Titel
Sonntag
(Dies
Solis), der
Tag der
Sonne
[* 2] (althochd. Sunnentac, altnord. Sunnudaga, engl. Sunday,
niederländ. Sondag, schwed. Sondag, dän.
Sondag), im Brauch der
Kirche der erste
Tag der
Woche und als
Tag des
Herrn (dies dominicus oder dominica, woraus das franz. dimanche,
das ital. domenica, das span. und portug.
domingo gebildet worden ist) zugleich der wöchentliche
Ruhe- und
Feiertag der
Christen. Wiewohl sich im
Neuen
Testament kein bestimmtes
Gebot für denselben
findet (doch vgl.
1. Kor. 16, 2;.
Offenb.
1, 10;.
Apostelgesch. 20, 7),. ward er schon im nachapostolischen
Zeitalter als Auferstehungstag
Christi neben dem jüdischen
Sabbat gefeiert, und zwar als Freudentag.
Mit dem Aufgeben der Heilighaltung des
Sabbats trug man viele der auf diesen
bezüglichen
Anschauungen
auf den S. über; doch datieren förmliche Verbote irdischer, nicht ganz dringender
Geschäfte an Sonntagen
von seiten
der
weltlichen Obrigkeit erst aus der Zeit
Konstantins d. Gr., und
Kaiser
Leo III. (717-741) untersagte endlich jegliche
Arbeit an
diesem
Tag. Die
Reformatoren wollten den S., ohne
Berufung auf ein göttliches
Gebot, bloß der Zweckmäßigkeit
wegen beobachtet wissen.
Dagegen hat schon
Beza die
Ansicht vertreten, daß der
S. eine göttliche Einse
tzung und an die
Stelle
des jüdischen
Sabbats getreten sei
, und so hat sich auf reformiertem Gebiet, besonders in
England,
Schottland und
Nordamerika,
[* 3] die strengste Form der Sonntag
sfeier bis auf den heutigen
Tag erhalten, selbst
wenn die bezüglichen
Gesetze
nicht mehr aufrecht erhalten werden. In
¶
mehr
Frankreich dagegen ist seit
der großen Revolution der Unterschied zwischen Sonn- und Wochentagen thatsächlich aufgehoben worden.
Auch in Italien
[* 5] sind alle auf Nichtbeobachtung der Feiertage gesetzten Strafen gesetzlich beseitigt. Die neuere Gesetzgebung
in Deutschland,
[* 6] namentlich in Preußen,
[* 7] ist von dem durch die Humanität gebotenen Gesichtspunkt ausgegangen, daß der Staat alle
offiziellen Amtshandlungen am S. zu untersagen, bei seinen eignen Unternehmungen die Sonntag
sarbeit zu vermeiden und die Tagelöhner,
Dienstboten und Fabrikarbeiter gegen die Forderungen ihrer Herren vor Sonntag
sarbeit zu schützen hat.
Die deutsche Gewerbeordnung (§ 136) verbietet die Beschäftigung von jugendlichen Arbeitern an Sonn- und Festtagen; auch können
die Gewerbtreibenden die Arbeiter an Sonn- und Festtagen zum Arbeiten nicht verpflichten (§ 105). Auch
die evangelische Kirche hat neuerdings ihre Aufmerksamkeit wieder auf diesen Punkt gelenkt und ist dabei vornehmlich dem Mißbrauch
des Sonntags
zu Vergnügungen und Ausschweifungen entgegengetreten. Ein »internationaler Kongreß für Sonntag
sruhe« tagte 1877 in
Genf,
[* 8] 1879 in Bern.
[* 9]
Die jetzt noch gewöhnlichen Namen der Sonntage
kommen teils von den Festen her, denen sie folgen, teils
von den Anfangsworten der alten lateinischen Kirchengesänge oder Kollekten, welche meistens aus den Psalmen entlehnt waren.
Unsre Kalendersonntage
sind:
1) ein S. nach Neujahr, der jedoch nur in solchen Jahren eintritt, in welchen Neujahr auf einen der vier letzten Wochentage fällt;
2) zwei bis sechs Sonntage
nach Epiphania (s. d.);
3) die Sonntage
Septuagesimä, Sexagesimä und Estomihi
(Ps. 71, 3);. 4) die Fastensonntage
Invokavit
(Ps. 91, 15),. Reminiscere
(Ps. 25, 6),. Okuli
(Ps. 25, 15),. Lätare
(Jes.
66, 10),. Judika
(Ps. 43, 1). und der Palmsonntag (s. d.);
5) sechs Sonntage
nach Ostern: Quasimodogeniti
(1. Petr. 2, 2),. Misericordias Domini
(Ps. 23, 6,. oder 89, 2), Jubilate
(Ps. 66,
1),. Kantate
(Ps. 96, 1),. Rogate
(Matth. 7, 7). und Exaudi
(Ps. 27, 7);. 6) die Trinitatissonntage
, deren Anzahl von dem frühern
oder spätern Eintritt des Osterfestes abhängt und höchstens 27 beträgt;
7) die vier Adventsonntage
(s. Advent);
8) ein S. nach Weihnachten, welcher nur dann eintritt, wenn das Weihnachtsfest nicht auf den Sonnabend oder S. fällt.
Vgl. Litteratur bei Kirchenjahr; ferner: Henke, Beiträge zur Geschichte der Lehre [* 10] von der Sonntagsfeier (Stendal [* 11] 1873);
Zahn, Geschichte des Sonntags, vornehmlich in der alten Kirche (Hannov. 1878);
Rauschenbusch, Der Ursprung des Sonntags (Hamb. 1887);
Grimelund, Geschichte des Sonntags (Gütersl. 1889);
Lammers, Sonntagsfeier in Deutschland (Berl. 1882);
»Gesetze und Verordnungen, betreffend die Ruhe an Sonn- und Feiertagen« (das. 1886);
über die Sonntagsfeier vom Standpunkt der Gesundheitslehre die Schriften von Schauenburg (das. 1876) und Niemeyer (das. 1877).