Spanischer
Erbfolgekrieg 1701-1714. Da mit dem Tode des kinderlosen Königs Karl II. von Spanien [* 2] das Erlöschen des habsburgischen Stammes in diesem Land in Aussicht stand, so war die spanische Thronfolge ein Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit für die europäische Diplomatie bereits seit der Mitte des 17. Jahrh. Von drei Seiten wurden Ansprüche auf die Nachfolge erhoben. Ludwig XIV. von Frankreich, welcher bereits 1667 die spanischen Niederlande [* 3] als Erbe seiner Gemahlin in seinen Besitz zu bringen versucht hatte, verlangte den Thron [* 4] für seinen Enkel Philipp von Anjou, den zweiten Sohn des Dauphin, weil er (Ludwig XIV.) ein Sohn der spanischen Infantin Anna von Österreich, [* 5] Tochter Philipps III. von Spanien, und seine Gemahlin die älteste Tochter des spanischen Königs Philipp IV. war; Kaiser Leopold I., ebenfalls Enkel Philipps III. und Gemahl der jüngern Tochter Philipps IV. Margareta-Theresia stützte seine Ansprüche für seinen zweiten Sohn, Karl, teils auf diese verwandtschaftlichen Beziehungen, welche denen Ludwigs XIV. vorangingen, weil dessen Gemahlin ihren Erbansprüchen bei ihrer Vermählung entsagt hatte, teils auf die Erbansprüche des Hauses Habsburg auf die spanische Monarchie.
Außerdem wurden auch für den Kurprinzen Joseph Ferdinand von Bayern, [* 6] dessen Mutter Maria Antonia eine Tochter Leopolds I. und seiner spanischen Gemahlin war, Ansprüche auf den spanischen Thron erhoben, welche namentlich von den Seemächten, an deren Spitze Wilhelm III. von Oranien stand, begünstigt wurden, da diese die spanische Monarchie weder an Frankreich noch an Österreich fallen, höchstens die italienischen Nebenlande an sie verteilen wollten, wie auch ein Teilungsvertrag vom festsetzte.
König Karl II. ernannte den bayrischen Prinzen testamentarisch zu seinem Nachfolger in allen damals spanischen Landen. Als letzterer plötzlich starb, schlossen Wilhelm III. und Ludwig XIV. einen neuen Teilungsvertrag, wonach der Erzherzog Karl die spanische Krone, Philipp von Anjou Neapel, [* 7] Sizilien, [* 8] Guipuzcoa und Mailand [* 9] erhalten sollte. Da aber Leopold I. diesem Vertrag seine Zustimmung verweigerte, so hielt sich auch Ludwig XIV. nicht an ihn gebunden. Am Hof [* 10] zu Madrid [* 11] wirkte der kaiserliche Gesandte Graf Harrach für den Erzherzog Karl, der französische Gesandte Marquis v. Harcourt für Philipp von Anjou. Letzterer trug endlich den Sieg davon, denn Karl II. setzte durch Testament vom Philipp von Anjou zum Erben der gesamten spanischen Monarchie ein. Nach Karls II. Tod ergriff Philipp V. sofort Besitz von dem spanischen Thron und zog schon in Madrid ein.
Anfangs erhob nur Kaiser Leopold Protest hiergegen und traf Anstalt zum Beginn des Kriegs in Italien. [* 12] Erst als Ludwig XIV. deutlich seine Absicht kundgab, die Erwerbung der spanischen Monarchie zur Erhöhung von Frankreichs Machtstellung zu verwerten und den Schiffen der Seemächte die Häfen Südamerikas und Westindiens zu verschließen, als französische Truppen die holländischen Besatzungstruppen aus den Festungen der spanischen Niederlande vertrieben und der französische König nach Jakobs II. Tode dessen Sohn als König Jakob III. von Großbritannien [* 13] anerkannte, kam zwischen dem Kaiser und den Seemächten eine Tripelallianz zu stande, welcher dann auch das Deutsche Reich [* 14] und Portugal beitraten. Zwar starb König Wilhelm III. indes blieben sowohl England unter Königin Anna, welche von Marlborough und seiner Gemahlin beeinflußt wurde, als die von dem Ratspensionär Heinsius geleiteten Niederlande seiner Politik getreu. Frankreich hatte nur die Kurfürsten von Bayern und Köln [* 15] sowie den Herzog Viktor Amadeus II. von Savoyen zu Verbündeten.
Der Krieg wurde 1701 durch den kaiserlichen Feldherrn Prinz Eugen von Savoyen in Italien eröffnet. Eugen schlug Catinat 9. Juli bei Carpi, den an Catinats Stelle getretenen unfähigen Villeroi 1. Sept. bei Chiari und nahm den letztern durch einen Überfall in Cremona gefangen. Dem neuen französischen Feldherrn Vendôme gelang es indes, die Fortschritte der Kaiserlichen in Italien zu hemmen, auch nachdem 1703 der Herzog von Savoyen auf die Seite des Kaisers übergetreten war. Am Niederrhein behauptete inzwischen der große englische Feldherr Marlborough die Oberhand gegen die Franzosen: er eroberte die Festungen an der Maas und das ganze Kurfürstentum Köln. Am obern Rhein hatte der Prinz Ludwig von Baden, [* 16] dem der Marschall Villars gegenüberstand, Landau [* 17] ¶
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erobert und Villars, der bei Hüningen über den Rhein ging, zum Rückzug genötigt; aber 1703 eroberten die Franzosen Breisach (7. Sept.) und Landau (17. Nov.); ferner vereinigte sich der Kurfürst von Bayern bei Tuttlingen [* 19] mit Villars, und beide drangen in Tirol [* 20] ein. Zwar wurden sie durch die Erhebung der Tiroler unter großem Verlust wieder zurückgetrieben; aber da der ungeschickte österreichische General Styrum sich 20. Sept. bei Höchstädt [* 21] schlagen ließ und 13. Dez. Augsburg [* 22] sich ergeben mußte, so endete der Feldzug für die Verbündeten im ganzen nicht günstig. Landau und Breisach gingen wieder an die Franzosen verloren. Auch fiel Anfang 1704 Nassau in die Hände des Kurfürsten, und der Kaiser, der gleichzeitig einen Aufstand in Ungarn [* 23] zu bekämpfen hatte, sah sich schon in seinen Erblanden bedroht.
Da trat 1704 die entscheidende Wendung ein. Prinz Eugen, den der Kaiser an die Spitze des Hofkriegsrats gestellt hatte, faßte den Plan, durch einen kombinierten Angriff der beiden verbündeten Heere die bayrisch-französische Macht zu vernichten. Marlborough ging bereitwilligst auf diesen Plan ein und zog in Eilmärschen vom Niederrhein nach Schwaben. Markgraf Ludwig und er vereinigten ihre Truppen bei Ulm, [* 24] nötigten durch Wegnahme der Verschanzungen auf dem Schellenberg bei Donauwörth (2. Juli) den Kurfürsten und den französischen General Marsin zum Rückzug nach Augsburg, und nachdem einerseits Tallard sich mit letzterm, anderseits Eugen sich mit Marlborough vereinigt hatte (während der Markgraf von Baden Ingolstadt [* 25] belagerte), erlitt das französisch-bayrische Heer bei Höchstädt (Blenheim) eine entscheidende Niederlage und verlor gegen 30,000 Mann an Toten und Verwundeten; Tallard selbst und 15,000 Mann wurden gefangen.
Der Kurfürst mußte flüchten. Als Leopold I. starb, setzte sein Sohn Joseph I. den Kampf mit Energie fort. Er beschwichtigte den ungarischen Aufstand, erwirkte die Achtserklärung gegen die beiden wittelsbachischen Kurfürsten und bemächtigte sich nach blutiger Unterdrückung einer Volkserhebung der bayrischen Lande. Am erfocht Marlborough bei Ramillies einen glänzenden Sieg über die Franzosen unter Villeroi, besetzte Löwen, [* 26] Mecheln, [* 27] Brüssel, [* 28] Gent [* 29] und Brügge und ließ überall Karl III. als König ausrufen.
Als infolge dieser Niederlage Vendôme aus Italien nach den Niederlanden berufen wurde, erhielt dadurch Eugen die Möglichkeit, von Verona [* 30] aus dem von den Franzosen belagerten Turin [* 31] zu Hilfe zu eilen und nach seiner Vereinigung mit dem Herzog von Savoyen den vereinigten französischen Generalen Marsin, Herzog von Orléans [* 32] und La Feuillade 7. Sept. vor Turin eine gänzliche Niederlage beizubringen, infolge deren die Franzosen gemäß der sogen. Generalkapitulation vom ganz Italien räumen mußten.
Nur am Oberrhein gelang es Villars, nach dem Tode des Markgrafen Ludwig (Januar 1707) die von den Reichstruppen besetzten Stollhofener Linien zu durchbrechen und das südwestliche Deutschland [* 33] brandschatzend zu durchziehen. Selbst in Spanien, wo die überwiegende Mehrheit der Nation dem bourbonischen König Philipp V. anhing, gelang es dem habsburgischen Prätendenten, vorübergehende Erfolge zu erringen. Gleich im Anfang des Kriegs wurde von den Engländern und Holländern eine im Hafen von Vigo liegende spanische Flotte zerstört; 1703 trat König Dom Pedro II. von Portugal dem großen Bündnis bei, und 1704 erschien Erzherzog Karl in Spanien, während die Engländer Gibraltar [* 34] eroberten.
Wirklich gelang es Karl, 1705 sich zum Herrn von Valencia, [* 35] Katalonien und Aragonien zu machen; wurde sogar Madrid von einem vereinigten englisch-portugiesischen Heer unter Galloway und Las Minas besetzt; allein da den Operationen der Verbündeten der Zusammenhang fehlte, so waren diese Erfolge nicht von Dauer, Madrid ging bald wieder verloren, und nach dem Sieg des Marschalls Berwick über das englisch-portugiesische Heer bei Almanza fielen auch die südlichen Provinzen in die Hände Philipps V.
Obwohl die Verbündeten auch auf den übrigen Kriegsschauplätzen 1707 keine großen Erfolge errangen, machte sich in Frankreich die Erschöpfung der Hilfsmittel schon so sehr geltend, daß Ludwig XIV. den Seemächten den Verzicht auf Spanien anbot und nur die italienischen Lande für seinen Enkel beanspruchte. Indes noch war Marlboroughs Einfluß in England maßgebend, überdies hofften die Engländer, Spanien unter Karl III. zu ihrem ausschließlichen Nutzen merkantil ausbeuten zu können.
Die Seemächte waren mit Österreich darüber einverstanden, daß man nicht bloß aus dem Erwerb der ganzen spanischen Monarchie für Österreich bestehen, sondern auch die Lage benutzen müsse, um Frankreichs Vorherrschaft für immer zu brechen. Der Erfolg schien dies Vorhaben zu begünstigen. Ein Versuch, den ein starkes französisches Heer unter dem Herzog von Burgund und Vendôme 1708 unternahm, um die spanischen Niederlande wiederzuerobern, wurde durch den Sieg Eugens und Marlboroughs bei Oudenaarde (11. Juli) vereitelt und ganz Flandern und Brabant von neuem unterworfen. Ludwig XIV. war jetzt sogar bereit, auf Grundlage des völligen Verzichts auf Spanien über einen Frieden zu verhandeln. Auch als die Verbündeten die Rückgabe des Elsaß mit Straßburg, [* 36] der Freigrafschaft, der lothringischen Bistümer forderten, war der französische Gesandte im Haag, [* 37] Torcy, noch zu Unterhandlungen bereit. Erst die Zumutung, seinen Enkel selbst durch französische Truppen aus Spanien vertreiben zu helfen, wies Ludwig XIV. mit Entschiedenheit zurück. Der Krieg in den Niederlanden wurde wieder aufgenommen; die blutige Schlacht bei Malplaquet blieb zwar unentschieden, die furchtbaren Verluste der Franzosen in derselben erschöpften aber ihre Kräfte. Gleichzeitig siegte in Spanien der österreichische General Starhemberg bei Almenara 27. Juli und Saragossa [* 38] 20. Aug., und Karl zog 28. Sept. in Madrid ein.
Da, als Frankreichs Niederlage unabwendbar schien, als der Übermut der Verbündeten keine Grenzen [* 39] mehr kannte, traten unerwartete Ereignisse ein, welche einen Umschwung zu gunsten Ludwigs XIV. zur Folge hatten. Am errang Vendôme einen glänzenden Sieg über Starhemberg bei Villa Viciosa. Wichtiger war noch, daß in England das Whigministerium durch ein Toryministerium verdrängt wurde, welches den Frieden möglichst rasch herzustellen wünschte, und daß Kaiser Joseph I. starb. Da nun dessen Bruder, der Prätendent für Spanien, als Karl VI. Kaiser wurde, so fürchteten die andern Mächte, das Haus Habsburg möchte durch die Vereinigung Österreichs mit Spanien zu mächtig werden. Zunächst knüpften die Engländer mit Ludwig XIV. geheime Unterhandlungen an. Am wurden die Präliminarien zu London [* 40] unterzeichnet und trotz aller Gegenbemühungen des Kaisers der Friedenskongreß zu Utrecht [* 41] eröffnet. Marlborough wurde durch den Grafen Ormond, einen eifrigen Jakobiten, ersetzt, und dieser gewährte dem Prinzen ¶
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Eugen nicht die nötige Unterstützung, so daß der Marschall Villars bei Denain wieder einige Erfolge über Eugen und die Holländer davontrug. Als Philipp V. auf die Erbfolge in Frankreich für sich und seine Nachkommen feierlichst verzichtete und diese Urkunde von Ludwig XIV. bestätigt, also eine Union Spaniens mit Frankreich für die Zukunft verhindert wurde, schlossen England und bald auch die Niederlande mit Frankreich Waffenstillstand, dem am der förmliche Abschluß des Friedens zu Utrecht folgte, dem auch Portugal, Savoyen und Preußen [* 43] beitraten; Kaiser und Reich weigerten sich, ihn anzuerkennen.
Die Bedingungen dieses Friedens waren folgende: Philipp V. erhält Spanien mit den außereuropäischen Besitzungen, welches aber nie mit Frankreich vereinigt werden darf;
Frankreich erkennt die Thronfolge in England an und tritt an dieses die Hudsonbailänder, Neufundland und Neuschottland ab;
von Spanien erhält England Gibraltar und Menorca sowie beträchtliche Handelsvorteile im spanischen Amerika, [* 44] Preußen bekommt das Oberquartier von Geldern und Neuchâtel mit Valengin, Savoyen eine Anzahl Grenzfestungen und die Insel Sizilien, Holland die sogen. Barrierefestungen (s. Barrieretraktat) und einen günstigen Handelsvertrag. So von den Verbündeten verlassen, konnten der Kaiser und Prinz Eugen nichts mehr ausrichten, zumal die Reichsfürsten sich sehr saumselig und unzuverlässig zeigten.
Der Marschall Villars nahm Landau, brandschatzte die Pfalz und Baden und eroberte 16. Nov. Freiburg [* 45] i. Br., worauf er Eugen Friedensunterhandlungen anbot, welche auch zu Rastatt [* 46] eröffnet wurden. Am wurde der Friede zwischen Frankreich und dem Kaiser zu Rastatt abgeschlossen. Um auch das Deutsche Reich in den Frieden aufzunehmen, fand ein Kongreß zu Baden im Aargau statt, wo der Rastatter Friede mit wenigen Änderungen 7. Sept. d. J. angenommen wurde.
Hiernach bekam der Kaiser die spanischen Niederlande, Neapel, Mailand, Mantua [* 47] und Sardinien; [* 48] Frankreich behielt von seinen Eroberungen nur Landau; die Kurfürsten von Bayern und Köln wurden in ihre Länder und Würden wieder eingesetzt. Vergeblich verwendete sich der Kaiser für die treuen Katalonier, welche sich Philipp V. nicht unterwerfen wollten; seine Bemühungen waren fruchtlos, Barcelona [* 49] wurde von dem Marschall von Berwick erobert, und die Katalonier verloren ihre alten Vorrechte und ständischen Freiheiten.
Vgl. v. Noorden, Europäische Geschichte im 18. Jahrhundert, 1. Teil: Der spanische Erbfolgekrieg (Düsseld. 1870-82, 3 Bde.);
Lord Mahon, History of the war of the succession in Spain (Lond. 1832);
de Reynald, Louis XIV et Guillaume III. Histoire des deux traités de partage et du testament de Charles II. (das. 1883, 2 Bde.);
Courcy, La coalition de 1701 contre la France (Par. 1886, 2 Bde.);
Parnell. The war of succession in Spain 1702-1711 (Lond. 1888);
Arneth, Prinz Eugen von Savoyen (Wien [* 50] 1858, 3 Bde.);
die Memoiren des Herzogs von Marlborough (s. d. 1).