Spiegelglas
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auf beiden Flächen vollkommen eben geschliffene Glasplatte, früher ausschließlich zur Herstellung von Spiegeln benutzt; gegenwärtig wird der größte Teil des jährlich erzeugten S. in unbelegtem Zustande an Stelle des gewöhnlichen Fensterglases zu Schaufenstern, ferner in bessern Wohnhäusern, Hotels und Kaffeehäusern verwendet. In der Mitte des 17. Jahrh. brachte Venedig [* 2] die ersten Tafeln aus S. in den Handel und blieb durch 200 Jahre im alleinigen Besitze des Geheimnisses ihrer Herstellung. 1665 gelang es Colbert, diese Industrie nach Frankreich zu verpflanzen, woselbst sie über 150 Jahre Privilegium einer einzigen Gesellschaft, der Compagnie von St. Gobain, bildete. Bis Ende des 17. Jahrh. konnten Spiegeltafeln nur nach Art der Fensterscheiben durch Blasen gewonnen werden. Um diese Zeit gelang es Lucas de Néhou, S. durch Guß herzustellen (s. Glasgießerei), der bedeutendste Fortschritt, den diese Industrie zu verzeichnen hat.
Die gegossenen, ebenso wie die geblasenen Spiegelscheiben müssen vor ihrer Verwendung noch geschliffen und poliert werden. Ursprünglich, solange man nur kleine Spiegelscheiben kannte, geschah dies mit der Hand, [* 3] gegenwärtig fast nur noch mit Maschinen. Man unterscheidet drei untergeordnete Operationen: das Rauh-, das Klarschleifen und das Polieren. Das Rauhschleifen bezweckt, alles Glas [* 4] bis auf den tiefsten Punkt der Tafeloberfläche wegzunehmen, es geschieht mit grobem Sand; das Klarschleifen hat den Zweck, das grobe Korn des Rauhschliffes ohne weitere Verdünnung der Tafel in feines Korn zu verwandeln; bei beiden Operationen ist die Tafel mit Gips [* 5] auf der Schleifbank festgekittet.
Beim Polieren wird Polierrot (Eisenoxyd) mit Hilfe lederner Kissen feucht aufgerieben. Welche Fortschritte durch Einführung zweckmäßiger Maschinen bei diesen Operationen gemacht wurden, geht aus den folgenden Zahlen hervor: 1765 brauchte man zum Rauh- und Klarschleifen von 2 qm Ebenfläche 41 Stunden, heute nur noch 10 Stunden. Damals hatte man zum Polieren 72 Stunden nötig, heute nur 12 Stunden. Alle diese Fortschritte riefen eine bedeutende Preisreduktion hervor. Eine Glasplatte von 4 qm Oberfläche kostete 1702: 2160 M., heute nur noch etwa 100 M. Einst war eine Spiegeltafel von 4 qm Oberfläche ein Wunderwerk, gegenwärtig stellt man S. von 20 bis 30 qm her. Auch die gegossenen, unpolierten Spiegeltafeln finden ausgedehnte Anwendung, besonders zu Glasdächern.
In Frankreich wurde 1895: 1 250000 qm geschliffenes S. erzeugt, davon 970000 qm von der Gesellschaft St. Gobain. In Deutschland [* 6] beträgt die Jahresproduktion ungefähr 320000 qm, in England 1 050000, in den Vereinigten Staaten [* 7] 600000, in Belgien [* 8] 1 300000 qm. Die größte Ausfuhr hat Belgien, dann Großbritannien, [* 9] Frankreich und Deutschland (1896: für 5,6 Mill. M., worunter 2,3 Mill. M. Spiegel). [* 10]