Staatskassenverwaltung.
Die gesamte moderne Finanzverwaltung zerfällt in drei Abschnitte: die Aufstellung des Etats; die Ausführung desselben und Rechnungslegung über ihn; endlich die Prüfung und Entscheidung darüber, ob etatsmäßig gewirtschaftet ist (Decharge). Einen wichtigen Zweig des zweiten Abschnitts bildet die S. Diese wird nach bestimmten Grundsätzen ausgeübt, welche vorzugsweise in Verwaltungsvorschriften (Instruktionen für die Kassenbeamten) enthalten sind.
Allgemein ist in der modernen Finanzwirtschaft das Princip der fiskalischen Kasseneinheit anerkannt, d. h. es werden alle Ausgaben und Einnahmen in einer Kasse zusammengefaßt. Da es aber bei der großen Anzahl der Staatseinnahmen und -Ausgaben und bei dem Umfange des Gebietes unmöglich ist, daß alle Erhebungen und Auszahlungen unmittelbar durch eine Kasse erfolgen, bestehen in den größern Staaten mehrere Kassen, die bald direkt, bald wieder durch Mittelglieder verbunden unter einer Centralstaatskasse stehen.
Der Geschäftskreis dieser einzelnen Kassen ist entweder territorial oder real, nach der Art der zu erhebenden Einkünfte, abgegrenzt. So giebt es in Preußen, dessen S. schon seit Anfang vorigen Jahrhunderts mustergültig organisiert war, unter der Generalstaatskasse Provinzialkassen (a. für alle Einnahmen und Ausgaben: die Regierungshauptkassen, b. für einzelne Einnahmezweige: Provinzialsteuer-, Oberbergamtshauptkassen) und unter diesen wieder Specialkassen für die einzelnen Verwaltungszweige (Domänen-, Forst-, Zoll-, Steuerkassen u. s. w.); endlich bestehen noch zwischen der Generalstaatskasse und den Provinzialkassen für einzelne Zweige sog. Generalkassen, z. B. Generallotterie-, Staatsschuldenhauptkasse u. s. w. Nach dem Regulativ vom fließen die Einnahmen sämtlicher Unterkassen in die Generalstaatskasse zusammen und aus dieser werden die Bedürfnisse aller Verwaltungszweige bestritten, und umgekehrt gelten die Ausgaben jeder Kasse als solche der Generalstaatskasse.
Von einigen Ausnahmen abgesehen, hat kein Verwaltungszweig Einnahmen, die ihm für seine Zwecke reserviert bleiben; die Einnahmen aus allen Ressorts werden vielmehr dem Finanzminister zur Deckung aller Ausgaben überwiesen. Die Kassenverwaltung wird ausgeübt durch besondere Kassenbeamte: Rendanten, Kontrolleure, Kassierer, Buchhalter, Unterbeamten;
diese haben die Gelder einzunehmen, aufzubewahren, Zahlungen zu leisten, die Bücher zu führen und Rechnung zu legen. Die Rechnungsablage erfolgt periodisch;
am wichtigsten ist die von allen Kassen nach Jahresschluß aufzustellende Rechnung.
Auf Grund der Einzelrechnungen wird vom Finanzministerium die Gesamtrechnung für das verflossene Jahr aufgestellt, welche von der Regierung nach Prüfung der Oberrechnungskammer (s. d.) dem Landtag zur Dechargeerteilung vorgelegt wird. Maßgebend für die Verwaltung der einzelnen Kasse ist der Kassenetat, welcher für jede Kasse jährlich unter Berücksichtigung und in Form des
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vorher sanktionierten Staatshaushaltsetats angefertigt wird und die Specialeinnahmen und -Ausgaben jeder Kasse enthält. Zur Sicherung einer ordnungsmäßigen Kassenverwaltung dienen die Kassenkuratel durch höhere Beamte, die Kassenrevisionen und die Kautionen der Hauptkassenbeamten. Um schließlich der Centralinstanz jederzeit eine klare Übersicht über den Stand der Kassenverwaltung zu ermöglichen, sollen alle Kassen der beim Finanzministerium bestehenden sog. Hauptbuchhaltern monatliche Abschlüsse einreichen.
Nach ähnlichen Grundsätzen ist die S. in den deutschen Mittelstaaten und in Österreich geregelt. Für das Reich trug das Reichsbankgesetz vom der Reichsbank auf, für Rechnung des Reichs Zahlungen anzunehmen und zu leisten, und veranlaßte so die Einrichtung der Reichs-Hauptkasse, welche eine besondere Abteilung der Hauptkasse der Reichsbank bildet; die letztere besorgt die Zahlungsgeschäfte für das Reich, die erstere die Buchführung und Rechnungslegung.
Die wichtigsten Kassen des Reichs sind die der Militär-, Marine-, Post- und Telegraphenverwaltung. Die Gebühren für die Benutzung der Reichspost- und Telegraphenanstalten werden von den einzelnen Behörden erhoben und durch die provinziellen Centralinstanzen der Einzelstaaten direkt an die Reichskasse abgeführt. In Österreich bestehen ebenfalls neben den Staatskassen (Staatscentralkasse, Landeshauptkassen, Hauptsteuerämter u. s. w.) Kassen des gemeinsamen Haushalts mit Ungarn (Reichscentralkasse u. s. w.). -
Vgl. Herrfurth, Das gesamte preuß. Etats-, Kassen- und Rechnungswesen (3. Aufl., 2 Bde., Berl. 1896);
Zetter, Artikel Staatskassen in von Stengels «Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts», Bd. 2. (Freib. i. Br. 1890),
S.477; Artikel Staatsrechnungs- und Kontrollwesen im «Österr. Staatswörterbuch», Bd. 2 (Wien 1896).