Staat
(vom lat. status), das innerhalb eines bestimmten Gebietes bestehende Gemeinwesen, welches, wenn auch nur in beschränktem Umfange, die oberste, d. h. von niemandem rechtlich abhängige Gewalt über die in diesem Gebiet wohnenden Personen ausübt und zur Leitung und Förderung ihrer Gesamtinteressen berufen ist. Die Natur des Menschen, sein Geselligkeitstrieb und die Existenzbedingungen für eine Mehrheit zusammenlebender Menschen fordern den S. Wie sich der einzelne S. bildet, welchen Umfang er gewinnt, ob er ein einheitliches Volk oder ein Nationalitätengemisch oder eine Mehrheit von Nationen unter sich begreift, wie lange er besteht, ist eine Folge geschichtlicher Bedingungen und Vorgänge. Daß der S. eine Anstalt zur Sicherung des Rechts auch ist, worauf man ihn in der Aufklärungsperiode gern beschränken wollte, versteht sich; daneben steht aber die Sorge für die Wohlfahrt aller (Salus reipublicae suprema lex esto) und nicht minder die Förderung der geistigen und sittlichen Kulturaufgaben der Menschen.
Indem der S. seine Macht unabhängig von jeder fremden Macht selber handhabt und für sich die oberste Gewalt beansprucht, ist er souverän. (S. Souveränität.) Die äußere Gestaltung seiner Organe nennt man Staatsform. Die Grundanschauung aber, nach welcher sich das staatliche Leben vollzieht, heißt das Regierungsprincip. Die Staatsform ist entweder Monarchie oder Republik, welche letztere wieder eine engere oder weitere sein kann, entweder Aristokratie (s. d.) oder Demokratie (s. d.). In der Monarchie (s. d.) tritt die einheitliche Konzentration aller Staatsgewalt in dem Staatshaupt und dessen staatlicher Würde (Majestät) energischer hervor; die Republik (s. d.) betont entschiedener die Macht und den Willen des Volks, sich selber zu regieren. Die konstitutionelle Monarchie ist ein Versuch, die Vorzüge der Monarchie mit denen der Republik zu vereinigen; ebenso versucht die repräsentative Republik mit einem Präsidenten an der Spitze auch einigermaßen die Vorzüge der Monarchie zu gewinnen. Häufig ist die Verbindung mehrerer S. zu einem Bundesstaat (s. d). Hierzu Karte: Verteilung der Staatsformen und Kolonialverfassungen auf der Erde.
Die Staatsformen bestimmen das Staatsrecht (s. d.), die Regierungsprincipien die Politik (s. d.). Man hat die S. eingeteilt in Rechtsstaaten und Polizeistaaten, je nachdem in ihnen die Freiheit des Einzelnen einen größern Rechtsschutz genoß, oder die Bevormundung der Individuen durch die polizeiliche Thätigkeit der Regierung in den Vordergrund gestellt wurde. -
Vgl. die Litteratur zu Staatsrecht sowie Ratzel, Der S. und sein Boden, geographisch betrachtet (Lpz. 1896);
B. Schmidt, Der S. Eine öffentlich-rechtliche Studie (ebd. 1896);
Michel, L'idée d'état (Par. 1896).