Staatskirc
hentum,
s. Kirchenpolitik (Bd. 17).
Staatskirchentum
5 Wörter, 46 Zeichen
Staatskirchentum,
s. Kirchenpolitik (Bd. 17).
Bezeichnung für die Politik, welche die Kirche im allgemeinen und namentlich dem Staat gegenüber befolgt, aber auch Bezeichnung für die Politik der Staatsgewalt und der politischen Parteien im Staate der Kirche gegenüber. Bei der großen Bedeutung der letztern für das gesamte Kulturleben des Volkes und bei dem Einfluß, welchen die Kirche und die kirchlichen Organe auf das staatliche Leben auszuüben vermögen, ist die Regelung der Beziehungen des Staats zur Kirche eine der wichtigsten Aufgaben der Politik auf dem Gebiet der Gesetzgebung wie auf demjenigen der Staatsverwaltung.
Die zur Regelung dieses Verhältnisses zwischen Kirche und Staat bestimmten Gesetze werden kirchenpolitische genannt. Von einer in dem modernen Sinn des Wortes ist im Altertum kaum die Rede; denn die vorchristliche Zeit kannte keine vom Staatsleben gesonderte öffentliche Gottesverehrung, betrachtete diese vielmehr als Funktion des Staats selbst. Auch das römische Reich behauptete den gleichen Gesichtspunkt, und da die älteste christliche Kirche am Staatskultus teilzunehmen ablehnte, so wurde sie als staatsgefährlich verboten und verfolgt.
Sie bildete um so selbständiger ihre Vereinsverfassung aus, bis dann im Anfang des 4. Jahrh. Konstantin d. Gr. und seine Söhne sich ihr anschlossen und nunmehr für die Aufrechterhaltung und Fortbildung der christlichen Kirche die Staatsgewalt mit in die Wagschale legten. Unter dem fortwirkenden Einfluß des alten Gedankens, daß das den Gottesdienst betreffende Recht Staatsrecht sei, übten die Kaiser ihr Schutzverhältnis zur Kirche häufig so, daß sie dieselbe geradezu regierten. Diese Stellung der Staatsgewalt ist in der griechischen Kirche noch heute im wesentlichen Rechtens. - Im europäischen Westen nahm dagegen das Verhältnis zwischen Staat und Kirche eine andre Gestalt an. Die apostolische Mutterkirche dieses großen Patriarchatsprengels war Rom; [* 3] seit dem 5. Jahrh. aber erhob der römische Patriarch, der Papst, den Anspruch, daß er nach göttlicher Stiftung zugleich geistliches Haupt, Primas, der Gesamtkirche sei.
Zugleich machte er sich, vermöge der aus der Völkerwanderung hervorgehenden politischen Entwickelung des Westens, von dem oströmischen Kaiserregiment unabhängig, und schon unter den Karolingern konnten in der fränkischen Monarchie Stimmen laut werden, durch welche für den Papst, als den in der Kirche unbedingt herrschenden Stellvertreter Christi, in allem, was kirchlich sei, die Unterordnung der Staatsgewalt beansprucht wurde. Allerdings setzten die Päpste diese Ansprüche damals nicht durch, vielmehr behandelten auch noch die sächsischen und ersten fränkischen Kaiser die Bischöfe nach wie vor als von ihnen angestellte und abhängige, vielfach auch weltlich von ihnen verwendete Beamte und den Papst nur als den ersten dieser Reichsbichöfe ^[Reichsbischöfe].
Unterdes hatte aber auf den Gebieten der Gesellschaft die Bildung der mittelalterlichen Innungen begonnen, und die kirchliche bildete sich, schon vermöge ihrer Ausdehnung, [* 4] vorzugsweise mächtig aus. Zugleich verschaffte dem Papst, so oft er im Interesse kirchlicher Selbständigkeit den Kaiser bekämpfte, das gleichzeitige Auftreten der Landesherren gegen diesen brauchbare Verbündete. Als daher das Reich durch die lange und unruhige Regierung Kaiser Heinrichs IV. schwach wurde, zu Zeiten, in denen eine mit Energie sich geistlichen Interessen zuwendende Strömung (neue geistliche Orden seit 1084, Kreuzzüge seit 1096) in Papst Gregor VII. einen bedeutenden und besonnenen Führer fand, da ¶
ergab sich ein plötzlicher Aufschwung nicht bloß des kirchlichen Selbstbewußtseins, sondern auch seiner sozialen Machtmittel; nach einer Übergangsperiode gegenseitigen Ringens wurde der Staat von der kirchlichen Genossenschaft für lange unterjocht. Das in und von der Kirche damals zur Geltung gebrachte kuriale oder papale System beruht auf dem Satz, der Papst sei Stellvertreter Christi, und fordert demgemäß seitens der übrigen Kirchenobern die Anerkennung, daß niemand von ihnen kirchliche Regierungsgewalt besitzen könne, außer auf Grund päpstlicher Vollmacht, seitens der christlichen Staatsgewalten aber die Anerkennung, daß sie jedem vom Papst in Christi, d. h. Gottes, Vertretung gestellten Verlangen als Christen zu gehorchen haben.
Diese Herrschaft der Kirche über den Staat dauerte so lange, als im Occident auch die gesamte geistliche Kultur von der Kirche vertreten war. Als aber aus ihrer lateinischen Einheit die modernen nationalen Litteraturen sich entwickelten, lockerte sich gleichzeitig das Regiment der Kirche: die Bischöfe entzogen sich der römischen Kurie, und die Staatsgewalten erkannten die Unbedingtheit der kirchlichen Oberherrschaft nicht mehr an. Die Päpste hatten, während ihrer Residenz zu Avignon (1305-78) thatsächlich vielfach von den französischen Königen abhängig, die dringend nötige kirchliche Reformation auf unverantwortliche Weise verabsäumt.
Dem gegenüber erklärten jetzt die Bischöfe sich auch ihrerseits selbstverantwortlich; sie behaupteten, als Generalkonzilium über dem Papst zu stehen (sogen. Episkopalsystem), und nahmen auf den großen Konzilen zu Konstanz [* 6] (1414-18) und zu Basel [* 7] (1431-43) jene Reformation in ihre eigne Hand. [* 8] Die Staatsgewalten aber begannen die Geltung neuer kirchlicher Anordnungen in ihrem Land von staatlicher Genehmigung abhängig zu machen. Die Staatseinrichtungen des landesherrlichen »Placet« (regium exequatur) und der an die Staatsbehörden eröffneten Beschwerde wegen Mißbrauchs der Kirchengewalt (recursus tanquam ab abusu) treten in Spanien [* 9] seit dem zweiten Dritteil des 14. Jahrh., in Frankreich und in deutschen, zuerst städtischen Territorien um weniges später auf.
Das Deutsche Reich [* 10] als Ganzes, wenn es auch den Anspruch des Papstes auf Erteilung der Kaiserwürde zurückwies (Kurverein zu Rhense 1338) und an die Kirche wegen weltlicher Rechtsverweigerungen zu appellieren verbot (Goldene Bulle 1356), war freilich in jener Zeit schon zu wenig mehr der lebendige Träger [* 11] deutscher Staatsgedanken, als daß es deren umfänglichere Vertretung der kirchlichen Genossenschaft gegenüber hätte übernehmen können. Es hatte die Durchführung der Staatsidee im wesentlichen schon an die Territorialgewalten abgegeben, welche nunmehr ein Aufsichtsrecht über die Kirche in Anspruch nahmen.
Die Theorie, daß der Staat nicht nur unabhängig von der Kirche, sondern diese vielmehr verpflichtet sei, sich ihm unterzuordnen, ja einzuordnen, wurde im 15. Jahrh. von den Hussiten, in dem nächstfolgenden Jahrhundert aber von Luther wieder aufgenommen. Die Reformation brachte in allen protestantischen Territorien das Kirchenregiment an die Landesherrschaften. Sie war der erste praktisch durchgeführte Versuch des Staats, eine selbständige Stellung zur Kirche zu nehmen.
Das zu Grunde liegende Prinzip einer religiösen Pflicht der Staatsobrigkeit, für richtigen Gottesdienst im Lande zu sorgen, hatte indes noch einen konfessionell-kirchlichen Charakter. Als daher die religiösen Motive des 16. Jahrh. allmählich zurücktraten und man sich humanistisch gewöhnte, auch die Politik unmittelbar aus den Alten zu lernen, ersetzte man jenes religiöse Prinzip vielfach durch die antike Idee, daß es in der Natur des Staats liege, auch die religiöse Einheit seiner Bürger zu bedingen.
Diese in späterer Zeit als Territorialismus bezeichnete Auffassung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche wurde wissenschaftlich von Hobbes, Spinoza, vor allen von Grotius vertreten. Aber dieser territorialistische Staat war ebenso unduldsam aus politischen Gründen, wie es der landeskirchliche aus religiösen gewesen war: beide litten nur Eine Kirche im Land. Nachdem dann der Westfälische Friede (1648) den beiden deutschen Hauptkonfessionen ihren kirchlichen Besitzstand von 1624 garantiert hatte, wurde es in einer Mehrzahl deutscher Staaten zur politischen Notwendigkeit: sei es protestantische oder katholische, sei es zweierlei protestantische Kirchen zugleich im Land zu haben, und mehr und mehr machte sich jetzt folgende Auffassung geltend: Die Kirchen sind Privatvereine, Kollegia, deren es in einem Staate die verschiedensten nebeneinander geben kann.
Sie werden von demselben geschützt, zugleich aber im Interesse des öffentlichen Wohls beaufsichtigt und, wenn nötig, in der Freiheit ihrer Bewegung umgrenzt. Möglich, daß der Staat sich bewogen findet, einen einzelnen Kirchenverein ganz zu verbieten (reprobatio); möglich, daß er andern die Grenzen [* 12] jener Bewegung enger oder weiter zieht; möglich, daß er einen oder mehrere sogar mit Privilegien ausstattet: immer behält er neben seiner Pflicht, sie zu schützen (jus advocatiae), das Recht, sie zu beaufsichtigen und eventuell zu beschränken (jus inspectionis et cavendi).
Dies zusammen macht seine Kirchenhoheit (jus circa sacra) aus. Wo das Staatsoberhaupt außerdem auch noch das Recht hat, den Verein in seinen innern Verhältnissen zu leiten, ist das staatliche Kirchenregiment (Kirchengewalt, jus in sacra) von jener Kirchenhoheit wohl zu unterscheiden. Diese von Pufendorf stammende, später besonders von Chr. Matth. Pfaff vertretene und von der ganzen Reihe der Naturrechtslehrer angenommene Theorie heißt Kollegialismus.
Sie hat das große Verdienst, für das Verhältnis des Staats zur Kirche ein richtigeres Prinzip, das der Toleranz, aufgestellt
zu haben, welches, von allen modernen Staaten angenommen, das heutige Staatskirc
henrecht beherrscht. Allerdings
hat die römisch-katholische Kirche das Toleranzprinzip niemals förmlich anerkannt, wie sie schon das reformatorische Landeskirchentum
nicht anerkannte; sie hat vielmehr allen seit dem 14. Jahrh. gegen sie erhobenen Widersprüchen gegenüber ihr altes Kurialsystem
festgehalten.
Als im 16. Jahrh. von einer Reihe deutscher Landesherren die lutherische Bewegung in Schutz genommen wurde, auch nachdem sie vom Papst für eine ketzerische erklärt worden war, machte die Kurie das alte Ketzerrecht geltend und erreichte, daß im Wormser Edikt von 1521 dasselbe reichsseitig angewandt ward. Der Kaiser und die katholisch gebliebenen Fürsten hatten aber gegenüber der schon seit dem 15. Jahrh. gewonnenen landespolizeilichen Stellung der Territorialherren die Macht nicht, es durchzuführen, sondern erkannten im Augsburger Religionsfrieden von 1555 und, nach einem erneuten Versuch, im Westfälischen Frieden von 1648 die protestantische Religionsübung im Reich reichsgesetzlich an. Diese Friedensbestimmung erklärte jedoch der Papst in der Bulle Zelo domus Dei vom für null und nichtig, und er hat die Verwerfung der Toleranz bis heute festgehalten (vgl. »Syllabus errorum« vom ¶
Nr. 77, 78). Auf der andern Seite muß aber die römische Kirche thatsächlich mit dem Protestantismus leben; sie muß in Staaten mit einer Bevölkerung [* 14] von verschiedenem Glaubensbekenntnis eine Art und Weise des Nebeneinanderbestehens (modus vivendi) finden, und sie muß namentlich einer protestantischen Regierung gegenüber ihre Bestrebungen und ihre ganze Haltung den staatlichen Verhältnissen anpassen oder doch mit diesen rechnen. Auf die Gestaltung dieser Beziehungen zwischen Staat und Kirche sind in diesem Jahrhundert ganz besonders zwei in Wechselwirkung stehende Entwickelungen von bestimmendem Einfluß gewesen, von denen die eine im Staate, die andre in der Kirche vor sich ging.
Der Staat gestaltete sich nämlich aus dem polizeilich-absoluten in den konstitutionellen Rechtsstaat um. Durch das Repräsentativsystem, durch die Öffentlichkeit des modernen Staatslebens, die Vereinsfreiheit und die Freiheit der Presse [* 15] wird dem Einzelnen oder dem Verein auch auf den gesetzgebenden und indirekt auf den verwaltenden Staatswillen selbst bestimmend einzuwirken ermöglicht; insbesondere sind zur Leitung der politischen Wahlen soziale Einflüsse benutzbar, so daß dann die leitende Genossenschaft, indem sie ihre Vertreter in die Gemeinderäte, Provinzialstände und Abgeordnetenkammern sendet, auf die Regierung der entsprechenden Kreise [* 16] einen Einfluß ausübt.
Die römisch-katholische Kirchengenossenschaft erhielt in einem so gestalteten Staatsleben einerseits größere Freiheit ihrer selbständigen sozialen Existenz und Entwickelung, anderseits eine größere politische Macht, als sie im absoluten Polizeistaat gehabt hatte. Daher trat der am Anfang dieses Jahrhunderts in Deutschland [* 17] herrschende Episkopalismus mehr und mehr gegen den wieder vordringenden Kurialismus zurück. Allerdings hatte diese Erscheinung auch einen keineswegs zu unterschätzenden idealen Grund in der Gesamtströmung, die als Entwickelung der romantischen Schule bezeichnet zu werden pflegt.
Nun hatte bei der Säkularisation von 1803 das Reich ein über die Neueinrichtung der deutschen Diözesen mit dem Papst abzuschließendes Konkordat in Aussicht genommen und die künftigen Bistümer zu dotieren versprochen. Als dies Reichskonkordat nicht zu stande gekommen war, schlössen nach der Restauration von 1815 die deutschen Einzelstaaten, welche katholische Unterthanen in nennenswerter Menge hatten, über Neueinrichtung und Dotierung der Bistümer Verträge mit Rom.
Die Staatsregierungen gingen hierbei von einer kollegialistischen Auffassung, nämlich davon aus, es gelte die Reorganisierung solcher katholischer Religionsgesellschaften, deren je eine von den Katholiken eines Staats gebildet werde. Die Kurie hingegen hielt den Gesichtspunkt fest, daß sie eine einzige über die Welt ausgebreitete und nicht bloß die Katholiken, sondern rechtlich alle Christen umfassende Kirchengenossenschaft vertrete. Sie gab diesem Standpunkt, obwohl sie ihn gelegentlich als einen für jetzt unpraktischen bezeichnet hat, in jenen Verhandlungen unverhüllten Ausdruck; die Regierungen aber, die von der sozialen und staatlichen Entwickelung, welche bevorstand, noch keine Ahnung hatten, würdigten dessen politische Bedeutung damals nicht; Bayern [* 18] ging sogar so weit, sich in seinem Konkordat ihm äußerlich zu fügen, während Preußen [* 19] jedes Eingehen auf dergleichen Ansprüche ablehnte, indem es sich seine Kirchenhoheitsrechte und seinen Staatsangehörigen die Gewissensfreiheit ausdrücklich wahrte. Dies Beispiel ahmten die übrigen unterhandelnden protestantischen Regierungen nach.
In der Praxis blieben aber noch längere Zeit nach dieser Reorganisationsarbeit die polizeistaatlichen Zustände lebendig; der Umschwung der Gesinnungen, von welchem oben die Rede war, zeigte seine ersten Wirkungen nicht früher als in einer um Mitte der 30er Jahre mit dem Erzbischof von Köln, [* 20] Klemens August v. Droste, ausgebrochenen Streitigkeit. Die römische Kurie hatte von jeher ihr Prinzip, daß es Gleichberechtigung der christlichen Konfessionen [* 21] nicht gebe, vielmehr der Protestant nichts als ein im Bann befindlicher Katholik sei, unter anderm auf die konfessionell gemischten Ehen angewendet, hatte aber in Deutschland, wenigstens im nördlichen, eine gelindere Praxis schon seit etwa 1740 teils zugelassen, teils ignoriert.
Diese Praxis war in den östlichen preußischen Provinzen günstiger für die Gleichberechtigung als in den später erworbenen westlichen ausgebildet. Als nun die Regierung, welcher die Parität ein der katholischen Kirche gegenüber gewissenhaft geübtes Staatsprinzip war, die Praxis der östlichen Bischöfe auch bei den westlichen erzwingen wollte, allerdings nicht ohne Fehler in der Ausführung, fand sie dort so allgemeinen und so heftigen Widerspruch, daß sie vor demselben (1838) zurückwich.
Die Regierung des bedeutendsten deutsch-protestantischen Staats gab auf diesem Punkt also die kirchliche Behandlung ihrer protestantischen Unterthanen als ungehorsamer Katholiken zu. Für die römischen Interessen war es dabei in hohem Grad günstig, daß um 1840 sowohl in Norddeutschland (Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. von Preußen) als in Süddeutschland (bayrisches Ministerium Abel unter König Ludwig I.) Männer an die Spitze der wichtigsten Staatsregierungen kamen, denen nicht weniges von den Forderungen der ultramontan geleiteten kirchlichen Genossenschaft sympathisch war.
So vorbereitet trat diese Genossenschaft in das Jahr 1848 ein. Die Verfassungsentwickelung in den deutschen Einzelstaaten war ihr im allgemeinen günstig: sie ließ ihr die privilegierte Stellung, vermöge deren zur Aufrechthaltung kirchlicher Ordnungen der weltliche Arm zur Disposition blieb, garantierte ihr genossenschaftliche Selbständigkeit und gab ihr die Freiheit, ihren sozialen Einfluß nach Kräften zu steigern und politisch zu verwerten. Aber sie beließ dem Staat sein kirchenhoheitliches Aufsichts- und Einschränkungsrecht, dessen Aufgeben die Bischöfe im Sinn des römisch-kurialen Systems gleichfalls gefordert hatten.
Nur duldete die preußische Regierung eine Reihe von Jahren hindurch thatsächlich, daß die Bischöfe die der Kirche eingeräumte bedingte Selbständigkeit als unbedingte handhabten. In Österreich [* 22] erlangte diese souveräne kirchliche Selbständigkeit vermöge des 1855 mit dem Papst abgeschlossenen Konkordats auch prinzipielle und rechtliche Anerkennung. Für Süddeutschland wurde Baden [* 23] zum Angriffspunkt erlesen, wo zwei Dritteile der Unterthanen einer protestantischen Landesherrschaft, die sich 1848 schwach gezeigt hatte, Katholiken waren.
Wirklich gelang es dem dortigen Landesbischof, nicht bloß die badische, sondern gleicherweise die benachbarte württembergische Regierung, nicht ohne österreichische Unterstützung, so einzuschüchtern, daß sie von der kirchlichen Souveränität des Papstes Hilfe erbaten und dieselbe in Verträgen zugesichert erhielten (1857, 1859), in denen, soviel dies in großenteils protestantischen Staaten für jetzt thunlich erschien, der Inhalt des österreichischen Konkordats reproduziert ward, während auch die hessen-darmstädtische Regierung zu einem ähnlichen, vorderhand ¶