[* 1] (Speyer), ehemals reichsunmittelbares Bistum im oberrheinischen Kreis, umfaßte 1542 qkm (28
QM.) mit 55,000 Einw. Der Bischof hatte ein Einkommen von 300,000 Gulden und im Reichsfürstenrat auf der geistlichen Bank zwischen
den Bischöfen von Eichstätt und Straßburg seinen Sitz, auf den oberrheinischen Kreistagen die zweite Stelle. Er war Suffragan
des Erzbistums Mainz. Der fränkische König Dagobert I. soll zu Anfang des 7. Jahrh. das Bistum S. neu
errichtet haben, doch ist erst Bischof Principius zwischen 650 und 659 urkundlich beglaubigt.
Durch den Revolutionskrieg kamen 661 qkm (12 QM.) am linken Rheinufer an Frankreich, später an Bayern, der Rest am rechten
Ufer, mit der ehemaligen bischöflichen Residenz Bruchsal, 1803 an Baden. Durch das Konkordat von 1817 wurde
das Bistum wiederhergestellt und der Erzdiözese Bamberg überwiesen; sein Sprengel erstreckt sich über die bayrische Rheinpfalz.
Vgl. Remling, Geschichte der Bischöfe zu S. (Mainz 1852-54, 2 Bde. und 2 Bände »Urkundenbuch«);
Derselbe, Neuere Geschichte
der Bischöfe zu S. (Speier 1867).
(Speyer), Hauptstadt des bayr. Regierungsbezirks Pfalz und ehemalige freie Reichsstadt, an der Mündung des Speierbachs
in den Rhein, Knotenpunkt der Linien Schifferstadt-Germersheim und S.-Heidelberg der Bayrischen Staatsbahn, 105 m ü. M., hat breite,
aber unregelmäßige Hauptstraßen und trotz ihres hohen Alters doch im allgemeinen nur wenige altertümliche Gebäude. Das
merkwürdigste unter denselben ist der Dom, dessen Bau von Konrad II., dem Salier, 1030 begonnen und 1061 unter Heinrich IV.,
der 1064 noch die Afrakapelle hinzufügte, vollendet ward. Er ist im Rundbogenstil von roten Sandsteinquadern aufgeführt,
hat eine Länge von 147 m, eine Breite im Querschiff von 60 m und 4 Türme.
Das 12 Stufen über das Schiff sich erhebende Königschor enthält die Grabmäler von acht deutschen Kaisern (Konrad II., Heinrich
III., Heinrich IV. u. Heinrich V., Philipp von Schwaben, Rudolf von Habsburg, Adolf von Nassau und Albrecht I.) und das der Bertha,
der Gemahlin Heinrichs IV., das der Beatrix, der zweiten Gemahlin Friedrichs I., sowie ihrer Tochter Agnes.
Das Innere schmücken prachtvolle Fresken (32 große Kompositionen, 1845-54 von Schraudolph ausgeführt).
In der Vorhalle (Kaiserhalle) sind seit 1858 die acht großen Standbilder der hier begrabenen Kaiser aufgestellt (größtenteils
von Fernkorn ausgeführt). Die untere Kirche (Krypte) stützen massive niedrige Säulen. In den Anlagen um
den Dom sind der Domnapf, welcher früher vor dem Dom stand und den bischöflichen Immunitätsbezirk begrenzte, die Antikenhalle,
ehemals eine Sammlung römischer Altertümer bergend, der Ölberg (eine mit eingemeißelten bildlichen Darstellungen der Leiden
Christi, Blätterwerk und anderm Zierat geschmückte Steinmasse), das Heidentürmchen, dessen Unterbau wahrscheinlich aus der
Römerzeit stammt, die Kolossalbüste des Professors Schwerd und die des frühern Regierungspräsidenten v. Stengel hervorzuheben.
Nachdem der Dom schon 1159 und 1289 durch Feuersbrünste gelitten, wurde er von einem bedeutenden Brand heimgesucht,
aber binnen 18 Monaten wiederhergestellt. Die ärgste Zerstörung richteten indessen die Franzosen an:
eine Feuersbrunst zerstörte die drei westlichen Türme und das Gebäude selbst bis auf die Umfassungsmauern, sogar die alten
Kaisergräber wurden aufgerissen und die Gebeine umhergestreut. Erst in den Jahren 1772-84 ward der Dom wieder aufgebaut, aber
schon 1794 von den Franzosen abermals demoliert und in ein Heumagazin verwandelt.
Nachdem durch den König Maximilian I. seine Herstellung erfolgt war, konnte er wieder eingeweiht
werden. Später wurden auch die westlichen Türme mit dem Umbau und Neubau der Fassade wieder ersetzt und der alte Kaiserdom
wieder eingeweiht. Außer dem katholischen Dom hat S. noch 2 evangelische und 2 kathol. Kirchen. Aus alter
Zeit stammen noch: das Altpörtel (Alta porta), bereits 1246 erwähnt, jetzt Stadtturm mit Uhr, und die Überreste eines alten
Judenbades sowie des Retschers, eines alten, wohl bischöflichen Palastes, der 1689 mit der sogen. Neuen Kirche, dem Gymnasium
etc. zerstört wurde. Gegenwärtig wird der Bau einer neuen Kirche (Retscher- oder Protestationskirche)
vorbereitet. Das alte Kaufhaus, ein prächtiger Bau und früher das Haus der Münzer, ist im alten Stil wiederhergestellt und
um ein Stockwerk erhöht und enthält jetzt das Oberpostamt. Die Einwohnerzahl betrug 1885 mit der Garnison (3 Pionierkompanien
Nr. 2) 16,064 (darunter ca. 8100 Katholiken, 7400 Evangelische und 532 Juden).
Die Industrie beschränkt sich auf Buntpapier-, Tabaks-, Zigarren-, Leim-, Zucker-, Bleizucker- und Essigfabrikation, Bierbrauerei,
Gerberei, Ziegelsteinbrennerei, Wein- und Tabaksbau, Schiffahrt etc. Der lebhafte Handel wird unterstützt durch eine Reichsbanknebenstelle,
eine Filiale der Bayrischen Notenbank und andre Geldinstitute. S. ist Sitz einer Kreisregierung, eines Bezirksamtes, Amtsgerichts,
Oberpostamtes, Forstamtes, eines Bischofs, eines evangelischen Konsistoriums etc., hat ein Gymnasium, eine
Realschule, ein Lehrerseminar, eine Präparandenschule, ein bischöfliches Klerikal- und ein Knabenseminar, ein Waisenhaus, eine
Erziehungsanstalt für verwahrloste Kinder, eine Diakonissenanstalt etc. Ferner befinden sich dort ein städtisches Museum,
eine Bildergalerie, eine Bibliothek und ein botanischer Garten mit Baumschule. - S. ist das römische Noviomagus,
die Stadt der Nemeter, und hieß seit dem 7. Jahrh. Spira. Um 30 v. Chr. wurde die Stadt
von den Römern erobert und befestigt. Von den Alemannen zu Ende des 3. und Anfang des 4. Jahrh. mehrmals zerstört, wurde
sie von den Kaisern Konstantin und Julian wiederhergestellt, hatte aber im 5. Jahrh. von den Einfällen der Vandalen und Hunnen
wieder viel zu leiden. Im 6. Jahrh. ging die Stadt an die Franken, 843 an das ostfränkische Reich über.
Neben dem bischöflichen Schultheißen, dem die niedere Gerichtsbarkeit zustand, hatte hier bis 1146 ein königlicher Burggraf
seinen Sitz.
Damals ging auch dies Amt auf den Bischof über, bis es zu Anfang des 13. Jahrh. wieder von der Stadt erworben wurde,
was dann zu langwierigen Streitigkeiten mit dem Bischof führte. Nachdem schon Heinrich V. eine Ratsverfassung gegeben hatte,
welche Philipp von Schwaben 1198 bestätigte, schwang sich S. im 13. Jahrh. zur freien Reichsstadt empor,
erwarb jedoch kein Gebiet und zählte im 14. Jahrh. kaum 30,000 Einw.
Als Sitz des Reichskammergerichts, das 1513 nach S. kam und, nur zeitweilig verlegt, bis 1689 hier seinen
Sitz hatte, erhielt die Stadt großen Ruf. Als Reichsstadt hatte sie unter den Reichsstädten der rheinischen Bank den fünften
Platz, auch Sitz und Stimme auf den oberrheinischen Kreistagen. Unter den Reichstagen, welche zu S. (meist in einem Gebäude
des Ratshofs) gehalten wurden, sind besonders die von 1526 (vgl. Friedensburg, Der Reichstag zu S. 1526, Berl. 1887) und von 1529 wichtig,
von denen der erste die Ausführung des Wormser Edikts vertagte, der zweite die Einigung der Evangelischen zu einer Protestationsschrift
(daher »Protestanten«) veranlaßte.
Städtetage haben 1346 und 1381 stattgefunden. Der Friede zu S. 1544 enthielt den Verzicht des Hauses Habsburg
auf die Krone von Dänemark-Norwegen. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt 1632-35 abwechselnd von den Schweden, den Kaiserlichen
und den Franzosen erobert. Durch Kapitulation wurde sie 1688 wiederum an die Franzosen übergeben, die sie aber 1689 (im Mai)
beim Anrücken der Alliierten wieder räumten, nachdem sie die Festungswerke geschleift und die Stadt
zum Teil niedergebrannt hatten.
Anfang Oktober 1792 wurde die Stadt von den Franzosen unter Custine eingenommen und gebrandschatzt. Von 1801 bis 1814 war S.
die Hauptstadt des franz. Depart. Donnersberg, wurde aber 1815 bayrisch.
Vgl. Geissel, Der Kaiserdom zu
S. (Mainz 1826-28, 3 Bde.);
Zeuß, Die freie Reichsstadt S. vor ihrer Zerstörung (Speier 1843);
Remling, Der Speierer Dom (Mainz
1861);
Derselbe, Der Retscher in S. (das. 1858);
Weiß, Geschichte der Stadt S. (Speier 1877);
Hilgard, Urkunden zur Geschichte
der Stadt S. (Straßb. 1885).