Staatsanleihen,
s. Staatsschulden.
6 Wörter, 70 Zeichen
s. Staatsschulden.
Auch bei durchaus geordnetem Staatsleben ist eine unmittelbare Deckung der erforderlichen Ausgaben nicht immer möglich. Oft können Leistung und Gegenleistung der Natur der Sache nach sich nicht sofort begleichen, und es sind infolge dessen Kreditverträge unvermeidlich. Hieraus entspringen die sogenannten Verwaltungsschulden, d. h. diejenigen, welche aus der Wirtschaftsführung der einzelnen Verwaltungszweige hervorgehen, und die innerhalb des Rahmens der diesen Zweigen überwiesenen Kredite oder ihrer eignen Einnahmen ihre Tilgung finden (A. Wagner). Zu unterscheiden hiervon sind die Finanzschulden, d. h. solche, welche die allgemeine Finanzverwaltung macht.
Dieselben werden zum Teil nur zu dem Zweck aufgenommen, um in einer Finanzperiode den Etat kassengeschäftlich durchzuführen. Einnahmen und Ausgaben sind in einer solchen Periode nicht immer gleich hoch, wenn sie sich auch summarisch begleichen. Erfolgen die Einnahmen erst später, während vorher die entsprechenden Ausgaben zu bestreiten sind, so kann man sich durch Aufnahme einer vorübergehenden Anleihe, einer sogen. schwebenden Schuld (franz. dette flottante, engl. Floating debt, flottierende Schuld, auch unfundierte Schuld genannt) helfen, deren Rückzahlung mit Hilfe jener bestimmten Einnahmen in Aussicht genommen werden kann.
Die übliche Form solcher Schulden ist die Ausgabe von verzinslichen, zu festgesetzter Zeit wieder einlösbaren Schatzscheinen (s. d.). Dem Wesen nach sind hierher auch alle diejenigen Schulden zu rechnen, welche dazu dienen, um Störungen infolge unerwarteter Mindereinnahmen oder Mehrausgaben zu begleichen, die in der folgenden Finanzperiode ihre Deckung finden sollen und meist ebenfalls durch Begebung von Schatzscheinen aufgenommen werden können. Solche schwebende Schulden werden oft prolongiert und dadurch thatsächlich zu dauernden.
Sie werden aber auch oft, wenn die Finanzverwaltung mehr nur die Bedürfnisse der Gegenwart ins Auge faßt, formell in bleibende oder fundierte Schulden umgewandelt. Überhaupt gehören zu den schwebenden Schulden alle kurzfristigen und stets fälligen Verbindlichkeiten, insbesondere die verschiedenen Depositenschulden, welche in Frankreich (Caisse des depôts et des consignations) einen hohen Betrag ausmachen. Ursprünglich bezeichnete man als fundierte Schulden solche, für deren Verzinsung und Tilgung bestimmte Einnahmen vorgesehen oder auch verpfändet waren. Heute, wo diese Art der Fundierung meist außer Gebrauch gekommen ist, nennt man fundierte Schulden schlechthin solche, für welche eine rasche Rückzahlung nicht vorgesehen oder eine bestimmte Tilgungspflicht nicht übernommen wird. Da
grundsätzlich die ordentlichen Ausgaben durch ordentliche Einnahmen gedeckt werden sollen, so dürfte die Aufnahme von dauernden Schulden nur in Frage kommen, wenn es sich darum handelt, Mittel zur Ermöglichung außergewöhnlicher Aufwendungen zu beschaffen, wie sie im Interesse des Schutzes und der Selbsterhaltung (Krieg) oder in demjenigen einer positiven Wohlfahrtsförderung durch Ausführung kostspieliger Unternehmungen (Meliorationen, Flußregulierungen, Bahnbau etc.) nötig werden. Da nun in solchen Fällen alle Aufwendungen thatsächlich jetzt schon gemacht werden, so sind auch alle Opfer von der Gesamtheit heute schon zu tragen, sie können nicht der Zukunft durch Aufnahme von Anlehen zugewälzt werden.
Dieser Umstand gab zur Forderung Veranlassung, es sollten auch alle außerordentlichen Ausgaben durch Besteuerung gedeckt werden. Man übersieht jedoch hierbei, daß alle Ausgleichungen von Störungen des volkswirtschaftlichen Gleichgewichts mit Opfern verknüpft sind, ferner daß, wenn auch bei der Steuer wie beim Anlehen die jetzt aufzulegende Last die gleiche ist, doch nicht in beiden Fällen die gleichen Personen als Träger derselben erscheinen. Die Steuer muß von allen Staatsangehörigen entrichtet werden ohne Rücksicht darauf, ob die Summen überall gleich verfügbar sind.
Bei dem freiwilligen Anlehen werden dagegen vorwiegend die disponibleren Summen angeboten. Strömt bei demselben auch Kapital aus dem Ausland zu, so führt die augenblickliche örtlich-persönliche Übertragung der Last auch für das ganze Volk zu einer zeitlichen, indem die jetzige Aufwendung von einer spätern Generation bei der Tilgung getragen wird. Was hier von Volk zu Volk, das tritt im andern Fall von Klasse zu Klasse ein. Insofern kommt auch hier eine zeitliche Überwälzung der Last vor.
Eine solche Überwälzung ist an und für sich gerechtfertigt, wenn den spätern Steuerträgern auch die Vorteile der außerordentlichen Aufwendung zu gute kommen. Zu ungunsten der Besteuerung kann noch weiter der Umstand sprechen, daß die Veranlagung derselben praktisch immer unvollkommen ist, Ungleichmäßigkeiten aber um so schwerer empfunden werden, je höher die Steuer ist. Hiernach kommen bei der Frage, ob Anlehen oder Besteuerung, im wesentlichen die Wirkung der Steuerauflegung und die der außerordentlichen Aufwendung in Betracht.
Ist letztere sehr hoch, und kommt sie den spätern Staatsangehörigen vorzüglich zugute, so ist das Anlehen, im andern Fall die Besteuerung am Platz. Da nun ersteres die Möglichkeit der Lastenüberschiebung bietet, so gibt es allerdings leicht Veranlassung zu unwirtschaftlichen Mehrausgaben, welche unterblieben wären, wenn man sie sofort hätte decken müssen. Für das Anlehen wird weiter geltend gemacht, daß dasselbe Gelegenheit zu sicherer Kapitalanlage biete, infolgedessen zu Fleiß und Sparsamkeit anrege und in den Gläubigern konservative staatserhaltende Kräfte schaffe, während freilich damit auch die Bildung müßiger Rentnerexistenzen veranlaßt wird.
Man unterscheidet freiwillige und erzwungene oder Zwangsanleihen. Zu letztern rechnet man die Einziehung von Bank- und Kautionskapitalien, Einstellung fälliger Zahlungen, erzwungene Steuervorschüsse, die eigentlichen Zwangsanleihen mit Zins- und Tilgepflicht, dann auch die Ausgabe von Papiergeld. Die eigentlichen Zwangsanleihen, früher auch patriotische Anleihen genannt, kommen bei der heutigen Kreditentwickelung nur noch selten vor, und man greift in der Not schon lieber zum Mittel der Ausgabe von Papiergeld (s. d.). Letzteres bildet jedoch als unverzinsliche Schuld ein verlockendes, deshalb aber auch gefährliches Mittel.
Der Verkehr wird jeweilig bis zu einer gewissen Menge Papiergeld willig annehmen, ohne daß der Kurs unter pari sinkt. Dies geschieht jedoch, sobald jene Grenze überschritten wird, ohne daß dafür gesorgt ist, daß die überschüssige Menge bei vorhandenen Einlösungsstellen wieder zurückfließen kann. Der Zwangskurs führt somit von jener Grenze ab zur Entwertung, welche für Geldwesen, Verkehr und Staatskredit gleich schädlich ist. Die freiwilligen Anlehen sind innere, wenn sie im Inland aufgelegt werden, was jedoch nicht ausschließt, daß sich bei denselben auch fremdes Kapital beteiligt.
Die äußern Anleihen werden im Ausland aufgenommen und lauten dann auf fremde Währung oder auf mehrere in ein festes Verhältnis zu einander gesetzte Geldsorten. Bei unentwickeltem Kredit müssen den Gläubigern besondere Sicherheiten bestellt werden. Dies geschah früher durch Verpfändung von Domänen und Landesteilen, durch »Radizierung« von Verzinsung und Tilgung auf bestimmte Einnahmequellen, welche auch oft den Gläubigern zur eignen Verwaltung überwiesen wurden. In modernen Kulturstaaten mit entwickeltem Kredit ist die Verpfändung nicht mehr nötig. An ihre Stelle tritt der allgemeine auf Reichtum des Volkes u. Vertrauenswürdigkeit seiner Regierung gegründete Staatskredit, von dessen Höhe Zins und Emissionskurs abhängen.
Die Begebung (Emission) von Staatsanleihen erfolgt entweder auf direktem Weg, indem der Staat sich unmittelbar an die Kapitalisten wendet, oder indirekt, indem der Staat sich der Zwischenhändler bedient. Im erstern Fall kann der Staat die Anlehenspapiere (Staatsschuldscheine, Staatspapiere) auf eigne Rechnung durch Agenten und Makler gegen Provision verkaufen (Kommissionsanleihe, weil das Zusammenbringen der Zeichnungen in Kommission gegeben wird), was bei kleinen Beträgen anwendbar ist, bei großen leicht einen Kursdruck bewirkt, oder er befolgt das französische System des beständigen Rentenverkaufs durch Hauptsteuereinnehmer, welche das Recht haben, Inskriptionen im großen Buch vorzunehmen und Schuldtitel auszustellen, oder endlich, er beschreitet bei großem Bedarf den Weg der Auflegung zur allgemeinen öffentlichen Subskription.
Bei letzterer werden die Kapitalbesitzer unmittelbar aufgefordert, an bestimmten Stellen (Zeichen-, Subskriptionsstellen) ihre Erklärung zur Beteiligung an dem Anlehen in vorgeschriebener Weise kundzugeben und gegen meist ratenweise Einzahlung die betreffenden Dokumente in Empfang zu nehmen. Wird der geforderte Betrag überzeichnet, so findet gewöhnlich eine Reduktion nach Verhältnis der gezeichneten Summen statt. Die indirekte Emission (Negoziation) kommt meist in der Form der Submission vor.
Der Staat fordert größere Geldinstitute, bez. Vereinigungen von solchen (Konsortien) auf, ein Angebot zu stellen, leiht die erforderliche Summe von demjenigen, welcher sich unter sonst gleich günstigen Bedingungen mit dem geringsten Gewinnsatz begnügt, also den höchsten Kurs zahlt, und überliefert ihm hierauf die bedungenen Obligationen, welche der Darleiher bei dem Publikum durch Subskription, Verkauf an der Börse oder sonst unter der Hand zu möglichst hohem Kurs auf eigne Rechnung unterzubringen sucht. Der gewöhnlich in Prozenten des Anleihekapitals ausgedrückte Gewinn, den hierbei der Übernehmer der Anleihe
erzielt, heißt Bonus. Derselbe kann um so kleiner sein, je größer der Staatskredit und je mehr Kapital auf dem Geldmarkt zur Verfügung steht. Auch können die Unternehmer, statt unmittelbar die Obligationen an den Staat zu bezahlen, die Garantie für ein bestimmtes Minimalerträgnis übernehmen. Diese Form der Emission bietet den Vorteil, daß die gewünschte Summe vollständig beschafft wird und alle einzelnen Punkte in Bezug auf Zahlung, Raten und Fristen von vornherein festgestellt werden können.
Dagegen kommt sie leicht sehr teuer, wenn die Darleiher wegen hohen Risikos auf hohen Gewinn rechnen müssen. Darum wird, wenn die Summe nicht plötzlich ihrem vollen Betrag nach aufzubringen ist und der Kredit des Darlehensnehmers einen hohen Emissionskurs anzusetzen gestattet, ohne daß aus einem submissionsweisen Unterbieten erhebliche Vorteile zu erwarten wären, die direkte Emission am Platze sein. In besonders kapitalreichen Ländern, welche der Garantie durch Bankiers nicht bedürfen, werden mit der Subskription überhaupt leicht günstigere Erfolge erzielt.
Die Anlehenspapiere werden meist unter pari begeben, so daß der wirkliche Zinssatz unter den Nominalzinsfuß zu stehen kommt. Je höher der vom Nominalbetrag gewährte Zins, um so höher kann der Emissionskurs sein. Ob nun ein niedriger Nominalzinsfuß mit geringem oder ein hoher mit hohem Kurs vorzuziehen ist, hängt im wesentlichen von der Art der Tilgung und den Schwankungen des landesüblichen Zinssatzes ab. Ist ein Sinken des Zinses wahrscheinlich und Gefahr vorhanden, daß der Staat kündigt, sobald der Kurs über pari gestiegen ist, so wird die Neigung größer sein, Papiere zu nehmen, die zu geringem, als solche, die zu hohem Nominalzins ausgeboten werden. Infolgedessen werden Papiere der erstern Art zu verhältnismäßig höherm Kurs begeben werden können. Allerdings wird damit auch die Tilgung erschwert, indem bei der Einlösung der Nennbetrag zurückzuzahlen ist.
Die Staatsschuldscheine lauten entweder auf den Inhaber oder auf Namen. Im letztern Fall werden die Namen der Besitzer im Staatsschuldbuch (s. d.) eingetragen. Die Übertragung auf Dritte erfolgt durch Umschreibung, kann aber auch durch Ausgabe von Certifikaten (s. d.) erleichtert werden. Einzelne Staaten besorgen auf Wunsch die Umwandlung von Inhaberpapieren in Namenpapiere und umgekehrt (vgl. Außerkurssetzung). Die Papiere selbst bestehen aus der eigentlichen Schuldurkunde und, wenn sie periodisch auszuzahlende Zinsen tragen, aus dem meist mit einem Talon versehenen Kouponbogen (s. Koupon). Der Nominalbetrag lautet auf abgerundete Summen, und zwar sind die Appoints so zu wählen, daß auf genügende Beteiligung desjenigen Publikums gerechnet werden darf, dessen Zuziehung als erwünscht erscheint.
Die Staatsschuld kann sein 1) eine von beiden Seiten aufkündbare. Eine solche kann zur Bedrängnis der Finanzverwaltung führen. Sie ist deshalb um so weniger zu empfehlen, als die Erfahrung lehrt, daß den Gläubigern ein freies Kündigungsrecht nicht eingeräumt zu werden braucht;
2) eine von beiden Seiten unaufkündbare und zwar entweder mit festem Rückzahlungstermin oder ohne solchen. In die letztere Klasse gehört die echte ewige Rente, welche nur dadurch getilgt werden kann, daß die Rententitel an der Börse zurückgekauft werden; in die erstere Klasse gehören die temporären oder Zeitrenten, wie die eigentlichen Zeitrenten oder Annuitäten (s. d.), durch deren Zahlung in bestimmter Frist das Kapital verzinst und getilgt wird, dann dem Wesen der Sache nach die Leibrenten und Tontinen (s. Rente), ferner die Lotterieanlehen (s. Lotterie) sowie diejenigen Obligationen, bei denen bestimmte Tilgungstermine festgesetzt sind und durch Verlosung die zu tilgenden Serien und Nummern festgestellt werden.
Die Schuld kann endlich auch sein 3) eine nur vom Staat, nichts aber auch vom Schuldner jederzeit aufkündbare (terminable, amortisierbare Anlehen, deren Titel gewöhnlich schlechthin Obligationen genannt werden). Hierher sind auch viele Rentenschulden zu rechnen wie z. B. die englischen Konsols, deren Rentenverschreibungen (bonds) sich auf eine bestimmte Kapitalsumme beziehen, zu welcher der Staat jederzeit einlösen kann. Bisweilen wird auch eine Minimal- und eine Maximalfrist für die Rückzahlung bestimmt, innerhalb deren die Verwaltung freie Hand hat.
Eine Verpflichtung zur Tilgung zu bestimmter Zeit kann für die Finanzverwaltung sehr lästig werden. Die Tilgung kann dann leicht zu einem Zeitpunkt stattfinden, in welchem keine Mittel verfügbar oder gar zu großen außerordentlichen Aufwendungen Anlehen aufgenommen werden müssen. Alsdann kann leicht der Fall eintreten, daß nicht allein neue Schulden lediglich zu dem Zweck gemacht werden müssen, um alte heimzuzahlen, sondern daß auch neue Anlehen unter ungünstigern Bedingungen abgeschlossen werden.
Aus diesem Grund empfiehlt es sich auch nicht, einen besondern Tilgungsfonds (s. d.) zu bilden, sondern vielmehr jeweilig Tilgungen vorzunehmen, wenn die Einnahmen die Ausgaben übersteigen. Allerdings wäre im Interesse eines geordneten Staatshaushalts schon bei Aufstellung des Budgets darauf zu sehen, daß auch wirklich vorteilhafte Tilgungen stattfinden können. Andernfalls würde Schuld auf Schuld gehäuft und eine unbillige Lastenabwälzung bewirkt.
Für die technische Erledigung der Geschäfte, welche sich an die Staatsschulden anknüpfen, sind besondere Stellen erforderlich, und zwar können hierfür entweder besondere Behörden und Kassen (Staatsschuldenverwaltung, Amortisations-, Schuldentilgungskasse) eingerichtet oder auch Banken mit der Besorgung beauftragt werden. Für Kontrolle der Staatsschuldenverwaltung werden in mehreren Staaten aus den Mitgliedern der Volksvertretung besondere Staatsschuldenkommissionen gebildet.
Ist der Staat nicht durch einen Verlosungsplan oder überhaupt durch einen Vertrag an die Tilgung gebunden, und hat er freies Kündigungsrecht, so kann er Obligationen aufrufen und zum Nominalbetrag heimzahlen oder dieselben durch Agenten an der Börse aufkaufen lassen. Ersteres empfiehlt sich, wenn bei sinkendem Zinsfuß der Kurs der Papiere über pari steigt, letzteres, wenn bei niedrigem Kurs verfügbare Geldbestände in der genannten Weise vorteilhaft verwendet werden können.
Kündigungen sind nicht allein am Platz, wenn Schulden getilgt werden sollen, sondern auch wenn der Staat in der Lage ist, neue Anlehen zu günstigern Bedingungen aufzunehmen, insbesondere wenn der Staatskredit gestiegen oder der landesübliche Zinsfuß gesunken ist. In diesem Fall kann der Staat Zinsherabsetzungen (Zinsreduktionen), bez. Schuldumwandlungen (Konversionen, Rentenkonversionen) durch Änderung von Schuldbedingungen, welche die Zinsenlast verringern, vornehmen. Solche Konversionen oder Reduktionen sind dann angezeigt, wenn bei
gutem Kredit des Staats der Kurs über pari gestiegen, mithin Geld zu einem niedrigern Zins zu haben ist. Zur sichern Durchführung der genannten Maßregel ist es nötig, daß die Finanzverwaltung der Einwilligung der meisten Gläubiger gewiß ist und die nötigen Mittel bereit gehalten werden, um die erforderlichen Heimzahlungen vollständig bewirken zu können. Hierauf werden die Gläubiger öffentlich aufgefordert, ihren Willen zu erklären. Diejenigen, welche den neuen Bedingungen zustimmen, erhalten für die alten Obligationen, falls dieselben nicht nur einfach abgestempelt werden, neue mit entsprechenden Kouponbogen, die übrigen Schuldtitel werden gegen bar eingelöst.
Meist wird, um die Gläubiger der Konversion geneigt zu stimmen, noch eine besondere Konversionsprämie in einem Prozentsatz der umzutauschenden Summe zugestanden. Solche Konversionen sind dann unmöglich, wenn der Staat sich an einen bestimmten Tilgungsplan gebunden hat oder die Kündigung überhaupt ausgeschlossen ist; sie werden unvorteilhaft, wenn das Anlehen zu einem zu niedrigen Nominalzinsfuß und damit auch zu niedrigem Kurs begeben worden ist. Die Zinsreduktionen werden oft mit der Konsolidation oder Schuldzusammenziehung verbunden, d. h. mit Operationen, durch welche mehrere Anlehen verschiedener Benennung und mit verschiedenen Nominalzinsfüßen in eine einzige mit nur einem Zinsfuß zusammen verbunden werden.
Dieser Umstand hat dazu Veranlassung gegeben, daß die Worte Konversion, Zinsreduktion und Konsolidation oft als gleichbedeutend gebraucht werden. Die Konvertierung kann auch unter der Form der Arrosierung auftreten. Unter letzterer ist jede Nachzahlung zu verstehen, welche zu dem Zweck gemacht wird, um bereits bestehende Ansprüche behaupten zu können. So verlangte Österreich 1805 und 1809 Nachzahlungen von den Inhabern von Schuldscheinen, welche ihrer Forderungsrechte überhaupt nicht verlustig gehen wollten.
Die Arrosierungsanlehen können jedoch auch den Charakter freier Übereinkunft behaupten. Steigt der Zinsfuß erheblich, während der Kurs vorhandener, zu niedrigem Nominalzinsfuß abgeschlossener Anlehen stark sinkt, so kann die Möglichkeit einer spätern Zinsreduktion und einer Tilgung dadurch geschaffen werden, daß der Nominalzinsfuß erhöht wird und zu dem Ende die Gläubiger zu Zahlungen aufgefordert werden. Gewaltsame Ermäßigung von Zins und Schuldsumme ohne Einverständnis der Gläubiger nennt man Staatsbankrott (s. d.).
In den meisten Ländern ist bei der gegebenen Lage der Finanzverwaltung (fortwährend steigende Ausgaben) an eine erfolgreiche Tilgung der Schulden nicht zu denken. Letztere sind vielmehr seit Ende vorigen Jahrhunderts stetig gestiegen. Eine genaue Vergleichung der Schulden verschiedener Länder und Zeiten ist zwar unmöglich; doch bieten die Zahlen nachfolgender Tabelle immerhin einen brauchbaren Inhalt für die Beurteilung im allgemeinen. Unter der Hauptsumme von 91,794 Mill. Mk. (für 1880) sind 6984 Mill. Mk. Eisenbahnschulden.
Auf Deutschland allein entfallen davon 2700 Mill. Mk., so daß unter den Großstaaten Deutschland verhältnismäßig am günstigsten gestellt ist. Die Ausgaben für Verzinsung und Tilgung dere ^[richtig: der] Schuld waren in Millionen Mark 1885: in Frankreich 1067, England 591, Rußland 521, Italien 436, Österreich-Ungarn 372, Spanien 219, Vereinigte Staaten 201, Niederlande 58, Preußen 182, Bayern 51, Sachsen 31, Württemberg 17, Deutsches Reich 17.
Es betrugen die S. (in Millionen Mark) in:
Länder | 1787 | 1816 | 1846 | 1874 | 1880 |
---|---|---|---|---|---|
Frankreich | 1500 | 1680 | 3300 | 18126 | 24798 |
Großbritannien | 4800 | 16990 | 16080 | 15690 | 14834 |
Spanien | 600 | 2250 | 3600 | 7200 | 10333 |
Italien | 240 | 900 | 1200 | 7830 | 10006 |
Österreich-Ungarn | 690 | 1800 | 2490 | 7290 | 7992 |
Rußland | 600 | 2400 | 1800 | 6700 | 7211 |
Türkei | - | - | - | 2250 | 5727 |
Deutschland | 240 | 1020 | 900 | 3150 | 4821 |
Portugal | 60 | 240 | 480 | 2160 | 1745 |
Belgien | - | - | 450 | 564 | 1633 |
Niederlande | 1500 | 2700 | 2400 | 1520 | 1579 |
Rumänien | - | - | - | 120 | 377 |
Griechenland | - | - | 120 | 212 | 277 |
Schweden | 18 | 24 | 30 | 144 | 220 |
Dänemark | 46 | 108 | 330 | 270 | 194 |
Serbien | - | - | - | - | 28 |
Norwegen | - | 26 | 16 | 40 | 17 |
Zusammen: | 10294 | 30058 | 33196 | 75266 | 91794 |
Regelmäßige Angaben über die S. aller Länder der Erde liefert das »Diplomatisch-statistische Jahrbuch des Gothaischen Hofkalenders«.
Vgl. Nebenius, Der öffentliche Kredit (2. Aufl., Karlsr. 1829);
Baumstark, Staatswissenschaftliche Versuche über Staatskredit, Steuern und Staatspapiere (Heidelb. 1833);
Hock, Die öffentlichen Abgaben und Schulden (Stuttg. 1863);
Eug. Richter, Das preußische Staatsschuldenwesen (Bresl. 1869);
Salings Börsenpapiere, finanzieller Teil (12. Aufl., Berl. 1888).