Sonnenparallaxe
146 Wörter, 1'045 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Sonnenparallaxe,
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Sonnenparallaxe
oder richtiger Äquatorial-Horizontalparallaxe der Sonne, der Winkel, [* 4] unter dem der Äquatorhalbmesser der Erde (bei ihrer mittlern Entfernung) von der Sonne aus erscheint. (S. Parallaxe.) Man erhält daher aus ihr durch eine einfache Rechnung sofort die Entfernung der Erde von der Sonne, ausgedrückt in Einheiten des Erdhalbmessers. Die Bestimmung der S. ist von so großer Wichtigkeit für die Kenntnis unsers Sonnensystems, da die mittlere Entfernung der Erde von der Sonne die Maßeinheit bildet, in der alle andern Entfernungen innerhalb unsers ganzen Sonnensystems ausgedrückt werden. So erhält man durch Vergleichung der Umlaufszeiten der Planeten [* 5] mit der Umlaufszeit der Erde nach dem dritten Keplerschen Gesetz die mittlern Entfernungen der Planeten von der Sonne ausgedrückt in mittlern Entfernungen der Erde von der Sonne. Für die Bestimmung der S. sind namentlich die Venusdurchgänge (s. d.) von Wichtigkeit. Nach Newcombs Untersuchungen beträgt die S. 8'',790.
[* 2] (grch., Abweichung), in der angewandten Mathematik der Winkel, den zwei von den Standpunkten A und B [* 2] (Fig. 1) nach dem Punkt S gezogene gerade Linien
[* 2] ^[Abb.: Fig. 1. Geometrische [* 2] Figur.] ¶
einschließen, also der Winkel, unter welchem die Strecke AB, von S aus gesehen, erscheint. Derselbe ist im allgemeinen um so kleiner, je weiter S von A und B entfernt ist. Bewegt man sich von dem Standpunkt A nach B, so dreht sich die Gesichtslinie AS um den Winkel ASB, und wenn hinter S in weiter Ferne ein Hintergrund liegt, so hat es den Anschein, als rückte S auf demselben fort, aber in einer Richtung, die der Bewegung des Beobachters entgegengesetzt ist. Diese scheinbare Bewegung des Objekts S ist um so stärker, je näher dasselbe liegt.
Diese Wahrnehmung, die wir an irdischen Gegenständen täglich machen, wiederholt sich auch bei Beobachtung des Mondes und der uns näher liegenden Planeten: sie erscheinen an einer andern Stelle des scheinbaren Himmelsgewölbes, an einem andern scheinbaren Ort, je nach dem Punkte der Erdoberfläche, von dem aus die Beobachtung erfolgt. Infolgedessen werden auch Bedeckungen der Sterne und der Sonne durch den Mond [* 8] (Sonnenfinsternisse) sowie Vorübergänge des Merkur [* 9] und der Venus vor der Sonne von verschiedenen Beobachten zu verschiedener Zeit und in verschiedener Weise gesehen.
In den astronomischen Tafeln gibt man aber die geozentrischen Orte der Himmelskörper an, d. h. die Orte, an denen sie bei der Beobachtung vom Erdmittelpunkt aus erscheinen würden. Um daraus die scheinbaren Orte der Gestirne für jeden Punkt der Erde abzuleiten, bedarf es der Kenntnis der Parallaxe, d. h. des Winkels, unter welchem, vom Stern aus gesehen, der Erdhalbmesser erscheint. In [* 7] Fig. 2 ist O der Erdmittelpunkt, der Kreis [* 10] ein Meridian der Erde, AH der Horizont [* 11] des Punktes A, OH' parallel zu AH; der Beobachtungspunkt B liegt so, daß der Stern S im Zenith erscheint, während ihn der Beobachter in A in der Höhe AS = h erblickt.
Der Winkel ASO = p' ist dann die Höhenparallaxe des Sterns S. Erscheint im Punkt A der Stern S am Horizont, wie in [* 7] Fig. 3, so ist der Winkel ASO = p die Horizontalparallaxe von S. Durch die Parallaxe wird die Höhe eines Sterns vermindert, denn erfolgte in [* 7] Fig. 2 die Beobachtung des Sterns S von O aus, so daß OH' parallel OH der Horizont ist, so wäre H'OS = HAS + p' die Höhe von S. Wenn die Parallaxe bekannt ist, so findet man leicht die Entfernung OS = d des Sterns vom Erdmittelpunkt, ausgedrückt in Erdhalbmessern OA = r. Aus [* 7] Fig. 2 folgt nämlich d = (r . cos h) / sin p', und aus [* 7] Fig. 3 ergibt sich d = r/ sin parallaxe. Wegen der Kleinheit von p' und p setzt man dafür d = (r . cos h) / p' = r/ p, wo aber p und p' nicht in Gradmaß, sondern als Bogen, [* 12] ausgedrückt in Teilen des Halbmessers, anzugeben sind (180° = 3,1415927; 1° = 1 / 57,296, 1' = 1 / 3437,75, 1'' = 1 / 206264,8). Aus der Vergleichung der beiden Ausdrücke für d folgt: p' = p. cos h, d. h. die Höhenparallaxe ist gleich der Horizontalparallaxe, multipliziert mit dem Kosinus der Höhe.
Die erstere verschwindet also im Zenith (h = 90°), der scheinbare Ort fällt dann mit dem geozentrischen zusammen. Es wurde bereits erwähnt, daß die Parallaxen der Sterne sehr klein sind. Am größten ist die Horizontalparallaxe des Mondes; sie schwankt zwischen 54 und 61' und beträgt im Mittel 57,03, d. h. im Bogenmaß 57,03 / 3437,7 = 1 / 60,28, und die mittlere Entfernung des Mondes vom Erdmittelpunkt ist daher 60,28 Erdhalbmesser. Um die Horizontalparallaxe des Mondes zu finden, beobachtet man an zwei auf demselben Meridian gelegenen Punkten A und B der Erde [* 7] (Fig. 4) die Kulminationshöhen h und h' des Mondmittelpunktes S; ist dann der Winkel AOB oder der Unterschied der geographischen Breiten von A u. B bekannt (= w), so ergibt sich der Winkel ASB oder p'' = h'- h - w, u. die Horizontalparallaxe von S ist: p = p''/ (cos h + cos h'). In gleicher Weise läßt sich auch die Parallaxe des Mars [* 13] und der uns am nächsten kommenden Planetoiden zur Zeit der Opposition finden.
Bei der Sonne aber kann man auf diese Weise die Parallaxe nicht finden, weil sie viel zu klein ist. Sie beträgt nämlich (nach Newcomb) 8,85'', d. h. in Bogenmaß 8,85 / 206264,8 = 1 / 23300, und die Entfernung der Erde von der Sonne beträgt daher 23,300 Erdhalbmesser. Über die Bestimmung dieser wichtigen Größe vgl. Sonne. Die bisher betrachtete Parallaxe, die scheinbare Größe des Erdhalbmessers für einen Beobachter auf einem Stern, heißt auch die tägliche Parallaxe. Für genaue Rechnungen ist noch die vorstehend vernachlässigte Abweichung der Erde von der Kugelform in Betracht zu ziehen.
Vgl. Brünnow, Sphärische Astronomie, [* 14] 3. Abschnitt (Leipz. 1862).
Für die Fixsterne [* 15] läßt sich ihrer ungeheuern Entfernung wegen eine tägliche Parallaxe nicht finden; wohl aber läßt sich erwarten, daß die uns zunächst liegenden Fixsterne eine scheinbare Ortsveränderung zeigen werden, wenn man sie von zwei einander diametral entgegengesetzten Punkten der Erdbahn, also in zwei um ½ Jahr voneinander abstehenden Zeitpunkten, beobachtet. Durch solche Beobachtungen hat man bei einer kleinen Anzahl von Fixsternen die jährliche Parallaxe gefunden, d. h. den Winkel ASO = p [* 7] (Fig. 3), welchen zwei Gerade einschließen, von denen die eine vom Stern S nach der Sonne O, die andre nach einem Punkt A der Erdbahn gezogen ist, vorausgesetzt, daß der Radius OA senkrecht auf AS steht.
Wenn die jährliche Parallaxe 1'', d. h. in Bogenmaß 1 / 206264,8, beträgt, so ist der Stern 206,264,8 Erdbahnhalbmesser od. Sonnenweiten (zu 148,670,000 km oder ungefähr 20 Mill. geogr. Meilen) von der Sonne entfernt; das Licht, [* 16] welches nach Cornu in einer Sekunde 300,400 km zurücklegt, braucht für diese Entfernung nahezu 3¼ Jahre. Die größte Fixsternparallaxe, die des Sterns α Centauri, beträgt aber nur ungefähr 0,9''; auch dieser nächste Fixstern ist also noch weiter als die angegebene Strecke von uns entfernt (vgl. Fixsterne, S. 322). Die am sichersten bestimmten Fixsternparallaxen nebst den daraus abgeleiteten Abständen der betreffenden Sterne von der Sonne in Sonnenweiten und in Jahren Lichtzeit sind folgende:
[* 7] ^[Abb.: Fig. 2. bis 4. geometrische Figuren.] ¶
Name des Sterns | Größe | Parallaxe | Entfernung | |
---|---|---|---|---|
Sonnenweiten | Lichtjahre | |||
Groombridge 34 | 8.2 | 0,307'' ± 0,025'' | 672000 | 10.6 |
Polarstern | 2 | 0.057 ± 0.010 | 3820000 | 60.3 |
α im Fuhrmann | 1 | 0.046 ± 0.200 | 4484000 | 70.8 |
Sirius | 1 | 0.193 | 1069000 | 16.9 |
ι im Großen Bären | 3 | 0.133 ± 0.106 | 1551000 | 24.6 |
Lalande 21185 | 7.3 | 0.501 ± 0.011 | 412000 | 6.5 |
Lalande 21258 | 8.7 | 0.207 ± 0.010 | 764000 | 12.1 |
Groombridge 1830 | 6.7 | 0.118 ± 0.011 | 1748000 | 27.6 |
Arktur | 1 | 0.127 ± 0.073 | 1624000 | 25.7 |
α im Centauren | 1 | 0.919 ± 0.034 | 224500 | 3.5 |
Öltzen 17415/16 | 9.0 | 0.254 ± 0.021 | 812100 | 12.8 |
70 p im Ophiuchus | 4 | 0.169 ± 0.010 | 1220500 | 19.2 |
Wega | 1 | 0.18 ± 0.02 | 1146000 | 18.1 |
α im Drachen | 5 | 0.246 ± 0.013 | 838000 | 13.2 |
61 im Schwan | 5.6 | 0.511 ± 0.028 | 403650 | 6.3 |
Bradley 3077 | 5.9 | 0.055 ± 0.026 | 3750000 | 59.2 |
85 im Pegasus | 6.1 | 0.054 ± 0.019 | 3820000 | 60.3 |
Nr. | Ergebnis | Parallaxe |
---|---|---|
1 | ****** | Pa|ral|la|xe, die; -, -n [griech. parállaxis = Vertauschung, Abweichung, zu: parallássein = vertauschen]: 1. (Physik) Winkel, der entsteht, ... |
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Höhenparallaxe, s. Parallaxe
Parallaxe
Band - Seite | Artikel | Autor | Titel | Ausgabe |
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12.706 | Parallaxe | Brünnow | Sphärische Astronomie, 3. Abschnitt | (Leipz. 1862) |
12.911 | Peters | "Recherches sur la parallaxe des étoiles fixes" | (1847) | |
4.927 | Diagramm | Hipparchos | Zeichnung des Standes der Sonne, des Mondes und der Erde bei Finsternissen, nebst den dazu gehörigen Linien, durch welche Hipparchos | (s. d.) die Entfernung der Sonne und des Mondes von der Erde sowie die Parallaxe dieser beiden Himmelskörper zu finden lehrte. - In der Musik bezeichnete man mit D. ehedem sowohl die Partitur als eine ausgeschriebene Stimme, bisweilen auch das Liniensystem. - Über Blütendiagramme s. Blüten. |
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