Sonntagssc
hulen,
im allgemeinen alle Schulen, deren Unterricht auf den
Sonntag fällt, also auch
viele Fortbildungsschulen (s. d.), die ja ursprünglich von der
Kirche für die religiöse Fortbildung der
Jugend eingerichtet
wurden. So braucht schon 1569 der
Bischof von
Samland für eine solche Einrichtung den
Namen Sonntagssc
hule. Zuerst handelte
es sich um die schulpflichtigen
Kinder, z. B. in
Württemberg
[* 2] als Ersatz für den im
Sommer ausfallenden
Schulunterricht, bald aber in erster Linie um die aus der Schule entlassene
Jugend. In dieser
Aufgabe wurden die S. durch die
Fortbildungsschulen (s. d.) und Fachschulen (s. d.)
abgelöst; der
Name bleibt daher jetzt andern Einrichtungen vorbehalten, die man gegenwärtig häufiger als
Kinder- oder Jugendgottesdienst
zu bezeichnen pflegt.
Die Kirchenordnungen der Reformationszeit enthalten vielfach die Forderung von Jugendgottesdiensten,
und auch die kath.
Kirche schloß sich dieser
Sitte an: Kinderlehre oder Christenlehre war der
Name, der
Katechismus das Lehrbuch
dafür. Ganz besonders nahm sich der
Pietismus der Sache an.
Spener und Francke waren eifrige Katecheten. Aber die modernen
Kindergottesdienste gehen auf engl.-amerik. Einrichtungen zurück. In England handelte es sich um
einen Ersatz für die fehlenden oder ungenügenden
Volksschulen, und so richtete der
Buchdrucker Robert Raikes 1783 in
Gloucester
die erste Sonntagsschule
für arme, verwahrloste
Kinder ein, in der dieselben in
Religion und im
Lesen und Schreiben unterrichtet
werden sollten; 1785 wurde in
London
[* 3] eine Gesellschaft zur
Verbreitung solcher S. ins Leben gerufen, und 1883 haben
allein in
London 258 184
Kinder die Sonntagsschule
besucht.
Anders in
Amerika:
[* 4] hier ist die Sonntagsschule
keine
Armenschule und beschränkt sich auf religiöse Unterweisung. Aber sie
trägt auch hier einen durchaus schulmäßigen Charakter, weil sie nur bestimmt ist, den vom Lehrplan
der öffentlichen Schulen ausgeschlossenen Religionsunterricht ergänzend zu erteilen. So konnte zwischen den beiden
Ländern
doch eine Art Sonntagssc
hulallianz geschlossen und gemeinsame Grundsätze für den Lehrplan verabredet werden.
Nach
Deutschland
[* 5] kamen Anregungen zu einer
Bewegung für diese Art von S. erst von England herüber, dann besonders
kräftig seit 1863 von
Amerika. Der Amerikaner Woodruff fand für seine darauf gerichteten Bestrebungen in dem
Heidelberger
Kaufmann Bröckelmann einen energischen
Vertreter; und so wurde
die erste Sonntagsschule
nach amerik.
Muster noch 1863 in
Frankfurt
[* 6] a. M. eingerichtet. Man acceptierte das Gruppen- und Helfersystem, wonach die
Kinder in
Abteilungen von 10 bis 12 von
freiwilligen
Helfern und Helferinnen gleichzeitig in der
Kirche die religiöse Unterweisung erhalten.
Dagegen benahm man ihnen mehr und mehr den Charakter der Schule und richtete sie als Kindergottesdienste mit Gesang, Gebet und Ansprache ein. So wurden die S. zu einer Angelegenheit der Kirche und kirchlichen Gemeinde, in die dem Gottesdienst bestimmten Räume verlegt und der Aufsicht der Geistlichen unterstellt. Der Besuch dieser Kindergottesdienste ist natürlich ein freiwilliger, die Teilnehmer sind schulpflichtige Kinder. Die religiöse Unterweisung und Anregung der aus der Schule entlassenen Jugend bleibt den christl. Jünglings- und Jungfrauenvereinen vorbehalten. -
Vgl. Dalton, Geschichte,
Wesen und
Weise der evang. Sonntagsschule
(Cass. 1887);
ders., Die Sonntagsschule (Gotha [* 7] 1891);
von der Goltz, Das Bedürfnis besonderer Jugendgottesdienste und die zweckmäßige Art ihrer Einrichtung (Stuttg. 1888);
von Rohden, Kindergottesdienst (in Renis «Encyklopädischem Handbuch der Pädagogik»),
Bd. 4, Langensalza [* 8] 1897). -
An Zeitschriften erscheinen: «Der Sonntagsschulfreund» von Dr. Dalton und «Der Kindergottesdienst» (Bremen). [* 9]