktober 1797 nach seiner
Rückkehr vom Gotthard, auf dessen Höhe ihn eine Fusstour vom Zürichsee aus geführt hatte. In die Zeit
dieses Aufenthaltes fällt das Studium der Schweizer Chronik von Tschudi, in das Goethe sich vertiefte, um sich mit der Geschichte
von Tell vertraut zu machen. Er trug sich nämlich damals mit dem Gedanken, dieselbe für ein Epos zu verwerten. In der richtigen
Erkenntnis, dass es der Schillerschen Gestaltungskraft beschieden sei, dem Stoffe eine reichere und wirkungsvollere Form zu
geben, trat Goethe alle genauen Beobachtungen über Land und Leute und die Frucht seiner Quellenstudien an seinen Freund
ab, dessen Genius dann der Menschheit jenen unsterblichen Freiheitssang und den Schweizern das Nationaldrama Wilhelm Tell
schenkte. Stäfa darf gewissermassen die Ehre beanspruchen, die eigentliche Geburtsstätte dieser unvergänglichen Dichtung
zu sein.
Vergl. Bodmer, G. Chronik der Gemeinde Stäfa. Stäfa 1894. - Hunziker, O. Der Memorial- und der Stäfnerhandel. Stäfa 1895. - Hunziker, O. Zeitgenössische Darstellungen der Unruhen in der Landschaft. Zürich 1794-1798 (in den Quellen zur Schweizergeschichte. 17, 1897).