Stachel
(Aculeus), in der
Botanik jede mit einer starren, stechenden
Spitze versehene, durch Umwandlung aus Haargebilden,
Blättern oder ganzen
Sprossen hervorgehende
Bildung, auch die
Dornen (spinae) umfassend. Die Stacheln
treten bald nur als
Anhangsgebilde fertig angelegter
Organe an Blättern oder
Stengeln auf
(Haut- oder
Trichomstacheln), oder sie entstehen durch
Umwandlung von ganzen Blättern oder Blattteilen
(Blatt- oder
Phyllomstacheln), oder sie stellen selbständig umgewandelte
Sprosse
(Dornen oder
Kaulomstacheln) dar.
Die
Hautstacheln sind bald einzellige Haarbildungen, bald vielzellige Gewebekörper oder Zwischenbildungen beider; bald gehen
sie nur aus der
Epidermis
[* 2] hervor, wie bei der
Brombeere, bald beteiligt sich auch das unter der
Oberhaut
liegende Rindengewebe, das
Periblem, an ihrer
Bildung, wie bei dem S. der
Rose.
In den meisten
Fällen sind die
Hautstacheln gefäßlos,
bisweilen, z. B. bei den Stacheln
auf den
Kapseln
[* 3] des
Stechapfels und der Roßkastanie, führen sie
Gefäßbündel.
[* 4]
Übergangsbildungen zwischen den
Haut- und
Blattstacheln finden sich bei den
Kakteen,
[* 5] deren Stacheln
aus den
Vegetationspunkten
der Achselknospen wie wahre
Blätter, jedoch ohne deren Entwickelungsfähigkeit, hervorgehen. Unter den
Blattstacheln bilden
sich einige durch
Metamorphose von
Nebenblättern, z. B. die Stacheln
der Robinie; andre gehen aus umgewandelten Blattteilen
hervor (Blattzahnstacheln
), wie die Stacheln
der
Stechpalme, welche
Gefäßbündel und Blattparenchym enthalten. Eine dritte
Gruppe besteht aus denen, die durch Umwandlung eines ganzen
Blattes entstehen, wie die gefiederten Stacheln
von
Xanthium oder
die dreigeteilten Stacheln
der Berberitze, aus deren
Achseln Laubsprosse entspringen. Ebenso verschieden ist auch der Ursprung
der
Kaulomstacheln oder
Dornen; es können überzählige
Knospen,
[* 6] wie bei
Genista,
Ulex,
Gleditschia, oder
auch normale Achselknospen, wie bei
Ononis, zu Stacheln
auswachsen
¶
mehr
Die höchste Form der Stachel
bildung tritt bei vielen Pomaceen und Amygdalaceen, besonders bei Arten von Crataegus und Prunus
ein; hier wandelt sich ein ganzer blatttragender Zweig in einen S. um. Auch kann umgekehrt durch Kultur der S. wieder als blatttragender
Zweig erscheinen. Auch der Hauptsproß erzeugt unter Umständen, wie bei Rhamnus cathartica, durch Verholzung
des Vegetationspunktes einen endständigen S. Im allgemeinen zeigt sich, daß der Begriff des Stachels
durchaus nicht durch
ein einheitliches morphologisches Merkmal zu bestimmen ist, sondern daß hier wie überall die Pflanze die verschiedensten
morphologischen Glieder
[* 8] demselben physiologischen Zweck anzupassen weiß.
Die biologische Aufgabe der Stacheln besteht teils darin, als Schutzorgan der Pflanze gegen die Angriffe weidender Tiere zu dienen, teils in der Rolle eines Verbreitungsmittels, insbesondere bei stachligen Früchten, die in dem Haar- oder Federkleid von Tieren hängen bleiben und dadurch weiter transportiert werden; endlich sind auch Beziehungen zwischen stacheltragenden Pflanzen und insektenfressenden Vögeln, wie den Würgerarten, bekannt, die ihre Beute an den Stacheln von Dornsträuchern aufzuspießen pflegen.
Vgl. Delbrouck, Die Pflanzenstacheln (Bonn [* 9] 1875).
Bei Tieren ist der S. eine Waffe zur Verteidigung oder zum Angriff, aber auch zur Anbohrung von Pflanzen, Erdreich etc., um die Eier [* 10] hineinzulegen (Legestachel). Besonders verbreitet bei den Insekten [* 11] (Bienen, Wespen etc.): häufig fließt durch ihn ein in besonderer Drüse bereitetes Gift in die Wunde (Giftstachel);
stets sitzt er am Ende des Hinterleibes, nie am Munde (die Stechvorrichtungen der Mücken, Wanzen etc. sind Mundteile und heißen Stechborsten, nicht Stacheln).
Beim Stachelschwein sind die Stacheln Haargebilde, bei Fischen umgewandelte Flossenstrahlen. Vgl. auch Echinodermen.