Staatsrecht
,
der Inbegriff der Rechtssätze, welche die Verfassung und die Regierung des Staates betreffen. Das S. ist ein Teil des Öffentlichen Rechts (s. d.). Zu den Gegenständen des S. gehört die Lehre [* 2] von den verschiedenen Staatsformen, die Darlegung der Organe eines Staates, also die Lehre vom Staatsoberhaupt und seinen Rechten und Pflichten, in der Monarchie vom Thronfolgerecht, ferner von der Volksvertretung, ihrer Zusammensetzung (Wahlrecht) und ihren Befugnissen, von dem System und der Einrichtung der Behörden und von dem Rechtsverhältnis der Beamten.
Sodann sind die Formen, in denen der Staat thätig wird, in ihrer rechtlichen Gestaltung zu erörtern, insbesondere die Gesetzgebung und Verordnungsgewalt, die Abschließung von Staatsverträgen, die rechtlichen Verhältnisse, Organisation und Thätigkeit der Justiz und der Verwaltung in ihren verschiedenen Zweigen, die Verwaltung des Heerwesens und der Finanzen, die Rechtskontrollen der Verwaltung, das Verhältnis der Justiz und der Verwaltung zu einander, die Wahrnehmung des Verkehrs mit andern Staaten. Endlich hat das S. die Grenze zu bestimmen zwischen der Machtsphäre des Staates und der Freiheitssphäre der ihm unterworfenen Individuen und Verbände mit Einschluß der Kirchen. - Man unterscheidet das positive S., welches es mit dem Rechtszustande eines konkreten Staates und einer bestimmten Zeit zu thun hat, und das allgemeine oder philosophische S., welches aus der Betrachtung vieler Staaten, ihrer Einrichtungen und histor.
Entwicklungen höhere Begriffskategorien, in welche sich die positiven Rechtsbildungen einreihen lassen, zu abstrahieren versucht. Da das positive S. sich immer nur auf denjenigen Staat bezieht, in welchem es gilt, so giebt es ein deutsches, franz., engl., österr.-ungar., schweizerisches S. u. s. w. Das deutsche S. erstreckt sich einerseits auf die rechtlichen Verhältnisse des Deutschen Reichs und seiner rechtlichen Beziehung zu den einzelnen deutschen Staaten, andererseits auf die Verhältnisse der einzelnen deutschen Staaten für sich. Strenggenommen würde es so viele S. geben wie einzelne deutsche Staaten. Da sich indessen die Rechtsordnung der einzelnen deutschen Staaten auf gemeinsamer geschichtlicher Grundlage und nicht ohne Rücksicht aufeinander entwickelt hat, existiert ein gemeines deutsches S. als Grundlage der einzelnen partikularen S.
Von den Hand- und Lehrbüchern des allgemeinen S. sind zu nennen: Bluntschli (6. Aufl., Stuttg. 1885);
Marquardsen und Seydel, Handbuch des Öffentlichen Rechts der Gegenwart, Bd. 1 und Einleitungsband (Freib. i. Br. 1883 fg.), Bornhak, Allgemeine Staatslehre (Berl. 1896);
des deutschen S.: Zachariä (3. Aufl., Gött. 1865 u. 1867), Laband (3. Aufl., Freib. i. Br. 1895), Zorn (2. Aufl., 2 Bde., Berl. 1895 u. 1897), Schulze (Lpz. 1881 u. 1886), Hänel, Bd. 1 (ebd. 1892), G. Meyer (4. Aufl., ebd. 1895);
des preußischen S.: von Rönne (4. Aufl., ebd. 1881-84), Schulze (ebd. 1888-90), Stengel [* 3] (Freib. i. Br. 1894);
des österreichischen S.: Ulbrich (2. Aufl., ebd. 1892).