Spiez
(Kt. Bern,
Amtsbez. Nieder
Simmenthal). 631 m. Gem. und Pfarrdorf am linken Ufer des
Thunersees; an und über der gleichnamigen
Bucht in geschützter und sonniger Lage. Ueber dem Dorf der hochgelegene Bahnhof der Linie
Thun-Interlaken,
in welchen die Linien Spiez
-Frutigen und Spiez-Zweisimmen-Montbovon-Montreux münden und der mit dem Landungsplatz der Schiffe
am See durch eine elektrische Trambahn verbunden ist. Postbureau 2. Klasse, Telegraph, Telephon; Postwagen nach
Aeschi. 181
Häuser, 1299 meist
reform. Ew. Landwirtschaft, Viehzucht, Obstbau. Fabrikation von Kirschwasser. Fremdenverkehr. Grosse Hotelbauten und mehrere
Fremdenpensionen. Privatheilanstalt für Nervenleidende «Sonnenfels»
am
Spiezberg. Naturheilanstalt. Oberländische Anstalt «Gottesgnad» für
Chronischkranke, Stiftung der bernischen Landeskirche.
Grossartiges Elektrizitätswerk der
Kander mit bemerkenswerten Kanalbauten und Turbinenanlagen. Im Dorfe Spiez
elektrische
Beleuchtung. Seit 1901 eine mit einem Kostenaufwand von 215000 Fr. durchgeführte Wasserversorgung mit Hydrantennetz. Sekundarschule.
Die Lage von Spiez
gehört zu den eigenartigsten und schönsten der
Schweiz. Mit Recht berühmt ist der
Ausblick vom hochgelegenen Bahnhof auf den
See, das
Schloss und das Hochgebirge. Von der Seeseite her imponieren besonders
die majestätische Pyramide des
Niesen, die eigentümlich verschobene Stockhornkette und die
Berge des
Kanderthales.
Das Dorf ist von einem wahren Wald von Obstbäumen umgeben. Besonders gut gedeiht der Kirschbaum; auch der Rebbau wird noch immer betrieben (23 ha). Auf einem Ausläufer des Spiezberges erhebt sich über dem See und der Bucht das mittelalterliche Schloss mit gewaltigem Burgturm und malerischen Anbauten. Im nicht zugänglichen Innern reiches Täfelwerk und Stukkaturen. In unmittelbarer Nähe des Schlosses steht die aus dem 12. Jahrhundert stammende Kirche, eine dreischiffige Pfeilerbasilika mit drei halbrunden Absiden. Im Inneren heraldische Malereien, Glasgemälde und Grabdenkmäler.
Interessanter spätgotischer Kirchenstuhl. Unter dem Chor eine jetzt als Archiv benutzte Krypta. Auf einem Fels hart über
dem
See das malerische einstige Pfarrhaus. In der Nähe des Landungsplatzes Ueberreste alter Befestigungen.
Im
See ist nahe den Hotels ein gewaltiger Springbrunnen eingerichtet worden. In der Umgebung, namentlich in der Nähe des
Bahnhofes und gegen den
Spiezberg, hübsche Spazierwege und Ruhesitze. An der Strasse nach
Faulensee steht eine in alt-schweizerischem
Stil erbaute römisch-katholische
Kapelle. In nächster Nähe von Spiez
bieten sich vorzügliche Aussichtspunkte,
wie der
Hondrichhügel (851 m), den die Spiez
-Frutigenbahn in einem
Tunnel unterfährt, ferner die sog.
Bürg bei
Faulensee (650
m) und der
Spiezberg (683 m), soweit nicht sein Betreten - weil Privateigentum - untersagt ist.
Der Bau einer neuen Kirche mit Pfarrhaus im obern Teile des Dorfes ist kürzlich vollendet worden, da
die alte Kirche samt Pfarrhaus 1905 als Eigentum an den Schlossherrn überging. Die Gemeinde und Kirchgemeinde Spiez
zählt 447
Häuser
und 3035 meist reform. Ew. Sie umfasst die Ortschaften: Faulensee in schöner und milder Lage
am See mit renommiertem Badeetablisement;
Hondrich am Fuss des Hondrichhügels, Spiezwiler nördl. vom Bahnhof, Spiezmoos in der Ebene nördl. vom Spiezberg und Einigen an der Strasse nach Thun.
Mit Ausnahme des 45 Minuten entfernten Einigen sind diese Ortschaften von Spiez
in 20-30
Minuten zu erreichen. Spiez
ist wohl eine der ältesten Ansiedelungen der Gegend. Eine Urkunde vom 13. März 763 meldet,
dass
Bischof Hatto die Kirchen von Spiez
und
Scherzligen dem Kloster Ettenheim im Schwarzwald geschenkt hat. Im Jahr 1228 wird
die Kirche von Spiez
unter den Kirchen des Bistums
Lausanne genannt. Die
Herrschaft Spiez
gehörte im Mittelalter den Edlen
von
Strättligen und dann 1338-1516 der Familie von
Bubenberg, aus der nicht weniger als 11 bernische Schultheissen
hervorgingen.
Das «Zum goldenen Hof» genannte Schloss war der Aufenthaltsort Adrians von Bubenberg, des Verteidigers von Murten († 1479), mit dessen Sohn dieses Geschlecht 1506 ausstarb. 1516-1875 gehörte das Schloss Spiez dem Hause von Erlach, das dem Staate Bern sieben Schultheissen gab, von welchen zwei, Franz Ludwig († 1659) und Sigismund († 1699), der bernische Anführer im Kriege gegen die aufständischen Landleute 1653, in der Kirche zu Spiez begraben liegen. Spiez war nebst Riggisberg, Oberdiessbach und Belp bis 1798 eine der vier Freiherrschaften, die nicht nur mit der niederen sondern auch mit der hohen Gerichtsbarkeit ausgestattet waren.
Der Ort Spiez bestand ursprünglich aus dem s. vom Schlosse gelegenen Städtchen, das sich verschiedener von Kaiser Rudolf von Habsburg 1280 verliehener Privilegien und Freiheiten erfreute und 1611 durch eine Feuersbrunst zerstört wurde. Ein Teil der alten Befestigungsmauer ist noch heute unmittelbar neben dem Hotel Spiezerhof wahrzunehmen. Der Aufschwung des Fremdenverkehrs nach dem Berner Oberland und der Bau der drei Linien Thun-Interlaken, Spiez-Frutigen und Spiez-Zweisimmen-Montbovon-Montreux haben das Gedeihen dieser Ortschaft ausserordentlich gefördert, deren Einwohnerschaft sich in ¶
mehr
den letzten 10 Jahren um 50% vermehrt hat. Als wichtiger Knotenpunkt und durch seine günstige und prächtige Lage ist Spiez ein Zentrum geworden, das nicht nur für den Fremdenverkehr sondern auch für das wirtschaftliche Leben des Oberlandes von grösster Bedeutung ist. Diese wird durch den vom Berner Grossen Rat 1906 beschlossenen und bereits im Bau befindlichen Alpendurchstich durch den Lötschberg noch beträchtlich gesteigert werden. Zahlreiche prä- und frühhistorische Funde zeugen dafür, dass die Gegend schon seit den ältesten Zeiten besiedelt gewesen ist.
Spuren von Giessereiwerkstätten aus der Bronzezeit beim Obergut;
Bronzebeil in Gwatt und andere Bronzegegenstände in Einigen, auf dem Riedli und bei der St. Kolumbankapelle in Faulensee;
zahlreiche Gräber aus der ersten La Tène-Zeit nahe Schönegg;
römische Münzen und Gräber aus der ersten Alemannenzeit in der Umgebung von Spiez selbst;
zwei Streitäxte auf der Einiger Allmend.
Die Umgebung von Spiez zeichnet sich durch das Vorhandensein von Kalkhügeln aus, die hauptsächlich aus Triasgesteinen (dolomitische Kalke mit Gips und Anhydrit, Rauhwacke), sowie Kalken und Schiefern des Rät und Flysch aufgebaut sind. 763: Spiets; 1226: Spiez. Der Name leitet sich vom althochdeutschen spioz = in einen See vorragende, schmale Landzunge, «Spitz», her.