Sonett
(ital., Klanggedicht), kleines Gedicht von bestimmter Form, bestehend aus 14 (in der Regel iambischen) Zeilen, von denen die ersten 8 und die letzten 6 miteinander reimen und zwar so, daß die 8 ersten, in zwei Strophen von je 4 Zeilen zerfallend (Quaternarien oder Quatrains), nur zwei Reime haben, welche je viermal anklingen und in dem Verhältnis der Reimumschlingung zu einander stehen ¶
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(abba abba), die 6 letzten dagegen, in zwei Strophen von je 3 Zeilen zerfallend (Terzinen), mit zwei oder auch drei Reimklängen beliebig wechseln können (cdc ded, cde cde, cde dce etc.). Das S. ist eine ebenso schöne wie kunstvolle, aber auch schwierige Form für die reflektierende Lyrik, weil sie nicht nur einen bedeutenden Reichtum an Reimen erfordert, sondern auch die innere Gedankenordnung sich genau den Abteilungen anschmiegen soll, nicht bloß so, daß mit der 4., 8. und 11. Zeile eine Sinnpause eintreten muß, sondern die Art des Gedankenvortrags soll auch mit jeder neuen Strophe eine neue Wendung nehmen.
Unbedingt verpönt ist namentlich das Herüberziehen des Satzes aus der 8. in die 9. Zeile. Hervorgegangen
aus der provençalischen Poesie, fand das S. in der Mitte des 13. Jahrh. in die italienische Poesie Aufnahme. Die erste regelmäßige
Gestalt gab ihm Fra Guittone von Arezzo, die höchste Vollendung Dante und Petrarca; im übrigen ist die Zahl
der italienischen Sonett
endichter unendlich. In Frankreich ward das S. erst im 16. Jahrh. wieder aufgenommen, aber als Bouts rimés
zum leeren Witz- und Reimspiel herabgewürdigt.
Auch in England, wohin es durch Howard Graf Surrey verpflanzt ward, war es eine Zeitlang Modeform (Shakespeare). In Spanien
[* 3] haben
sich Boscau ^[richtig: Boscan], Garcilaso de la Vega, Mendoza etc., in Portugal namentlich Camoens als Meister
des Sonetts
ausgezeichnet. In der deutschen Poesie finden sich Anklänge an das S. bereits bei Walther von der Vogelweide.
Eigentlich eingeführt ward es zuerst von Weckherlin und Opitz (in Alexandrinern) und unter dem Namen Klanggedicht bald
mit Vorliebe (Gryphius, P. Fleming etc.) bearbeitet.
Später geriet es wieder in Vergessenheit, bis es durch Bürger und dann durch die romantische Schule von neuem aufgenommen
und mit Eifer kultiviert wurde. Treffliche deutsche Sonette
haben Schlegel, Goethe, Rückert, Platen, Chamisso, Herwegh, Geibel,
Strachwitz u. a. geliefert. Sonett
enkranz ist eine Reihe von 15 Sonetten
, von denen 14 durch ihre Anfangs-
oder Endzeilen das 15., das sogen. Meistersonett
, bilden.
Vgl. Tomlinson, The sonnet, its origin, structure etc. (Lond. 1874);
Welti, Geschichte des Sonetts
in der deutschen Dichtung (Leipz. 1884);
Lentzner, Über das S. in der englischen Dichtung (Halle [* 4] 1886).