Staßfurt,
[* 1] Stadt im Kreis Calbe des preuß. Reg.-Bez. Magdeburg, nahe der anhält. Grenze, an der Bode, in einer Verflachung der aus Muschelkalk und buntem Sandstein bestehenden, vom Harz auslaufenden Hügelreihen, die zwischen Magdeburg und dem Harz eine Mulde mit einem bedeutenden Reichtum an Braunkohlen bilden, an den Linien Magdeburg- Schönebeck-Aschersleben und Magdeburg-Blumenberg-S. (53,7 km) der Preuß. Staatsbahnen, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Magdeburg), Steueramtes und einer Berginspektion, hat (1895) 18 931 (9622 männl., 9359 weibl.) E., darunter 1757 Katholiken und 68 Israeliten, Postamt erster Klasse mit Zweigstelle, Telegraph, Teile der alten Stadtmauer, Johanniskirche (15. Jahrh.), Petrikirche (1890), kath. Kirche (1887), Rathaus (1889), höhere Bürgerschule; Maschinenfabriken, Kesselschmieden, Brückenwagenbauanstalt, bedeutende königl. Salzwerke und eine Gewerkschaft Ludwig II. - S. wird urkundlich 806 als Starasfurt, ein Solgut bei S. 1195 erwähnt; 1452 wurde ein neuer Solbrunnen erbaut.
Die Solgüter waren in Händen von sog. Pfännern, die 1796 das ganze Salzwerk an den König von Preußen verkauften. Seit dieser Zeit wurde die 7prozentige Sole zur Darstellung von Kochsalz verarbeitet, bis man 1839 auf dem rechten Bodeufer in 260 m Tiefe ein Steinsalzlager antraf; 50 m tiefer fand man bunte, bittere Salze, aus Magnesia und Kalisalzen bestehend (Abraumsalze, s. d.), in den nächsten 280 m Tiefe aber reines, mit Anhydritschnüren durchsetztes Steinsalz. 1851 begann die Aufschließung bis 340 m Tiefe durch Abteufen zweier Schächte und 1857 die bergmännische Gewinnung der Salze, denen S. seinen Weltruf verdankt.
Die 1857 auf anhalt. Gebiet, etwa 1,2 km von den preuß. Schächten entfernt, angestellten Bohrversuche führten zur Errichtung der herzogl. Kaliwerke von Leopoldshall. Die Salze sind in ihrer Ablagerung scharf nach ihrer Löslichkeit im Wasser auf- und übereinander geschichtet, so daß immer das leichter lösliche das schwerer lösliche bedeckt, ein Beweis, daß die ganze Ablagerung den Absatz aus einem Meeresboden darstellt. Die obersten Schichten von 260 bis 310 m bilden die letzten Rückstände der Mutterlauge, die untersten von 310 bis 340 m das schönste, oft wasserhelle krystallinische Steinsalz.
Stellenweise befindet sich oberhalb der beschriebenen Ablagerung noch ein jüngeres Steinsalzlager ohne Anhydritschnüre mit vorzüglichem Steinsalz (98-99 Proz. Chlornatrium), dieses jedoch nur innerhalb des Feldes des königlich preuß. Werkes sowie der Felder der Salzbergwerke Neu-Staßfurt, Ludwig II., Leopoldshall und Solvayhall bei Bernburg. Das ältere Steinsalz ist von dem preuß. Fiskus in der Nähe von Unseburg durchbohrt worden, und zwar wurde es bereits bei 80 m Teufe angetroffen, während man das Liegende erst bei 1250 m Teufe erreichte. Bei einem Einfallswinkel von 35 bis 45° ist daher die Mächtigkeit dieses Lagers auf rund 900 m zu schätzen.
[* 1] ^[Abb.]
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Die Verwertung der Kalisalze fällt sowohl den einzelnen Salzbergwerken als auch gesondert bestehenden chem. Fabriken zu, welche die Hauptprodukte auf Chlorkalium, auf schwefelsaures Kalium und schwefelsaure Kalimagnesia verarbeiten. Als Nebenartikel werden gewonnen: Glaubersalz, in großen Krystallen für Glashütten;
Bittersalz und Kieseritsteine, zum Appretieren von Baumwollstoffen;
Chlormagnesium, Brom und Bromverbindungen, Natriumsulfat, Soda (nach dem Ammoniakverfahren) und Pottasche, letztere aus Chlorkalium nach dem Leblancschen Verfahren.
Die meiste Pottasche wird aber nicht in S., sondern in auswärtigen ältern Sodafabriken dargestellt. In S. ist nur eine Fabrik, die Pottasche aus Kaliumsulfat herstellt. Der Kieserit wird als Düngemittel, Fällungsmaterial von Blanc fixe und zur Darstellung des Alauns verwendet; er ersetzt in vielen Fällen die Schwefelsäure. Die Fabriken, von denen ein Teil 1872 sich unter der Firma Vereinigte Chemische Fabriken, Aktiengesellschaft Leopoldshall, konsolidiert hat, beschäftigten 1895 bei vollem Betriebe durchschnittlich 550 Arbeiter; 35 Dampfkessel liefern den nötigen Dampf.
Das bei vollem Betriebe jährlich verarbeitete Rohmaterial beträgt ungefähr 75 Mill. kg. Das fiskalische Werk S. hatte 1895 eine Belegschaft von 1000 Mann und 42 Dampfkessel. Die Produktion betrug 1895: 204,050 Mill. kg Kalisalz und 68,271 Mill. kg Steinsalz. Leopoldshall hat eine Belegschaft von 1166 Mann und 37 Dampfmaschinen im Betrieb. Neben seiner Schachtförderung hatte es früher eine Kochsalzsiederei, zu welcher jährlich etwa 1,5 Mill. kg Steinsalz kamen. Es lieferte 1894: 47,237 Mill. kg Steinsalz und 241,8?0 Mill. kg Kalisalze. Von den Kalisalzen waren beim königlich preuß. Werke 105,746 Mill. kg, beim Leopoldshaller 98,582 Mill. kg Kainit, der Rest im wesentlichen Carnallit.
Die Flächenausdehnung der Kalisalzlager ist anscheinend zwar geringer als die des Steinsalzes, aber immer durch eine von Croppenstedt über Westeregeln, Egeln, Tarthun, S., Schackenthal, Aschersleben, Friedrichsaue, Heteborn nach Croppenstedt gezogene Linie annähernd begrenzt. Die 1869 von Reinwarth angeregten und 1870 begonnenen Bohrversuche auf der südwestl. Seite des langgestreckten Gipsberges bei Westeregeln stellten 1871 in 149,7 m Tiefe das Vorkommen einer sehr mächtigen Ablagerung von Kalisalzen fest.
Sie ist durch das Salzwerk Douglashall, jetzt im Besitz der Alkaliwerke Westeregeln, Aktiengesellschaft, bergmännisch aufgeschlossen und förderte 1894: 192,389 Mill. kg Kalisalze. Weitere Funde ergaben die Ausdehnung der Kalisalzlagerstätten auf dem linken Ufer der Bode, wohin 1,3 km nordwestlich sowie nördlich von den frühern Schächten neue fiskalische Schachtanlagen (Schacht Achenbach und die Doppelschächte Maybach und von Berlepsch) verlegt sind; ferner bei Löderburg und Rothenförde (Gewerkschaft Neu-Staßfurt mit Zeche Agathe), und beim Lerchenbrunnen (Riebeckscher Schacht), jetzt im Besitz der Gewerkschaft Ludwig II. Ferner haben die östlich von Aschersleben durch die Continental Diamond Rockboring Company angestellten Diamantbohrungen, welche von der Mineral Salts Production and Moorlands Reclamation Company aufgenommen wurden, zur Anlage des Werkes Schmidtmannshall (s. d.) geführt.
Von den drei zuletzt genannten Werken förderte Neu-Staßfurt 62,559 Mill. kg Steinsalz, 221,912 Mill. kg Kalisalz, davon 124,937 Mill. kg Kainit; Ludwig II. 71,073 Mill. kg Carnallit; Schmidtmannshall 231,996 Mill. kg Kalisalz, davon 93,226 Mill. kg Kainit. In den letzten Jahren ist das Vorhandensein der Kalisalze auf einem großen Flächenraume nachgewiesen, besonders am Süd- und Ostrand des Harzes bis tief nach Hannover, Braunschweig und selbst Mecklenburg hinein. Im allgemeinen handelt es sich aber hier um das Vorkommen von Carnallit, während der wertvollere Kainit in abbauwürdiger Mächtigkeit nur an sehr wenig neuen Punkten angetroffen worden ist. Neuere Kalisalzbergwerke wurden angelegt bei Bienenburg bei Goslar (Gewerkschaft Hercynia), in Roschwitz bei Bernburg (Deutsche Solvaywerke), in Thiede bei Braunschweig (Thiederhall), bei Anderbeck (Wilhelmshall), in Jessenitz in Mecklenburg, Beienrode bei Königslutter, Kaiserrode bei Salzungen. Zum Teil sind die Schächte noch im Abteufen begriffen.
Vgl. Reinwarth, Über die Steinsalzablagerungen bei S. und die dortige Kaliindustrie (Dresd. 1871);
Bischof, Die Steinsalzwerke zu S. (2. Aufl., Halle 1875);
Ochsenius, Bildung der Steinsalzlager (ebd. 1877);
Precht, Salzindustrie von S. und Umgebung (Staßf. 1891);
van 't Hoff und Meyerhoffer, Untersuchungen über die Bildungsverhältnisse der oceanischen Salzablagerungen, insbesondere des Staßfurter Salzlagers (Berl. 1897).